Besonders waren es in Lakonika die untern Stände, welche sich der Neigung zur Possenreißerei mit größerer Freiheit überlassen durften, als die Do- rier, deren Gravität nur hie und da die entgegenge- setzte Seite ihres Naturels durchschimmern ließ. Ich habe schon oben erwähnt 1, daß von den in den Häu- sern der Spartiaten wohnenden Heloten, die man Mo- thonen oder Mothaken nannte, und aus denen Edlerge- artete in den Stand der Freien übergingen, eine Art ausgelassnen Tanzes den Namen hat, in dem vermuth- lich Trunkne dargestellt wurden; daher die Erzählung: die Spartiaten zwängen ihre Sklaven sich zur War- nung ihrer Jugend zu betrinken. Andre Tänze mögen unter den Ackerbauern, besonders den Hirten abgeleg- ner Gegenden, herkömmlich gewesen sein. -- Wo konn- te sich, fragen wir, das bukolische Gedicht der Al- ten in seinem aus Naturempfindung, Naivetät, Skur- rilität gemischten Charakter im hellenischen Leben -- denn daß es aus dem Leben hervorgegangen, wird Niemand bezweifeln -- irgend bilden als unter Stän- den, die weder eigentlich Sklaven -- denn Sklaverei gestattet keine organische Fortbildung -- noch freie Stadtbürger -- denn das Stadtleben mußte jene Länd- lichkeit ganz und gar verdrängen --, also Unterthanen, Leibeigne waren, wie sie besonders in den Dorischen Staaten bestanden; daher denn auch dieser Dichtungs- art von Anfang der Dorische Dialekt anhaftet. Es wird erzählt, daß als Xerxes Griechenland über- schwemmt hatte, und die Spartiaten ihre Jungfraun die gewohnten Sacra der Artemis Karyatis nicht be- gehn lassen konnten, die Hirten aus den Bergen ge-
1 S. 42, 3. vgl. noch Schol. Arist. Plut. 279. Ritter 632.
10.
Beſonders waren es in Lakonika die untern Staͤnde, welche ſich der Neigung zur Poſſenreißerei mit groͤßerer Freiheit uͤberlaſſen durften, als die Do- rier, deren Gravitaͤt nur hie und da die entgegenge- ſetzte Seite ihres Naturels durchſchimmern ließ. Ich habe ſchon oben erwaͤhnt 1, daß von den in den Haͤu- ſern der Spartiaten wohnenden Heloten, die man Mo- thonen oder Mothaken nannte, und aus denen Edlerge- artete in den Stand der Freien uͤbergingen, eine Art ausgelaſſnen Tanzes den Namen hat, in dem vermuth- lich Trunkne dargeſtellt wurden; daher die Erzaͤhlung: die Spartiaten zwaͤngen ihre Sklaven ſich zur War- nung ihrer Jugend zu betrinken. Andre Taͤnze moͤgen unter den Ackerbauern, beſonders den Hirten abgeleg- ner Gegenden, herkoͤmmlich geweſen ſein. — Wo konn- te ſich, fragen wir, das bukoliſche Gedicht der Al- ten in ſeinem aus Naturempfindung, Naivetaͤt, Skur- rilitaͤt gemiſchten Charakter im helleniſchen Leben — denn daß es aus dem Leben hervorgegangen, wird Niemand bezweifeln — irgend bilden als unter Staͤn- den, die weder eigentlich Sklaven — denn Sklaverei geſtattet keine organiſche Fortbildung — noch freie Stadtbuͤrger — denn das Stadtleben mußte jene Laͤnd- lichkeit ganz und gar verdraͤngen —, alſo Unterthanen, Leibeigne waren, wie ſie beſonders in den Doriſchen Staaten beſtanden; daher denn auch dieſer Dichtungs- art von Anfang der Doriſche Dialekt anhaftet. Es wird erzaͤhlt, daß als Xerxes Griechenland uͤber- ſchwemmt hatte, und die Spartiaten ihre Jungfraun die gewohnten Sacra der Artemis Karyatis nicht be- gehn laſſen konnten, die Hirten aus den Bergen ge-
1 S. 42, 3. vgl. noch Schol. Ariſt. Plut. 279. Ritter 632.
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Beſonders waren es in Lakonika die untern
Staͤnde, welche ſich der Neigung zur Poſſenreißerei
mit groͤßerer Freiheit uͤberlaſſen durften, als die Do-
rier, deren Gravitaͤt nur hie und da die entgegenge-
ſetzte Seite ihres Naturels durchſchimmern ließ. Ich
habe ſchon oben erwaͤhnt 1, daß von den in den Haͤu-
ſern der Spartiaten wohnenden Heloten, die man Mo-
thonen oder Mothaken nannte, und aus denen Edlerge-
artete in den Stand der Freien uͤbergingen, eine Art
ausgelaſſnen Tanzes den Namen hat, in dem vermuth-
lich Trunkne dargeſtellt wurden; daher die Erzaͤhlung:
die Spartiaten zwaͤngen ihre Sklaven ſich zur War-
nung ihrer Jugend zu betrinken. Andre Taͤnze moͤgen
unter den Ackerbauern, beſonders den Hirten abgeleg-
ner Gegenden, herkoͤmmlich geweſen ſein. — Wo konn-
te ſich, fragen wir, das bukoliſche Gedicht der Al-
ten in ſeinem aus Naturempfindung, Naivetaͤt, Skur-
rilitaͤt gemiſchten Charakter im helleniſchen Leben —
denn daß es aus dem Leben hervorgegangen, wird
Niemand bezweifeln — irgend bilden als unter Staͤn-
den, die weder eigentlich Sklaven — denn Sklaverei
geſtattet keine organiſche Fortbildung — noch freie
Stadtbuͤrger — denn das Stadtleben mußte jene Laͤnd-
lichkeit ganz und gar verdraͤngen —, alſo Unterthanen,
Leibeigne waren, wie ſie beſonders in den Doriſchen
Staaten beſtanden; daher denn auch dieſer Dichtungs-
art von Anfang der Doriſche Dialekt anhaftet. Es
wird erzaͤhlt, daß als Xerxes Griechenland uͤber-
ſchwemmt hatte, und die Spartiaten ihre Jungfraun
die gewohnten Sacra der Artemis Karyatis nicht be-
gehn laſſen konnten, die Hirten aus den Bergen ge-
1 S. 42, 3. vgl. noch Schol. Ariſt. Plut. 279. Ritter
632.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/351>, abgerufen am 24.11.2024.
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