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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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völligen Demokratie um, als ersten Grundsatz an die
Spitze stellend, daß die obrigkeitlichen Aemter nicht
durch Wahl, sondern durch Loos zu besetzen seien 1.
Zugleich gab sie geschriebene Gesetze, die besonders in
Bestimmung der Strafen sehr genau und ausführlich
waren, und durch eine gewisse bittere Strenge ohne
Zweifel den Unordnungen, die die neue Verfassung
nothwendig nach sich ziehen mußte, steuern wollten.
Dieser Codex, den auch andere Sicilische Staaten
annahmen, war in altem einheimischem Dialekt geschrie-
ben, der schon siebzig Jahre später (unter Timoleon)
Exegeten bedurfte. Bei alle dem finden wir anderthalb
Olympiaden später die Demokratie schon so in Miß-
achtung 3, daß der Demos, die Stadt in den Gefah-
ren der Zeit zu schützen rein unfähig, in völliger
Rathlosigkeit einen Feldherrn mit unumschränkter Ge-
walt ernannte: was er später, je unglücklicher es aus-
schlug, um desto öfter wiederholte. Dionysios, mäch-
tig als solcher, und zugleich als Demagog das Volk
vor Optimaten in beständiger Angst erhaltend 4, ward
bald Tyrannos 5; als welcher er nur noch einen Schein
der Verfassung bestehen ließ, in Volksversammlungen,
die er berief, leitete und entließ 6. Dion stellte die
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1 Arist. 5, 3, 6. Diod. 13, 35. Die demegorountes loosten, blos um
die Folge des Auftretens. Plut. Reg. apophth. p. 89. 90. Zu
Strategen wählte man noch immer die dunatotatous. Diod. 13,
91.
3 Plut. a. O. p. 92.
4 Arist. 5, 4, 5. 5, 8, 4. Diod. 13, 96.
5 Diod. 13, 94.
vgl. Polyän. 5, 2, 2.
6 Diod. 14, 45. 64. 70. vgl. mehrere
Stellen des Ps. Aristot. Oekon. 2, 20. Die, von Dion z. B., ge-
gen
den zweiten Dionys berufenen (Diod. 16, 10. 17. 20. Plut,
Dion. 33. 38.) wird man nicht als zur Tyrannis gehörig ansehen
wollen. Cic. de rep. 3, 31. läugnet, daß unter Dionysios Syra-
tus überhaupt eine res publica gewesen.
2 Diod. 13, 33. 35.
III. 11

voͤlligen Demokratie um, als erſten Grundſatz an die
Spitze ſtellend, daß die obrigkeitlichen Aemter nicht
durch Wahl, ſondern durch Loos zu beſetzen ſeien 1.
Zugleich gab ſie geſchriebene Geſetze, die beſonders in
Beſtimmung der Strafen ſehr genau und ausfuͤhrlich
waren, und durch eine gewiſſe bittere Strenge ohne
Zweifel den Unordnungen, die die neue Verfaſſung
nothwendig nach ſich ziehen mußte, ſteuern wollten.
Dieſer Codex, den auch andere Siciliſche Staaten
annahmen, war in altem einheimiſchem Dialekt geſchrie-
ben, der ſchon ſiebzig Jahre ſpaͤter (unter Timoleon)
Exegeten bedurfte. Bei alle dem finden wir anderthalb
Olympiaden ſpaͤter die Demokratie ſchon ſo in Miß-
achtung 3, daß der Demos, die Stadt in den Gefah-
ren der Zeit zu ſchuͤtzen rein unfaͤhig, in voͤlliger
Rathloſigkeit einen Feldherrn mit unumſchraͤnkter Ge-
walt ernannte: was er ſpaͤter, je ungluͤcklicher es aus-
ſchlug, um deſto oͤfter wiederholte. Dionyſios, maͤch-
tig als ſolcher, und zugleich als Demagog das Volk
vor Optimaten in beſtaͤndiger Angſt erhaltend 4, ward
bald Tyrannos 5; als welcher er nur noch einen Schein
der Verfaſſung beſtehen ließ, in Volksverſammlungen,
die er berief, leitete und entließ 6. Dion ſtellte die
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1 Ariſt. 5, 3, 6. Diod. 13, 35. Die δημηγοϱουντες loosten, blos um
die Folge des Auftretens. Plut. Reg. apophth. p. 89. 90. Zu
Strategen waͤhlte man noch immer die δυνατωτάτους. Diod. 13,
91.
