Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Bildende Kunst. Gegenstände.
Weisen und Handgriffe der alten Leibesübungen gewiß
noch tiefer eindringen als bisher geschehn. Kurzgelock-2
tes Haar, tüchtige Glieder, eine ebenmäßige Ausbildung
der Gestalt, charakterisiren die ganze Gattung von Fi-
guren; die zerschlagnen Ohren (§. 329, 8.) und die her-
vorgetriebnen Muskeln insbesondere die Faustkämpfer und
Pankratiasten. Bisweilen in den besondern Bewegungen3
ihrer Kampfart vorgestellt (§. 87, 3.), wurden sie auch in4
Handlungen, welche allen Athleten gemein sind, wie das
Einsalben des Körpers, das Gebet um Sieg, die Um-
windung des Haupts mit der Siegsbinde, und sehr
häufig in ganz einfacher, ruhig fester Stellung gebildet;5
meist hielten wohl diese früher oft falsch benannten Bil-
der (z. B. Genius praestes) Kränze in den Händen;
auch Palmstämme dienen, wie bei Hermes, als Hinwei-
sung auf ihre Bedeutung.

1. Mercurialis de arte gymnastica giebt von alten Denk-
mälern wenig Zuverlässiges.

3. Läufer §. 122, 4. Ant. Erc. vi, 59. Die Sta-
tue PCl. iii, 27. ist wohl eher einer Wettrennerin aus Domi-
tians Zeit (Dio Cass. lxvii, 8.), als einer Spartanerin gesetzt
worden. Springer auf Vasen Tischb. iv, 43. Gemmen
Tassie pl. 46, 7978. Caylus iii, 21, 4. Ueber die alte-
res Welcker Zeitschr. i. S. 239. Sprung mit der Lanze
§. 121, 2. Sprung durch das Seil Grivaud Ant. Gaul.
pl.
23. Diskobolen, der werfende des Myron §. 122, 5.
vgl. Guatt. M. I. 1784. p. ix. Welcker Zeitschr. i. S. 267.
zur Erklärung der Stellung besonders Statius Theb. vi, 680.
Der sich zum Kampf anschickende, auch in mehrern Exemplaren,
PCl. iii, 26; Borgh. 7, 9. im L. 704., Bouill. iii, 17,
5.; bei Mr. Duncombe in Yorkshire. Auf Vasen, Tischb. i,
54. ii, 61. 62. iv, 44. Maisonn. 25. Ringer akro-
kheirizomenoi auf M. von Selge, Mionn. Descr. pl. 57, 3.
6., Vasen Tischb. iv, 46., Basreliefs Guatt. 1785. p. liii.
Visc. PCl. vi, 37. Bouill. iii, 46, 9. Die Statue ei-
nes Ringers im höhern Mannesalter von gewaltiger Musculatur
beschreibt Christodor 228. Pankratiasten-Knaben in dem
berühmten Symplegma in Florenz (Gall. di Fir. St. 121.
122.) bei der Niobe-Gruppe, digitis corpori potius quam

38

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Weiſen und Handgriffe der alten Leibesuͤbungen gewiß
noch tiefer eindringen als bisher geſchehn. Kurzgelock-2
tes Haar, tuͤchtige Glieder, eine ebenmaͤßige Ausbildung
der Geſtalt, charakteriſiren die ganze Gattung von Fi-
guren; die zerſchlagnen Ohren (§. 329, 8.) und die her-
vorgetriebnen Muskeln insbeſondere die Fauſtkaͤmpfer und
Pankratiaſten. Bisweilen in den beſondern Bewegungen3
ihrer Kampfart vorgeſtellt (§. 87, 3.), wurden ſie auch in4
Handlungen, welche allen Athleten gemein ſind, wie das
Einſalben des Koͤrpers, das Gebet um Sieg, die Um-
windung des Haupts mit der Siegsbinde, und ſehr
haͤufig in ganz einfacher, ruhig feſter Stellung gebildet;5
meiſt hielten wohl dieſe fruͤher oft falſch benannten Bil-
der (z. B. Genius praestes) Kraͤnze in den Haͤnden;
auch Palmſtaͤmme dienen, wie bei Hermes, als Hinwei-
ſung auf ihre Bedeutung.

