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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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constituiren wollte: so wie später Dion in Syrakus
selbst eine Lakonische oder Kretische Constitution wünsch-
te 1. Er gründete sie "mit gottgebaueter Freiheit nach
den Gesetzen der Hyllischen Richtschnur" nämlich nach
dem Muster der Verfassung Sparta's. "Denn es
wollen die Nachkommen des Pamphylos und der He-
rakliden selbst, so am Abhange des Taygetos wohnen,
stets auf den Dorischen Satzungen des Aegimios be-
harren." Diese Stelle enthüllt um desto mehr, je ge-
nauer man sie entwickelt. Sie zeigt, daß erstens
Sparta's Gesetzordnung als die wahrhaft Dorische an-
gesehen, und zweitens, daß deren Ursprung mit dem
des Volkes überhaupt für identisch gehalten wurde.
Sie zeigt, daß die Spartanischen Nomoi die wahren
Dorischen Nomima waren, wie denn bei keinem Volke
der Unterschied zwischen Herkommen und Gesetz unbe-
deutender war; woraus von selbst erhellt, wie wenig der
Gesetzgeber hier neu zu schaffen Gelegenheit hatte, da
Herkommen nie eines Einzelnen Werk sein können. Aus
dieser Ansicht erklärt es sich auch, wie Hellanikos, der
älteste Schriftsteller über Sparta's Verfassung 2, des
Lykurg dabei mit keinem Worte gedachte, worüber ihn
Ephoros mit einseitiger Kritik tadelt 3, und den ersten
Königen, Prokles und Eurysthenes, alle sog. Lykurgi-
schen Einrichtungen beilegen konnte. Daraus folgt
aber wieder, daß, wenn Herodot die Spartiaten vor
Lykurg als höchst anarchisch (kakonomotatous) schil-

1 Plut. Vergl. Timol. 2. Dion 53. Lakonikon skhema --
kosmein. Er war selbst Bürger von Sparta, Plut. Dion. 17. 49.
2 Doch muß ihn Herodot noch nicht gekannt haben, da er zu-
erst darüber zu schreiben glaubt. Herod. 6, 55.
3 Str. 8,
366. Den Ephoros dagegen meint wohl besonders Herakl. Pont. 2.
ten Lakedaimonion politeian tines Lukourgo prosaptons-
pasan.

conſtituiren wollte: ſo wie ſpaͤter Dion in Syrakus
ſelbſt eine Lakoniſche oder Kretiſche Conſtitution wuͤnſch-
te 1. Er gruͤndete ſie “mit gottgebaueter Freiheit nach
den Geſetzen der Hylliſchen Richtſchnur” naͤmlich nach
dem Muſter der Verfaſſung Sparta’s. “Denn es
wollen die Nachkommen des Pamphylos und der He-
rakliden ſelbſt, ſo am Abhange des Taygetos wohnen,
ſtets auf den Doriſchen Satzungen des Aegimios be-
harren.” Dieſe Stelle enthuͤllt um deſto mehr, je ge-
nauer man ſie entwickelt. Sie zeigt, daß erſtens
Sparta’s Geſetzordnung als die wahrhaft Doriſche an-
geſehen, und zweitens, daß deren Urſprung mit dem
des Volkes uͤberhaupt fuͤr identiſch gehalten wurde.
Sie zeigt, daß die Spartaniſchen Νόμοι die wahren
Doriſchen Νόμιμα waren, wie denn bei keinem Volke
der Unterſchied zwiſchen Herkommen und Geſetz unbe-
deutender war; woraus von ſelbſt erhellt, wie wenig der
Geſetzgeber hier neu zu ſchaffen Gelegenheit hatte, da
Herkommen nie eines Einzelnen Werk ſein koͤnnen. Aus
dieſer Anſicht erklaͤrt es ſich auch, wie Hellanikos, der
aͤlteſte Schriftſteller uͤber Sparta’s Verfaſſung 2, des
Lykurg dabei mit keinem Worte gedachte, woruͤber ihn
Ephoros mit einſeitiger Kritik tadelt 3, und den erſten
Koͤnigen, Prokles und Euryſthenes, alle ſog. Lykurgi-
ſchen Einrichtungen beilegen konnte. Daraus folgt
aber wieder, daß, wenn Herodot die Spartiaten vor
Lykurg als hoͤchſt anarchiſch (κακονομωτάτους) ſchil-

1 Plut. Vergl. Timol. 2. Dion 53. Λακωνικὸν σχῆμα —
κοσμεῖν. Er war ſelbſt Buͤrger von Sparta, Plut. Dion. 17. 49.
2 Doch muß ihn Herodot noch nicht gekannt haben, da er zu-
erſt daruͤber zu ſchreiben glaubt. Herod. 6, 55.
3 Str. 8,
366. Den Ephoros dagegen meint wohl beſonders Herakl. Pont. 2.
τὴν Λακεδαιμονίων πολιτείαν τινὲς Λυκούϱγῳ πϱοσἀπτονσ-
πᾶσαν.
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[15/0021] conſtituiren wollte: ſo wie ſpaͤter Dion in Syrakus ſelbſt eine Lakoniſche oder Kretiſche Conſtitution wuͤnſch- te 1. Er gruͤndete ſie “mit gottgebaueter Freiheit nach den Geſetzen der Hylliſchen Richtſchnur” naͤmlich nach dem Muſter der Verfaſſung Sparta’s. “Denn es wollen die Nachkommen des Pamphylos und der He- rakliden ſelbſt, ſo am Abhange des Taygetos wohnen, ſtets auf den Doriſchen Satzungen des Aegimios be- harren.” Dieſe Stelle enthuͤllt um deſto mehr, je ge- nauer man ſie entwickelt. Sie zeigt, daß erſtens Sparta’s Geſetzordnung als die wahrhaft Doriſche an- geſehen, und zweitens, daß deren Urſprung mit dem des Volkes uͤberhaupt fuͤr identiſch gehalten wurde. Sie zeigt, daß die Spartaniſchen Νόμοι die wahren Doriſchen Νόμιμα waren, wie denn bei keinem Volke der Unterſchied zwiſchen Herkommen und Geſetz unbe- deutender war; woraus von ſelbſt erhellt, wie wenig der Geſetzgeber hier neu zu ſchaffen Gelegenheit hatte, da Herkommen nie eines Einzelnen Werk ſein koͤnnen. Aus dieſer Anſicht erklaͤrt es ſich auch, wie Hellanikos, der aͤlteſte Schriftſteller uͤber Sparta’s Verfaſſung 2, des Lykurg dabei mit keinem Worte gedachte, woruͤber ihn Ephoros mit einſeitiger Kritik tadelt 3, und den erſten Koͤnigen, Prokles und Euryſthenes, alle ſog. Lykurgi- ſchen Einrichtungen beilegen konnte. Daraus folgt aber wieder, daß, wenn Herodot die Spartiaten vor Lykurg als hoͤchſt anarchiſch (κακονομωτάτους) ſchil- 1 Plut. Vergl. Timol. 2. Dion 53. Λακωνικὸν σχῆμα — κοσμεῖν. Er war ſelbſt Buͤrger von Sparta, Plut. Dion. 17. 49. 2 Doch muß ihn Herodot noch nicht gekannt haben, da er zu- erſt daruͤber zu ſchreiben glaubt. Herod. 6, 55. 3 Str. 8, 366. Den Ephoros dagegen meint wohl beſonders Herakl. Pont. 2. τὴν Λακεδαιμονίων πολιτείαν τινὲς Λυκούϱγῳ πϱοσἀπτονσ- πᾶσαν.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/21>, abgerufen am 21.11.2024.