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Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.

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bis zur Manier in solchen Farbenbezeichnungen gegangen. Die Lyrik des pmu_093.002
Symbolismus aller Nationen schwelgt in derartigen Farbenvorstellungen.

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Daneben aber stirbt doch auch das alte, nur gefühlsverstärkende Beiwort pmu_093.004
nicht aus, das nicht sachlich charakterisieren, sondern nur ganz allgemein pmu_093.005
einen Stimmungsnimbus um die Person breiten soll. Derart pmu_093.006
waren die homerischen Bezeichnungen "polutlas", "dios", so sind auch die pmu_093.007
Epitheta in unsern Märchen. Sie wollen nicht schildern, sie wollen nur pmu_093.008
eine gewisse Stimmungsatmosphäre erzeugen. Wenn in der neueren pmu_093.009
Zeit dieses typische, steigernde Beiwort auch zurücktritt, so ist es doch nicht pmu_093.010
ausgestorben. So verwendet es z. B. Otto Ludwig in "Zwischen Himmel pmu_093.011
und Erde", so findet es sich bei Riccarda Huch und bei S. Lagerlöf wieder pmu_093.012
ziemlich konsequent verwandt, und es wird auch wohl nie aussterben.

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Von allen hierhergehörigen Stilformen hat wohl die Metapher die pmu_093.014
Poetik am meisten beschäftigt. [Annotation]

Ja, man hat die ganze Poesie als "metaphorisch" pmu_093.015
bezeichnet. [Annotation] Andrerseits wieder hat man auch alles begriffliche pmu_093.016
Denken als metaphorisch angesehen, [Annotation] und jedenfalls ist das metaphorische pmu_093.017
Denken von allergrößter Wichtigkeit für die verschiedensten Gebiete des pmu_093.018
menschlichen Geisteslebens geworden. [Annotation]

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Es kann hier natürlich nicht unsre Aufgabe sein, dem im einzelnen nachzugehen. pmu_093.020
Hier haben wir es nur mit der poetischen Wirkung der Metapher pmu_093.021
zu tun, soweit sie psychologischer Erklärung zugänglich ist. [Annotation]

Dabei gilt hier pmu_093.022
wie überall bei diesen Stilformen, daß es nicht nötig ist, die Metapher anschaulich pmu_093.023
auszumalen. Jndem aber eine Metapher nicht mehr anschaulich pmu_093.024
vorgestellt wird, unterscheidet sie sich phänomenologisch nicht mehr von pmu_093.025
einem Begriff. [Annotation] Wenn ich in dem Satze "Napoleons Hand drückte schwer pmu_093.026
auf Deutschland" in keiner Weise innerlich eine Hand mir vorstelle, so ist pmu_093.027
natürlich der metaphorische Ausdruck gleichwertig einem unanschaulichen pmu_093.028
Begriffe, etwa der "Gewalt". [Annotation] Und in der Tat ist der Übergang von der pmu_093.029
Metapher zum Begriff überaus fließend, ja die meisten der Metaphern pmu_093.030
unsrer Sprache sind in Wirklichkeit unanschauliche Begriffe, bei denen die pmu_093.031
ursprüngliche Bedeutung gar nicht mehr mit ausklingt. [Annotation] Sonst wären ja pmu_093.032
alle jene sprachlichen Ungeheuerlichkeiten, wie sie fast jede Rede aufweist, pmu_093.033
nicht möglich [Annotation] , z. B. "der Block ist manchem ein Dorn im Auge". [Annotation] Solche pmu_093.034
Sätze, die gesprochen und gehört werden, ohne daß das Lächerliche empfunden pmu_093.035
wird, beweisen, daß die ursprüngliche Bedeutung ganz vergessen pmu_093.036
ist. [Annotation] Worin aber liegt dann der poetische Wert der Metapher? Wir antworten: pmu_093.037
mag auch der sachliche Jnhalt der ursprünglichen Bedeutung pmu_093.038
verloren gegangen sein, so klingt doch meist noch ein Gefühlston davon

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bis zur Manier in solchen Farbenbezeichnungen gegangen. Die Lyrik des pmu_093.002
Symbolismus aller Nationen schwelgt in derartigen Farbenvorstellungen.

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Daneben aber stirbt doch auch das alte, nur gefühlsverstärkende Beiwort pmu_093.004
nicht aus, das nicht sachlich charakterisieren, sondern nur ganz allgemein pmu_093.005
einen Stimmungsnimbus um die Person breiten soll. Derart pmu_093.006
waren die homerischen Bezeichnungen „πολύτλας“, „δῖος“, so sind auch die pmu_093.007
Epitheta in unsern Märchen. Sie wollen nicht schildern, sie wollen nur pmu_093.008
eine gewisse Stimmungsatmosphäre erzeugen. Wenn in der neueren pmu_093.009
Zeit dieses typische, steigernde Beiwort auch zurücktritt, so ist es doch nicht pmu_093.010
ausgestorben. So verwendet es z. B. Otto Ludwig in „Zwischen Himmel pmu_093.011
und Erde“, so findet es sich bei Riccarda Huch und bei S. Lagerlöf wieder pmu_093.012
ziemlich konsequent verwandt, und es wird auch wohl nie aussterben.

