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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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bei der Pompa zum Tempel der Helena in Therapne
bedienten, umherfahren und Wettrennen halten sah 1.
So war überhaupt die Schönheit der Frauen, der
schönsten Griechenlands 2, in Sparta weit mehr als
irgendwo, Gegenstand allgemeiner Bewunderung, unter
einem Volke das für Wohlgestalt überall ein sehr re-
ges Gefühl und eine besondre Achtung hatte 3.

2.

Zur Ehe aber gehörte als Einleitung und
Vorbereitung in Sparta Zweierlei, erstens die Verlo-
bung von Seiten des Vaters 4, und zweitens der
Raub der Jungfrau. Was von diesem angegeben
wird, war offenbar eine alte nationale Sitte, deren
Grund in der Ansicht zu liegen scheint, daß das Weib
Freiheit und Jungfräulichkeit nicht hingeben, sondern
nur durch Gewalt an das stärkere Geschlecht verlieren
könne. Sie heiratheten durch Raub, sagt Plutarch.
Die aus dem Chor der Mädchen oder sonst woher Ent-
führte brachte der Jüngling zur Nympheutria, die
ihr das Haupthaar kurz abschor, und sie in männli-
chem Gewand und Schuhen, ohne Licht, sich auf ein
Binsenlager legen hieß, bis der Bräutigam vom Phei-
dition kam, die Braut nach dem Lager trug und ihr
den Gürtel löste 5. Und so genossen beide eine gerau-

1 Polykr. bei Athen. 4, 139 f. Xen. Ages. 8, 7. nach Casaub. Er-
gänzung aus Plut. Ages. 19. Hesych. kannathra. Eust. zu Il. 24.
p. 1344, 44.
2 Lakedaimonien te gunaika im Orakel;
und wie bewundern die Attischen Frauen in Aristoph. Lysistr. die
blühende und kräftige Schönheit der Lampito. vgl. Athen. 13, 609
b.
3 Herakl. Lembos bei Ath. 13, 566 a.
4 Wenn
Vater und Großvater todt waren, ging das Recht, auch in Dori-
schen Staaten, an die Brüder über, wie in Kyrene, Plut. mul.
virt. p. 303.
Polyän 8, 41.
5 Plut. Lyk. 15. Lak. Ap.-p.
224.
Xen. Staat 1, 5. Hermippos Bericht bei Athen. 13, 555
c. ist romanhaft entstellt. Aehnliches gilt von Agnon ebd. 13, 60e

bei der Pompa zum Tempel der Helena in Therapne
bedienten, umherfahren und Wettrennen halten ſah 1.
So war uͤberhaupt die Schoͤnheit der Frauen, der
ſchoͤnſten Griechenlands 2, in Sparta weit mehr als
irgendwo, Gegenſtand allgemeiner Bewunderung, unter
einem Volke das fuͤr Wohlgeſtalt uͤberall ein ſehr re-
ges Gefuͤhl und eine beſondre Achtung hatte 3.

2.

Zur Ehe aber gehoͤrte als Einleitung und
Vorbereitung in Sparta Zweierlei, erſtens die Verlo-
bung von Seiten des Vaters 4, und zweitens der
Raub der Jungfrau. Was von dieſem angegeben
wird, war offenbar eine alte nationale Sitte, deren
Grund in der Anſicht zu liegen ſcheint, daß das Weib
Freiheit und Jungfraͤulichkeit nicht hingeben, ſondern
nur durch Gewalt an das ſtaͤrkere Geſchlecht verlieren
koͤnne. Sie heiratheten durch Raub, ſagt Plutarch.
Die aus dem Chor der Maͤdchen oder ſonſt woher Ent-
fuͤhrte brachte der Juͤngling zur Nympheutria, die
ihr das Haupthaar kurz abſchor, und ſie in maͤnnli-
chem Gewand und Schuhen, ohne Licht, ſich auf ein
Binſenlager legen hieß, bis der Braͤutigam vom Phei-
dition kam, die Braut nach dem Lager trug und ihr
den Guͤrtel loͤste 5. Und ſo genoſſen beide eine gerau-