1. Mercurialis de arte gymnastica giebt von alten Denk-
mälern wenig Zuverläſſiges.

3. Läufer §. 122, 4. Ant. Erc. vi, 59. Die Sta-
tue PCl. iii, 27. iſt wohl eher einer Wettrennerin aus Domi-
tians Zeit (Dio Caſſ. lxvii, 8.), als einer Spartanerin geſetzt
worden. Springer auf Vaſen Tiſchb. iv, 43. Gemmen
Taſſie pl. 46, 7978. Caylus iii, 21, 4. Ueber die ἁλτῆ-
ρες Welcker Zeitſchr. i. S. 239. Sprung mit der Lanze
§. 121, 2. Sprung durch das Seil Grivaud Ant. Gaul.
pl.
23. Diſkobolen, der werfende des Myron §. 122, 5.
vgl. Guatt. M. I. 1784. p. ix. Welcker Zeitſchr. i. S. 267.
zur Erklärung der Stellung beſonders Statius Theb. vi, 680.
Der ſich zum Kampf anſchickende, auch in mehrern Exemplaren,
PCl. iii, 26; Borgh. 7, 9. im L. 704., Bouill. iii, 17,
5.; bei Mr. Duncombe in Yorkſhire. Auf Vaſen, Tiſchb. i,
54. ii, 61. 62. iv, 44. Maiſonn. 25. Ringer ἀκρο-
χειριζόμενοι auf M. von Selge, Mionn. Descr. pl. 57, 3.
6., Vaſen Tiſchb. iv, 46., Basreliefs Guatt. 1785. p. liii.
Viſc. PCl. vi, 37. Bouill. iii, 46, 9. Die Statue ei-
nes Ringers im höhern Mannesalter von gewaltiger Musculatur
beſchreibt Chriſtodor 228. Pankratiaſten-Knaben in dem
berühmten Symplegma in Florenz (Gall. di Fir. St. 121.
122.) bei der Niobe-Gruppe, digitis corpori potius quam

