Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

worinnen sie sich so lange verstecken und vor
dem Winde bewahren/ biß er nachgelassen
und ein andrer Wind zu wehen angefangen.
Sind sie aber so unglücklich daß sie keine Höhle
so fort antreffen können/ so tödtet sie der rauhe
Wind/ und geschicht es also daß sie nicht groß
nach Nova Zembla zu gehen sich hazardiren/ ge-
stalt die wenigsten davon wieder zurück kommen.
Ob aber auf diesen Lande Menschen wohnen
kan man von ihnen keinen rechten Grund erfah-
ren; Einige wollen Menschen darauf gesehen
haben, womit sie doch nicht geredet, sondern
selbige nur von weiten erblicket. Andere aber
halten diesen das Gegentheil/ und behaupten/
daß Menschen wegen den tödtenden Nord-
Winde daselbst nicht leben können.

§. 20. Gleichwie nun die Sonne ihre Wür-
ckung zwischen diesen Felsen nimmer haben kan/
zumahl das Clima an sich selbsten kalt/ und unter
der Zona frigida Septentrionali lieget/ so ist
leicht zu ermessen/ daß das Eyß darinnen nim-
mer schmeltze/ sondern Winter und Sommer
daure/ es sey dann, daß im Sommer der star-
cke Wind/ wenn er das [f]retum durchstreichen
kan/ selbiges aufreisse. Das aus dem Obi in
das Eyß-Meer fallende Wasser erstarret gleich-
sam in dieser Enge/ und bleibt die Höhe des
Eyßes einerley/ da doch sonsten zu vermuthen/
daß Jährlich durch die Gewässer des Obi, und
andern darinn fallenden Ströhmen/ das Eyß im-
mer höher und höher werden solte/ und weil dis

von
B

worinnen ſie ſich ſo lange verſtecken und vor
dem Winde bewahren/ biß er nachgelaſſen
und ein andrer Wind zu wehen angefangen.
Sind ſie aber ſo ungluͤcklich daß ſie keine Hoͤhle
ſo fort antreffen koͤnnen/ ſo toͤdtet ſie der rauhe
Wind/ und geſchicht es alſo daß ſie nicht groß
nach Nova Zembla zu gehen ſich hazardiren/ ge-
ſtalt die wenigſten davon wieder zuruͤck kommen.
Ob aber auf dieſen Lande Menſchen wohnen
kan man von ihnen keinen rechten Grund erfah-
ren; Einige wollen Menſchen darauf geſehen
haben, womit ſie doch nicht geredet, ſondern
ſelbige nur von weiten erblicket. Andere aber
halten dieſen das Gegentheil/ und behaupten/
daß Menſchen wegen den toͤdtenden Nord-
Winde daſelbſt nicht leben koͤnnen.

§. 20. Gleichwie nun die Sonne ihre Wuͤr-
ckung zwiſchen dieſen Felſen nimmer haben kan/
zumahl das Clima an ſich ſelbſten kalt/ und unter
der Zona frigida Septentrionali lieget/ ſo iſt
leicht zu ermeſſen/ daß das Eyß darinnen nim-
mer ſchmeltze/ ſondern Winter und Sommer
daure/ es ſey dann, daß im Sommer der ſtar-
cke Wind/ wenn er das [f]retum durchſtreichen
kan/ ſelbiges aufreiſſe. Das aus dem Obi in
das Eyß-Meer fallende Waſſer erſtarret gleich-
ſam in dieſer Enge/ und bleibt die Hoͤhe des
Eyßes einerley/ da doch ſonſten zu vermuthen/
daß Jaͤhrlich durch die Gewaͤſſer des Obi, und
andern darinn fallenden Stroͤhmen/ das Eyß im-
mer hoͤher und hoͤher werden ſolte/ und weil dis