1 Polykr. bei Athen. 4, 139 f. Xen. Ageſ. 8, 7. nach Caſaub. Er-
gaͤnzung aus Plut. Ageſ. 19. Heſych. κάνναθϱα. Euſt. zu Il. 24.
p. 1344, 44.
2 Λακεδαιμονίην τε γυναῖκα im Orakel;
und wie bewundern die Attiſchen Frauen in Ariſtoph. Lyſiſtr. die
bluͤhende und kraͤftige Schoͤnheit der Lampito. vgl. Athen. 13, 609
b.
3 Herakl. Lembos bei Ath. 13, 566 a.
4 Wenn
Vater und Großvater todt waren, ging das Recht, auch in Dori-
ſchen Staaten, an die Bruͤder uͤber, wie in Kyrene, Plut. mul.
virt. p. 303.
Polyaͤn 8, 41.
5 Plut. Lyk. 15. Lak. Ap.-p.
224.
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[282/0288] bei der Pompa zum Tempel der Helena in Therapne bedienten, umherfahren und Wettrennen halten ſah 1. So war uͤberhaupt die Schoͤnheit der Frauen, der ſchoͤnſten Griechenlands 2, in Sparta weit mehr als irgendwo, Gegenſtand allgemeiner Bewunderung, unter einem Volke das fuͤr Wohlgeſtalt uͤberall ein ſehr re- ges Gefuͤhl und eine beſondre Achtung hatte 3. 2. Zur Ehe aber gehoͤrte als Einleitung und Vorbereitung in Sparta Zweierlei, erſtens die Verlo- bung von Seiten des Vaters 4, und zweitens der Raub der Jungfrau. Was von dieſem angegeben wird, war offenbar eine alte nationale Sitte, deren Grund in der Anſicht zu liegen ſcheint, daß das Weib Freiheit und Jungfraͤulichkeit nicht hingeben, ſondern nur durch Gewalt an das ſtaͤrkere Geſchlecht verlieren koͤnne. Sie heiratheten durch Raub, ſagt Plutarch. Die aus dem Chor der Maͤdchen oder ſonſt woher Ent- fuͤhrte brachte der Juͤngling zur Nympheutria, die ihr das Haupthaar kurz abſchor, und ſie in maͤnnli- chem Gewand und Schuhen, ohne Licht, ſich auf ein Binſenlager legen hieß, bis der Braͤutigam vom Phei- dition kam, die Braut nach dem Lager trug und ihr den Guͤrtel loͤste 5. Und ſo genoſſen beide eine gerau- 1 Polykr. bei Athen. 4, 139 f. Xen. Ageſ. 8, 7. nach Caſaub. Er- gaͤnzung aus Plut. Ageſ. 19. Heſych. κάνναθϱα. Euſt. zu Il. 24. p. 1344, 44. 2 Λακεδαιμονίην τε γυναῖκα im Orakel; und wie bewundern die Attiſchen Frauen in Ariſtoph. Lyſiſtr. die bluͤhende und kraͤftige Schoͤnheit der Lampito. vgl. Athen. 13, 609 b. 3 Herakl. Lembos bei Ath. 13, 566 a. 4 Wenn Vater und Großvater todt waren, ging das Recht, auch in Dori- ſchen Staaten, an die Bruͤder uͤber, wie in Kyrene, Plut. mul. virt. p. 303. Polyaͤn 8, 41. 5 Plut. Lyk. 15. Lak. Ap.-p. 224. Xen. Staat 1, 5. Hermippos Bericht bei Athen. 13, 555 c. iſt romanhaft entſtellt. Aehnliches gilt von Agnon ebd. 13, 60e

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/288>, abgerufen am 24.11.2024.