3 Plut. a. O. p. 92.
4 Ariſt. 5, 4, 5. 5, 8, 4. Diod. 13, 96.
5 Diod. 13, 94.
vgl. Polyaͤn. 5, 2, 2.
6 Diod. 14, 45. 64. 70. vgl. mehrere
Stellen des Pſ. Ariſtot. Oekon. 2, 20. Die, von Dion z. B., ge-
gen
den zweiten Dionys berufenen (Diod. 16, 10. 17. 20. Plut,
Dion. 33. 38.) wird man nicht als zur Tyrannis gehoͤrig anſehen
wollen. Cic. de rep. 3, 31. laͤugnet, daß unter Dionyſios Syra-
tus uͤberhaupt eine res publica geweſen.
2 Diod. 13, 33. 35.
III. 11
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[161/0167] voͤlligen Demokratie um, als erſten Grundſatz an die Spitze ſtellend, daß die obrigkeitlichen Aemter nicht durch Wahl, ſondern durch Loos zu beſetzen ſeien 1. Zugleich gab ſie geſchriebene Geſetze, die beſonders in Beſtimmung der Strafen ſehr genau und ausfuͤhrlich waren, und durch eine gewiſſe bittere Strenge ohne Zweifel den Unordnungen, die die neue Verfaſſung nothwendig nach ſich ziehen mußte, ſteuern wollten. Dieſer Codex, den auch andere Siciliſche Staaten annahmen, war in altem einheimiſchem Dialekt geſchrie- ben, der ſchon ſiebzig Jahre ſpaͤter (unter Timoleon) Exegeten bedurfte. Bei alle dem finden wir anderthalb Olympiaden ſpaͤter die Demokratie ſchon ſo in Miß- achtung 3, daß der Demos, die Stadt in den Gefah- ren der Zeit zu ſchuͤtzen rein unfaͤhig, in voͤlliger Rathloſigkeit einen Feldherrn mit unumſchraͤnkter Ge- walt ernannte: was er ſpaͤter, je ungluͤcklicher es aus- ſchlug, um deſto oͤfter wiederholte. Dionyſios, maͤch- tig als ſolcher, und zugleich als Demagog das Volk vor Optimaten in beſtaͤndiger Angſt erhaltend 4, ward bald Tyrannos 5; als welcher er nur noch einen Schein der Verfaſſung beſtehen ließ, in Volksverſammlungen, die er berief, leitete und entließ 6. Dion ſtellte die 2 1 Ariſt. 5, 3, 6. Diod. 13, 35. Die δημηγοϱουντες loosten, blos um die Folge des Auftretens. Plut. Reg. apophth. p. 89. 90. Zu Strategen waͤhlte man noch immer die δυνατωτάτους. Diod. 13, 91. 3 Plut. a. O. p. 92. 4 Ariſt. 5, 4, 5. 5, 8, 4. Diod. 13, 96. 5 Diod. 13, 94. vgl. Polyaͤn. 5, 2, 2. 6 Diod. 14, 45. 64. 70. vgl. mehrere Stellen des Pſ. Ariſtot. Oekon. 2, 20. Die, von Dion z. B., ge- gen den zweiten Dionys berufenen (Diod. 16, 10. 17. 20. Plut, Dion. 33. 38.) wird man nicht als zur Tyrannis gehoͤrig anſehen wollen. Cic. de rep. 3, 31. laͤugnet, daß unter Dionyſios Syra- tus uͤberhaupt eine res publica geweſen. 2 Diod. 13, 33. 35. III. 11

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/167>, abgerufen am 24.11.2024.