38
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0615" n="593"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Bildende Kun&#x017F;t. Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde.</fw><lb/>
Wei&#x017F;en und Handgriffe der alten Leibesu&#x0364;bungen gewiß<lb/>
noch tiefer eindringen als bisher ge&#x017F;chehn. Kurzgelock-<note place="right">2</note><lb/>
tes Haar, tu&#x0364;chtige Glieder, eine ebenma&#x0364;ßige Ausbildung<lb/>
der Ge&#x017F;talt, charakteri&#x017F;iren die ganze Gattung von Fi-<lb/>
guren; die zer&#x017F;chlagnen Ohren (§. 329, 8.) und die her-<lb/>
vorgetriebnen Muskeln insbe&#x017F;ondere die Fau&#x017F;tka&#x0364;mpfer und<lb/>
Pankratia&#x017F;ten. Bisweilen in den be&#x017F;ondern Bewegungen<note place="right">3</note><lb/>
ihrer Kampfart vorge&#x017F;tellt (§. 87, 3.), wurden &#x017F;ie auch in<note place="right">4</note><lb/>
Handlungen, welche allen Athleten gemein &#x017F;ind, wie das<lb/>
Ein&#x017F;alben des Ko&#x0364;rpers, das Gebet um Sieg, die Um-<lb/>
windung des Haupts mit der Siegsbinde, und &#x017F;ehr<lb/>
ha&#x0364;ufig in ganz einfacher, ruhig fe&#x017F;ter Stellung gebildet;<note place="right">5</note><lb/>
mei&#x017F;t hielten wohl die&#x017F;e fru&#x0364;her oft fal&#x017F;ch benannten Bil-<lb/>
der (z. B. <hi rendition="#aq">Genius praestes</hi>) Kra&#x0364;nze in den Ha&#x0364;nden;<lb/>
auch Palm&#x017F;ta&#x0364;mme dienen, wie bei Hermes, als Hinwei-<lb/>
&#x017F;ung auf ihre Bedeutung.</p><lb/>
                    <p>1. Mercurialis <hi rendition="#aq">de arte gymnastica</hi> giebt von alten Denk-<lb/>
mälern wenig Zuverlä&#x017F;&#x017F;iges.</p><lb/>
                    <p>3. <hi rendition="#g">Läufer</hi> §. 122, 4. <hi rendition="#aq">Ant. Erc. <hi rendition="#k">vi,</hi></hi> 59. Die Sta-<lb/>
tue <hi rendition="#aq">PCl. <hi rendition="#k">iii,</hi></hi> 27. i&#x017F;t wohl eher einer Wettrennerin aus Domi-<lb/>
tians Zeit (Dio Ca&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">lxvii,</hi></hi> 8.), als einer Spartanerin ge&#x017F;etzt<lb/>
worden. <hi rendition="#g">Springer</hi> auf Va&#x017F;en Ti&#x017F;chb. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">iv,</hi></hi> 43. Gemmen<lb/>
Ta&#x017F;&#x017F;ie <hi rendition="#aq">pl.</hi> 46, 7978. Caylus <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">iii,</hi></hi> 21, 4. Ueber die &#x1F01;&#x03BB;&#x03C4;&#x1FC6;-<lb/>
&#x03C1;&#x03B5;&#x03C2; Welcker Zeit&#x017F;chr. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">i.</hi></hi> S. 239. Sprung mit der Lanze<lb/>
§. 121, 2. Sprung durch das Seil Grivaud <hi rendition="#aq">Ant. Gaul.<lb/>
pl.</hi> 23. <hi rendition="#g">Di&#x017F;kobolen</hi>, der werfende des Myron §. 122, 5.<lb/>
vgl. Guatt. <hi rendition="#aq">M. I. 1784. p. <hi rendition="#k">ix.</hi></hi> Welcker Zeit&#x017F;chr. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">i.</hi></hi> S. 267.<lb/>
zur Erklärung der Stellung be&#x017F;onders Statius <hi rendition="#aq">Theb. <hi rendition="#k">vi,</hi></hi> 680.<lb/>
Der &#x017F;ich zum Kampf an&#x017F;chickende, auch in mehrern Exemplaren,<lb/><hi rendition="#aq">PCl. <hi rendition="#k">iii,</hi> 26; Borgh.</hi> 7, 9. im L. 704., <hi rendition="#aq">Bouill. <hi rendition="#k">iii,</hi></hi> 17,<lb/>
5.; bei Mr. Duncombe in York&#x017F;hire. Auf Va&#x017F;en, Ti&#x017F;chb. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">i,</hi></hi><lb/>
54. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">ii,</hi></hi> 61. 62. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">iv,</hi></hi> 44. Mai&#x017F;onn. 25. <hi rendition="#g">Ringer</hi> &#x1F00;&#x03BA;&#x03C1;&#x03BF;-<lb/>
&#x03C7;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C1;&#x03B9;&#x03B6;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03BF;&#x03B9; auf M. von Selge, Mionn. <hi rendition="#aq">Descr. pl.</hi> 57, 3.<lb/>
6., Va&#x017F;en Ti&#x017F;chb. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">iv,</hi></hi> 46., Basreliefs Guatt. 1785. <hi rendition="#aq">p. <hi rendition="#k">liii.</hi></hi><lb/>
Vi&#x017F;c. <hi rendition="#aq">PCl. <hi rendition="#k">vi,</hi> 37. Bouill. <hi rendition="#k">iii,</hi></hi> 46, 9. Die Statue ei-<lb/>
nes Ringers im höhern Mannesalter von gewaltiger Musculatur<lb/>
be&#x017F;chreibt Chri&#x017F;todor 228. <hi rendition="#g">Pankratia&#x017F;ten</hi>-Knaben in dem<lb/>
berühmten Symplegma in Florenz (<hi rendition="#aq">Gall. di Fir. St.</hi> 121.<lb/>
122.) bei der Niobe-Gruppe, <hi rendition="#aq">digitis corpori potius quam</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">38</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[593/0615] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. Weiſen und Handgriffe der alten Leibesuͤbungen gewiß noch tiefer eindringen als bisher geſchehn. Kurzgelock- tes Haar, tuͤchtige Glieder, eine ebenmaͤßige Ausbildung der Geſtalt, charakteriſiren die ganze Gattung von Fi- guren; die zerſchlagnen Ohren (§. 329, 8.) und die her- vorgetriebnen Muskeln insbeſondere die Fauſtkaͤmpfer und Pankratiaſten. Bisweilen in den beſondern Bewegungen ihrer Kampfart vorgeſtellt (§. 87, 3.), wurden ſie auch in Handlungen, welche allen Athleten gemein ſind, wie das Einſalben des Koͤrpers, das Gebet um Sieg, die Um- windung des Haupts mit der Siegsbinde, und ſehr haͤufig in ganz einfacher, ruhig feſter Stellung gebildet; meiſt hielten wohl dieſe fruͤher oft falſch benannten Bil- der (z. B. Genius praestes) Kraͤnze in den Haͤnden; auch Palmſtaͤmme dienen, wie bei Hermes, als Hinwei- ſung auf ihre Bedeutung. 2 3 4 5 1. Mercurialis de arte gymnastica giebt von alten Denk- mälern wenig Zuverläſſiges. 3. Läufer §. 122, 4. Ant. Erc. vi, 59. Die Sta- tue PCl. iii, 27. iſt wohl eher einer Wettrennerin aus Domi- tians Zeit (Dio Caſſ. lxvii, 8.), als einer Spartanerin geſetzt worden. Springer auf Vaſen Tiſchb. iv, 43. Gemmen Taſſie pl. 46, 7978. Caylus iii, 21, 4. Ueber die ἁλτῆ- ρες Welcker Zeitſchr. i. S. 239. Sprung mit der Lanze §. 121, 2. Sprung durch das Seil Grivaud Ant. Gaul. pl. 23. Diſkobolen, der werfende des Myron §. 122, 5. vgl. Guatt. M. I. 1784. p. ix. Welcker Zeitſchr. i. S. 267. zur Erklärung der Stellung beſonders Statius Theb. vi, 680. Der ſich zum Kampf anſchickende, auch in mehrern Exemplaren, PCl. iii, 26; Borgh. 7, 9. im L. 704., Bouill. iii, 17, 5.; bei Mr. Duncombe in Yorkſhire. Auf Vaſen, Tiſchb. i, 54. ii, 61. 62. iv, 44. Maiſonn. 25. Ringer ἀκρο- χειριζόμενοι auf M. von Selge, Mionn. Descr. pl. 57, 3. 6., Vaſen Tiſchb. iv, 46., Basreliefs Guatt. 1785. p. liii. Viſc. PCl. vi, 37. Bouill. iii, 46, 9. Die Statue ei- nes Ringers im höhern Mannesalter von gewaltiger Musculatur beſchreibt Chriſtodor 228. Pankratiaſten-Knaben in dem berühmten Symplegma in Florenz (Gall. di Fir. St. 121. 122.) bei der Niobe-Gruppe, digitis corpori potius quam 38

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/615
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/615>, abgerufen am 23.11.2024.