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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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öffnete denn der Demos selbst dem Gelon, als er die
Gamoren zurückzuführen kam, die Thore, und gab sich
ihm völlig in die Hände 1 Ol. 73, 4. Gelons und sei-
nes Nachfolgers Herrschaft war, wenn auch monarchisch,
doch nicht unbillig, und der Stadt im Ganzen heilsam;
daß der erstere einer außerordentlichen Volksversamm-
lung das Urtheil über seine Staatsverwaltung gleich-
sam anheimstellte 2, scheint zu beweisen, daß er als
ein Aesymnet gelten wollte, dem die Stadt in schwie-
rigen Lagen selbst ihr Wohl mit voller Hingebung an-
vertraut. Mit dem Sturze dieser Dynastie beginnt
die zweite Periode, in welcher im Ganzen eine ge-
mäßigte Verfassung statt fand, welche die Meisten 3
Demokratie nennen, Aristoteles aber als Politie im en-
gern Sinne von der Demokratie unterscheidet 4. Gleich
nach Thrasybulos Sturze kam eine Volksversammlung
zusammen, in welcher über die Verfassung berathschlagt
wurde. Die Magistrate sollten blos die alten Bürger
verwalten, die von Gelon in großer Zahl aus andern
Städten Zugezogenen und die zu Bürgern aufgenom-
menen Söldner 5 dagegen nicht volles Bürgerrecht ge-
nießen 6; worauf Krieg innerhalb der Mauern von Syra-
kus entstand: endlich wurde hier wie in andern Städ-
ten Siciliens durch Wiedereinsetzung der alten Bürger,
Aussonderung der Fremden, die man in Messana an-
siedelte, und neue Aeckertheilung (wobei man wahr-
scheinlich auch die Güter des Adels neu vertheilte), Ru-
he hergestellt 7. Indeß waren durch die Willkührlich-

betrifft den Untergang der alten Geschlechterherrschaft, die Plut.
aristen politeian nennt.
1 Herod. a. O.
2 Diod. 11, 26. Aelian V. G. 13, 36.
3 auch Thuk. 7, 55. Demosth. Leptin. 506. Aa.
4 5, 3, 6. vgl. aber
5, 10, 3.
5 Herod. 7, 156. Diod. 11, 25.
6 Diod. 11, 72. 73.
7 Diod. 11, 76. vgl. Aristot. 5, 2, 11. Dies ist die politogra-

oͤffnete denn der Demos ſelbſt dem Gelon, als er die
Gamoren zuruͤckzufuͤhren kam, die Thore, und gab ſich
ihm voͤllig in die Haͤnde 1 Ol. 73, 4. Gelons und ſei-
nes Nachfolgers Herrſchaft war, wenn auch monarchiſch,
doch nicht unbillig, und der Stadt im Ganzen heilſam;
daß der erſtere einer außerordentlichen Volksverſamm-
lung das Urtheil uͤber ſeine Staatsverwaltung gleich-
ſam anheimſtellte 2, ſcheint zu beweiſen, daß er als
ein Aeſymnet gelten wollte, dem die Stadt in ſchwie-
rigen Lagen ſelbſt ihr Wohl mit voller Hingebung an-
vertraut. Mit dem Sturze dieſer Dynaſtie beginnt
die zweite Periode, in welcher im Ganzen eine ge-
maͤßigte Verfaſſung ſtatt fand, welche die Meiſten 3
Demokratie nennen, Ariſtoteles aber als Politie im en-
gern Sinne von der Demokratie unterſcheidet 4. Gleich
nach Thraſybulos Sturze kam eine Volksverſammlung
zuſammen, in welcher uͤber die Verfaſſung berathſchlagt
wurde. Die Magiſtrate ſollten blos die alten Buͤrger
verwalten, die von Gelon in großer Zahl aus andern
Staͤdten Zugezogenen und die zu Buͤrgern aufgenom-
menen Soͤldner 5 dagegen nicht volles Buͤrgerrecht ge-
nießen 6; worauf Krieg innerhalb der Mauern von Syra-
kus entſtand: endlich wurde hier wie in andern Staͤd-
ten Siciliens durch Wiedereinſetzung der alten Buͤrger,
Ausſonderung der Fremden, die man in Meſſana an-
ſiedelte, und neue Aeckertheilung (wobei man wahr-
ſcheinlich auch die Guͤter des Adels neu vertheilte), Ru-
he hergeſtellt 7. Indeß waren durch die Willkuͤhrlich-

betrifft den Untergang der alten Geſchlechterherrſchaft, die Plut.
ἀϱίστην πολιτείαν nennt.
1 Herod. a. O.
2 Diod. 11, 26. Aelian V. G. 13, 36.
3 auch Thuk. 7, 55. Demoſth. Leptin. 506. Aa.
4 5, 3, 6. vgl. aber
5, 10, 3.
5 Herod. 7, 156. Diod. 11, 25.
6 Diod. 11, 72. 73.
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[158/0164] oͤffnete denn der Demos ſelbſt dem Gelon, als er die Gamoren zuruͤckzufuͤhren kam, die Thore, und gab ſich ihm voͤllig in die Haͤnde 1 Ol. 73, 4. Gelons und ſei- nes Nachfolgers Herrſchaft war, wenn auch monarchiſch, doch nicht unbillig, und der Stadt im Ganzen heilſam; daß der erſtere einer außerordentlichen Volksverſamm- lung das Urtheil uͤber ſeine Staatsverwaltung gleich- ſam anheimſtellte 2, ſcheint zu beweiſen, daß er als ein Aeſymnet gelten wollte, dem die Stadt in ſchwie- rigen Lagen ſelbſt ihr Wohl mit voller Hingebung an- vertraut. Mit dem Sturze dieſer Dynaſtie beginnt die zweite Periode, in welcher im Ganzen eine ge- maͤßigte Verfaſſung ſtatt fand, welche die Meiſten 3 Demokratie nennen, Ariſtoteles aber als Politie im en- gern Sinne von der Demokratie unterſcheidet 4. Gleich nach Thraſybulos Sturze kam eine Volksverſammlung zuſammen, in welcher uͤber die Verfaſſung berathſchlagt wurde. Die Magiſtrate ſollten blos die alten Buͤrger verwalten, die von Gelon in großer Zahl aus andern Staͤdten Zugezogenen und die zu Buͤrgern aufgenom- menen Soͤldner 5 dagegen nicht volles Buͤrgerrecht ge- nießen 6; worauf Krieg innerhalb der Mauern von Syra- kus entſtand: endlich wurde hier wie in andern Staͤd- ten Siciliens durch Wiedereinſetzung der alten Buͤrger, Ausſonderung der Fremden, die man in Meſſana an- ſiedelte, und neue Aeckertheilung (wobei man wahr- ſcheinlich auch die Guͤter des Adels neu vertheilte), Ru- he hergeſtellt 7. Indeß waren durch die Willkuͤhrlich- 9 1 Herod. a. O. 2 Diod. 11, 26. Aelian V. G. 13, 36. 3 auch Thuk. 7, 55. Demoſth. Leptin. 506. Aa. 4 5, 3, 6. vgl. aber 5, 10, 3. 5 Herod. 7, 156. Diod. 11, 25. 6 Diod. 11, 72. 73. 7 Diod. 11, 76. vgl. Ariſtot. 5, 2, 11. Dies iſt die πολιτογϱα- 9 betrifft den Untergang der alten Geſchlechterherrſchaft, die Plut. ἀϱίστην πολιτείαν nennt.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/164>, abgerufen am 21.11.2024.