Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

er-Heerd, darauf sie continuirlich Strauch
brennen/ um der Kälte sich zu erwehren. Jhr
Hauß-Geräth bestehet aus Kannen/ Netzen/
Pfeil und Bogen/ und denen Geschirn von Bir-
cken-Burcke woraus sie essen und trincken. Bey
einigen trifft man zur Zeit ein Beil, viele aber
haben das auch nicht/ sondern behelffen sich mit
Messern/ von keiner Vieh-Zucht wissen sie/ son-
dern ihre Hunde sind ihre Wächter, dieselbe
nehmen sie mit auff der Jacht, und speisen sie mit
Fischen. Die Armuth drückt sie auf beyden
Seiten/ und wo ja einige vor reich unter ihnen
passiren, so bestehet der eingebildete Reichthum
in der Menge der Rennthiere, deren etliche bey
tausend halten. Die miserable Wohnungen
verändern sie/ wann es ihnen beliebt/ und in sol-
chen Wildnüssen da es andern Leuten zu leben
unmöglich wäre, woselbst sie im Schnee und
Eyße ihnen unterweilen Grüffte hauen, darinnen
sie sich vor der hefftigen Kälte praeserviren/ im
Sommer aber leben sie an den Uffern der Flüsse/
damit sie den Fisch-Fang mit grösserer Commo-
dite
abwarten können. Dieses hin- und her-
Ziehen ist ihnen gar nicht beschwerlich/ weil sie
an allen beliebigen Oertern bequeme Materien
zur Auffsetzung neuer Jurthen finden/ und ihre
Meublen mit leichter Mühe von einem Orte zum
andern unter der Anführung der vergesellschaff-
teten Armuth bringen können.

§. 6. Die Hunde und Rennthiere dienen ih-
nen an stat der Pferde/ sie spannen 6. a 12. Hun-

de/

er-Heerd, darauf ſie continuirlich Strauch
brennen/ um der Kaͤlte ſich zu erwehren. Jhr
Hauß-Geraͤth beſtehet aus Kannen/ Netzen/
Pfeil und Bogen/ und denen Geſchirn von Bir-
cken-Burcke woraus ſie eſſen und trincken. Bey
einigen trifft man zur Zeit ein Beil, viele aber
haben das auch nicht/ ſondern behelffen ſich mit
Meſſern/ von keiner Vieh-Zucht wiſſen ſie/ ſon-
dern ihre Hunde ſind ihre Waͤchter, dieſelbe
nehmen ſie mit auff der Jacht, und ſpeiſen ſie mit
Fiſchen. Die Armuth druͤckt ſie auf beyden
Seiten/ und wo ja einige vor reich unter ihnen
pasſiren, ſo beſtehet der eingebildete Reichthum
in der Menge der Rennthiere, deren etliche bey
tauſend halten. Die miſerable Wohnungen
veraͤndern ſie/ wann es ihnen beliebt/ und in ſol-
chen Wildnuͤſſen da es andern Leuten zu leben
unmoͤglich waͤre, woſelbſt ſie im Schnee und
Eyße ihnen unterweilen Gruͤffte hauen, darinnen
ſie ſich vor der hefftigen Kälte præſerviren/ im
Sommer aber leben ſie an den Uffern der Fluͤſſe/
damit ſie den Fiſch-Fang mit groͤſſerer Commo-
dite
abwarten koͤnnen. Dieſes hin- und her-
Ziehen iſt ihnen gar nicht beſchwerlich/ weil ſie
an allen beliebigen Oertern bequeme Materien
zur Auffſetzung neuer Jurthen finden/ und ihre
Meublen mit leichter Muͤhe von einem Orte zum
andern unter der Anfuͤhrung der vergeſellſchaff-
teten Armuth bringen koͤnnen.

§. 6. Die Hunde und Rennthiere dienen ih-
nen an ſtat der Pferde/ ſie ſpannen 6. à 12. Hun-