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Von allen hierhergehörigen Stilformen hat wohl die Metapher die pmu_093.014
Poetik am meisten beschäftigt. [Annotation]

Ja, man hat die ganze Poesie als „metaphorisch“ pmu_093.015
bezeichnet. [Annotation] Andrerseits wieder hat man auch alles begriffliche pmu_093.016
Denken als metaphorisch angesehen, [Annotation] und jedenfalls ist das metaphorische pmu_093.017
Denken von allergrößter Wichtigkeit für die verschiedensten Gebiete des pmu_093.018
menschlichen Geisteslebens geworden. [Annotation]

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Es kann hier natürlich nicht unsre Aufgabe sein, dem im einzelnen nachzugehen. pmu_093.020
Hier haben wir es nur mit der poetischen Wirkung der Metapher pmu_093.021
zu tun, soweit sie psychologischer Erklärung zugänglich ist. [Annotation]

Dabei gilt hier pmu_093.022
wie überall bei diesen Stilformen, daß es nicht nötig ist, die Metapher anschaulich pmu_093.023
auszumalen. Jndem aber eine Metapher nicht mehr anschaulich pmu_093.024
vorgestellt wird, unterscheidet sie sich phänomenologisch nicht mehr von pmu_093.025
einem Begriff. [Annotation] Wenn ich in dem Satze „Napoleons Hand drückte schwer pmu_093.026
auf Deutschland“ in keiner Weise innerlich eine Hand mir vorstelle, so ist pmu_093.027
natürlich der metaphorische Ausdruck gleichwertig einem unanschaulichen pmu_093.028
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Metapher zum Begriff überaus fließend, ja die meisten der Metaphern pmu_093.030
unsrer Sprache sind in Wirklichkeit unanschauliche Begriffe, bei denen die pmu_093.031
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Sätze, die gesprochen und gehört werden, ohne daß das Lächerliche empfunden pmu_093.035
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[93/0103] pmu_093.001 bis zur Manier in solchen Farbenbezeichnungen gegangen. Die Lyrik des pmu_093.002 Symbolismus aller Nationen schwelgt in derartigen Farbenvorstellungen. pmu_093.003 Daneben aber stirbt doch auch das alte, nur gefühlsverstärkende Beiwort pmu_093.004 nicht aus, das nicht sachlich charakterisieren, sondern nur ganz allgemein pmu_093.005 einen Stimmungsnimbus um die Person breiten soll. Derart pmu_093.006 waren die homerischen Bezeichnungen „πολύτλας“, „δῖος“, so sind auch die pmu_093.007 Epitheta in unsern Märchen. Sie wollen nicht schildern, sie wollen nur pmu_093.008 eine gewisse Stimmungsatmosphäre erzeugen. Wenn in der neueren pmu_093.009 Zeit dieses typische, steigernde Beiwort auch zurücktritt, so ist es doch nicht pmu_093.010 ausgestorben. So verwendet es z. B. Otto Ludwig in „Zwischen Himmel pmu_093.011 und Erde“, so findet es sich bei Riccarda Huch und bei S. Lagerlöf wieder pmu_093.012 ziemlich konsequent verwandt, und es wird auch wohl nie aussterben. pmu_093.013 Von allen hierhergehörigen Stilformen hat wohl die Metapher die pmu_093.014 Poetik am meisten beschäftigt. Ja, man hat die ganze Poesie als „metaphorisch“ pmu_093.015 bezeichnet. Zitat ohne Angabe? Quellenannahme: ? Andrerseits wieder hat man auch alles begriffliche pmu_093.016 Denken als metaphorisch angesehen, Implizite Paraphrase? Quellenannahme: ? und jedenfalls ist das metaphorische pmu_093.017 Denken von allergrößter Wichtigkeit für die verschiedensten Gebiete des pmu_093.018 menschlichen Geisteslebens geworden. pmu_093.019 Es kann hier natürlich nicht unsre Aufgabe sein, dem im einzelnen nachzugehen. pmu_093.020 Hier haben wir es nur mit der poetischen Wirkung der Metapher pmu_093.021 zu tun, soweit sie psychologischer Erklärung zugänglich ist. Dabei gilt hier pmu_093.022 wie überall bei diesen Stilformen, daß es nicht nötig ist, die Metapher anschaulich pmu_093.023 auszumalen. Jndem aber eine Metapher nicht mehr anschaulich pmu_093.024 vorgestellt wird, unterscheidet sie sich phänomenologisch nicht mehr von pmu_093.025 einem Begriff. Wenn ich in dem Satze „Napoleons Hand drückte schwer pmu_093.026 auf Deutschland“ in keiner Weise innerlich eine Hand mir vorstelle, so ist pmu_093.027 natürlich der metaphorische Ausdruck gleichwertig einem unanschaulichen pmu_093.028 Begriffe, etwa der „Gewalt“. wahrscheinlich eigenes Beispiel, d.h. kein Zitat ohne Angabe Und in der Tat ist der Übergang von der pmu_093.029 Metapher zum Begriff überaus fließend, ja die meisten der Metaphern pmu_093.030 unsrer Sprache sind in Wirklichkeit unanschauliche Begriffe, bei denen die pmu_093.031 ursprüngliche Bedeutung gar nicht mehr mit ausklingt. Sonst wären ja pmu_093.032 alle jene sprachlichen Ungeheuerlichkeiten, wie sie fast jede Rede aufweist, pmu_093.033 nicht möglich ,z. B. „der Block ist manchem ein Dorn im Auge“. Solche pmu_093.034 Sätze, die gesprochen und gehört werden, ohne daß das Lächerliche empfunden pmu_093.035 wird, beweisen, daß die ursprüngliche Bedeutung ganz vergessen pmu_093.036 ist. Worin aber liegt dann der poetische Wert der Metapher? Wir antworten: pmu_093.037 mag auch der sachliche Jnhalt der ursprünglichen Bedeutung pmu_093.038 verloren gegangen sein, so klingt doch meist noch ein Gefühlston davon

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Zitationshilfe: Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_poetik_1914/103>, abgerufen am 24.11.2024.