von
B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="17"/>
worinnen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o lange ver&#x017F;tecken und vor<lb/>
dem Winde bewahren/ biß er nachgela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und ein andrer Wind zu wehen angefangen.<lb/>
Sind &#x017F;ie aber &#x017F;o unglu&#x0364;cklich daß &#x017F;ie keine Ho&#x0364;hle<lb/>
&#x017F;o fort antreffen ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o to&#x0364;dtet &#x017F;ie der rauhe<lb/>
Wind/ und ge&#x017F;chicht es al&#x017F;o daß &#x017F;ie nicht groß<lb/>
nach <hi rendition="#aq">Nova Zembla</hi> zu gehen &#x017F;ich <hi rendition="#aq">hazardir</hi>en/ ge-<lb/>
&#x017F;talt die wenig&#x017F;ten davon wieder zuru&#x0364;ck kommen.<lb/>
Ob aber auf die&#x017F;en Lande Men&#x017F;chen wohnen<lb/>
kan man von ihnen keinen rechten Grund erfah-<lb/>
ren; Einige wollen Men&#x017F;chen darauf ge&#x017F;ehen<lb/>
haben, womit &#x017F;ie doch nicht geredet, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;elbige nur von weiten erblicket. Andere aber<lb/>
halten die&#x017F;en das Gegentheil/ und behaupten/<lb/>
daß Men&#x017F;chen wegen den to&#x0364;dtenden Nord-<lb/>
Winde da&#x017F;elb&#x017F;t nicht leben ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>§. 20. Gleichwie nun die Sonne ihre Wu&#x0364;r-<lb/>
ckung zwi&#x017F;chen die&#x017F;en Fel&#x017F;en nimmer haben kan/<lb/>
zumahl das <hi rendition="#aq">Clima</hi> an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten kalt/ und unter<lb/>
der <hi rendition="#aq">Zona frigida Septentrionali</hi> lieget/ &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
leicht zu erme&#x017F;&#x017F;en/ daß das Eyß darinnen nim-<lb/>
mer &#x017F;chmeltze/ &#x017F;ondern Winter und Sommer<lb/>
daure/ es &#x017F;ey dann, daß im Sommer der &#x017F;tar-<lb/>
cke Wind/ wenn er das <hi rendition="#aq"><supplied>f</supplied>retum</hi> durch&#x017F;treichen<lb/>
kan/ &#x017F;elbiges aufrei&#x017F;&#x017F;e. Das aus dem <hi rendition="#aq">Obi</hi> in<lb/>
das Eyß-Meer fallende Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;tarret gleich-<lb/>
&#x017F;am in die&#x017F;er Enge/ und bleibt die Ho&#x0364;he des<lb/>
Eyßes einerley/ da doch &#x017F;on&#x017F;ten zu vermuthen/<lb/>
daß Ja&#x0364;hrlich durch die Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er des <hi rendition="#aq">Obi,</hi> und<lb/>
andern darinn fallenden Stro&#x0364;hmen/ das Eyß im-<lb/>
mer ho&#x0364;her und ho&#x0364;her werden &#x017F;olte/ und weil dis<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0033] worinnen ſie ſich ſo lange verſtecken und vor dem Winde bewahren/ biß er nachgelaſſen und ein andrer Wind zu wehen angefangen. Sind ſie aber ſo ungluͤcklich daß ſie keine Hoͤhle ſo fort antreffen koͤnnen/ ſo toͤdtet ſie der rauhe Wind/ und geſchicht es alſo daß ſie nicht groß nach Nova Zembla zu gehen ſich hazardiren/ ge- ſtalt die wenigſten davon wieder zuruͤck kommen. Ob aber auf dieſen Lande Menſchen wohnen kan man von ihnen keinen rechten Grund erfah- ren; Einige wollen Menſchen darauf geſehen haben, womit ſie doch nicht geredet, ſondern ſelbige nur von weiten erblicket. Andere aber halten dieſen das Gegentheil/ und behaupten/ daß Menſchen wegen den toͤdtenden Nord- Winde daſelbſt nicht leben koͤnnen. §. 20. Gleichwie nun die Sonne ihre Wuͤr- ckung zwiſchen dieſen Felſen nimmer haben kan/ zumahl das Clima an ſich ſelbſten kalt/ und unter der Zona frigida Septentrionali lieget/ ſo iſt leicht zu ermeſſen/ daß das Eyß darinnen nim- mer ſchmeltze/ ſondern Winter und Sommer daure/ es ſey dann, daß im Sommer der ſtar- cke Wind/ wenn er das fretum durchſtreichen kan/ ſelbiges aufreiſſe. Das aus dem Obi in das Eyß-Meer fallende Waſſer erſtarret gleich- ſam in dieſer Enge/ und bleibt die Hoͤhe des Eyßes einerley/ da doch ſonſten zu vermuthen/ daß Jaͤhrlich durch die Gewaͤſſer des Obi, und andern darinn fallenden Stroͤhmen/ das Eyß im- mer hoͤher und hoͤher werden ſolte/ und weil dis von B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die erste eigenständi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/33
Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/33>, abgerufen am 01.05.2024.