de/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="28"/>
er-Heerd, darauf &#x017F;ie <hi rendition="#aq">continuir</hi>lich Strauch<lb/>
brennen/ um der Ka&#x0364;lte &#x017F;ich zu erwehren. Jhr<lb/>
Hauß-Gera&#x0364;th be&#x017F;tehet aus Kannen/ Netzen/<lb/>
Pfeil und Bogen/ und denen Ge&#x017F;chirn von Bir-<lb/>
cken-Burcke woraus &#x017F;ie e&#x017F;&#x017F;en und trincken. Bey<lb/>
einigen trifft man zur Zeit ein Beil, viele aber<lb/>
haben das auch nicht/ &#x017F;ondern behelffen &#x017F;ich mit<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;ern/ von keiner Vieh-Zucht wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie/ &#x017F;on-<lb/>
dern ihre Hunde &#x017F;ind ihre Wa&#x0364;chter, die&#x017F;elbe<lb/>
nehmen &#x017F;ie mit auff der Jacht, und &#x017F;pei&#x017F;en &#x017F;ie mit<lb/>
Fi&#x017F;chen. Die Armuth dru&#x0364;ckt &#x017F;ie auf beyden<lb/>
Seiten/ und wo ja einige vor reich unter ihnen<lb/><hi rendition="#aq">pas&#x017F;ir</hi>en, &#x017F;o be&#x017F;tehet der eingebildete Reichthum<lb/>
in der Menge der Rennthiere, deren etliche bey<lb/>
tau&#x017F;end halten. Die <hi rendition="#aq">mi&#x017F;erable</hi> Wohnungen<lb/>
vera&#x0364;ndern &#x017F;ie/ wann es ihnen beliebt/ und in &#x017F;ol-<lb/>
chen Wildnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en da es andern Leuten zu leben<lb/>
unmo&#x0364;glich wa&#x0364;re, wo&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ie im Schnee und<lb/>
Eyße ihnen unterweilen Gru&#x0364;ffte hauen, darinnen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich vor der hefftigen Kälte <hi rendition="#aq">præ&#x017F;ervir</hi>en/ im<lb/>
Sommer aber leben &#x017F;ie an den Uffern der Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/<lb/>
damit &#x017F;ie den Fi&#x017F;ch-Fang mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer <hi rendition="#aq">Commo-<lb/>
dite</hi> abwarten ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;es hin- und her-<lb/>
Ziehen i&#x017F;t ihnen gar nicht be&#x017F;chwerlich/ weil &#x017F;ie<lb/>
an allen beliebigen Oertern bequeme <hi rendition="#aq">Materien</hi><lb/>
zur Auff&#x017F;etzung neuer <hi rendition="#aq">Jurthen</hi> finden/ und ihre<lb/><hi rendition="#aq">Meublen</hi> mit leichter Mu&#x0364;he von einem Orte zum<lb/>
andern unter der Anfu&#x0364;hrung der verge&#x017F;ell&#x017F;chaff-<lb/>
teten Armuth bringen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>§. 6. Die Hunde und Rennthiere dienen ih-<lb/>
nen an &#x017F;tat der Pferde/ &#x017F;ie &#x017F;pannen 6. <hi rendition="#aq">à</hi> 12. Hun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0044] er-Heerd, darauf ſie continuirlich Strauch brennen/ um der Kaͤlte ſich zu erwehren. Jhr Hauß-Geraͤth beſtehet aus Kannen/ Netzen/ Pfeil und Bogen/ und denen Geſchirn von Bir- cken-Burcke woraus ſie eſſen und trincken. Bey einigen trifft man zur Zeit ein Beil, viele aber haben das auch nicht/ ſondern behelffen ſich mit Meſſern/ von keiner Vieh-Zucht wiſſen ſie/ ſon- dern ihre Hunde ſind ihre Waͤchter, dieſelbe nehmen ſie mit auff der Jacht, und ſpeiſen ſie mit Fiſchen. Die Armuth druͤckt ſie auf beyden Seiten/ und wo ja einige vor reich unter ihnen pasſiren, ſo beſtehet der eingebildete Reichthum in der Menge der Rennthiere, deren etliche bey tauſend halten. Die miſerable Wohnungen veraͤndern ſie/ wann es ihnen beliebt/ und in ſol- chen Wildnuͤſſen da es andern Leuten zu leben unmoͤglich waͤre, woſelbſt ſie im Schnee und Eyße ihnen unterweilen Gruͤffte hauen, darinnen ſie ſich vor der hefftigen Kälte præſerviren/ im Sommer aber leben ſie an den Uffern der Fluͤſſe/ damit ſie den Fiſch-Fang mit groͤſſerer Commo- dite abwarten koͤnnen. Dieſes hin- und her- Ziehen iſt ihnen gar nicht beſchwerlich/ weil ſie an allen beliebigen Oertern bequeme Materien zur Auffſetzung neuer Jurthen finden/ und ihre Meublen mit leichter Muͤhe von einem Orte zum andern unter der Anfuͤhrung der vergeſellſchaff- teten Armuth bringen koͤnnen. §. 6. Die Hunde und Rennthiere dienen ih- nen an ſtat der Pferde/ ſie ſpannen 6. à 12. Hun- de/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die erste eigenständi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/44
Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/44>, abgerufen am 21.11.2024.