Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_096.001 Jndessen löst sich dieser scheinbare Widerspruch durch das im Anfang pmu_096.005 2. Reden wir nun aber nicht damit, daß wir alles das, was sich als ästhetisch pmu_096.024 Die Prinzipien nun, die für diese Hierarchie der Werte konstituierend pmu_096.034 1) pmu_096.037
Es sei mir gestattet, hier anzumerken, daß ich diese Probleme ausführlich pmu_096.038 in meiner "Psychologie der Kunst", Bd. II, behandelt habe. pmu_096.001 Jndessen löst sich dieser scheinbare Widerspruch durch das im Anfang pmu_096.005 2. Reden wir nun aber nicht damit, daß wir alles das, was sich als ästhetisch pmu_096.024 Die Prinzipien nun, die für diese Hierarchie der Werte konstituierend pmu_096.034 1) pmu_096.037
Es sei mir gestattet, hier anzumerken, daß ich diese Probleme ausführlich pmu_096.038 in meiner „Psychologie der Kunst“, Bd. II, behandelt habe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="96"/><lb n="pmu_096.001"/> wir uns scheinbar eines Widerspruchs schuldig gemacht, indem wir dennoch <lb n="pmu_096.002"/> manche Dichtwerke als Werte anerkannten, ohne im einzelnen <lb n="pmu_096.003"/> Falle zu begründen, warum wir das taten.</p> <lb n="pmu_096.004"/> <p> Jndessen löst sich dieser scheinbare Widerspruch durch das im Anfang <lb n="pmu_096.005"/> ausgesprochene Forschungsprinzip, indem wir nur als Psychologen, nicht <lb n="pmu_096.006"/> als Normästhetiker zu Werke gehen wollten. Wir stellten es gleich im <lb n="pmu_096.007"/> Anfang als unser Ziel auf, nur zu beschreiben und zu erklären, d. h. das <lb n="pmu_096.008"/> uns in der Erfahrung Gegebene verstehen, nicht aber meistern zu wollen. <lb n="pmu_096.009"/> Was uns aber in der Erfahrung gegeben ist, das, was die Literaturwissenschaft <lb n="pmu_096.010"/> in reicher Sammlung vor uns ausbreitet, sind bereits fertig vorliegende <lb n="pmu_096.011"/> Werte. Denn was im Laufe der Geschichte ästhetisch wirksam <lb n="pmu_096.012"/> gewesen ist, muß als ästhetischer Wert anerkannt werden. Nur an diese <lb n="pmu_096.013"/> empirischen Werte haben wir uns gehalten und auch daraus nur die <lb n="pmu_096.014"/> wirksamsten und dauerndsten herausgenommen, um sie psychologisch zu <lb n="pmu_096.015"/> verstehen. Wir haben damit also keineswegs unsern Standpunkt aufgegeben; <lb n="pmu_096.016"/> denn nirgends haben wir versucht, Werte, die sich historisch als <lb n="pmu_096.017"/> solche erwiesen haben, umzustürzen und irgendein willkürliches Schiboleth <lb n="pmu_096.018"/> einzuführen. Stets haben wir uns bemüht, auf dem Boden der Erfahrung <lb n="pmu_096.019"/> zu bleiben, wobei wir allerdings auch die in der Erfahrung gegebenen <lb n="pmu_096.020"/> <hi rendition="#g">Werte</hi> anerkannten. Wir nahmen das als ästhetische Werte an, <lb n="pmu_096.021"/> was sich im Laufe der Geschichte infolge seiner ästhetischen Wirksamkeit <lb n="pmu_096.022"/> in ausgedehnterer, dauernder Weise als Wert erwiesen hat.<note xml:id="PMU_096_1" place="foot" n="1)"><lb n="pmu_096.037"/> Es sei mir gestattet, hier anzumerken, daß ich diese Probleme ausführlich <lb n="pmu_096.038"/> in meiner „Psychologie der Kunst“, Bd. II, behandelt habe.</note></p> <lb n="pmu_096.023"/> </div> <div n="3"> <p> 2. Reden wir nun aber nicht damit, daß wir alles das, was sich als ästhetisch <lb n="pmu_096.024"/> wirksam erwiesen hat, als ästhetischen Wert anerkannten, einem <lb n="pmu_096.025"/> schrankenlosen Subjektivismus das Wort? Hierauf ist zu erwidern, daß <lb n="pmu_096.026"/> wir allerdings in jede Definition des ästhetischen Wertes einen subjektiven <lb n="pmu_096.027"/> Faktor einbegreifen müssen, denn ein rein objektiver Wert, der niemals <lb n="pmu_096.028"/> ein Subjekt ästhetisch berührt, ist ein Unding. Jndessen wollten wir <lb n="pmu_096.029"/> keineswegs die Gleichheit aller ästhetischen Werte behaupten. Jm Gegenteil, <lb n="pmu_096.030"/> wir erkennen durchaus eine Hierarchie der Werte an, die zwar nicht <lb n="pmu_096.031"/> absolut ist, vielmehr großen Schwankungen unterliegt, aber doch eine gewisse <lb n="pmu_096.032"/> Stufenleiter einhält.</p> <lb n="pmu_096.033"/> <p> Die Prinzipien nun, die für diese Hierarchie der Werte konstituierend <lb n="pmu_096.034"/> gewesen sind, sind mannigfaltige. An erster Stelle steht da der Begriff <lb n="pmu_096.035"/> der <hi rendition="#g">Extensität</hi> der Werte, das heißt die Ausbreitung und Dauer ihrer <lb n="pmu_096.036"/> Wirkungsmöglichkeit. Denn wie im übrigen Leben nur das als ein Wert </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0106]
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wir uns scheinbar eines Widerspruchs schuldig gemacht, indem wir dennoch pmu_096.002
manche Dichtwerke als Werte anerkannten, ohne im einzelnen pmu_096.003
Falle zu begründen, warum wir das taten.
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Jndessen löst sich dieser scheinbare Widerspruch durch das im Anfang pmu_096.005
ausgesprochene Forschungsprinzip, indem wir nur als Psychologen, nicht pmu_096.006
als Normästhetiker zu Werke gehen wollten. Wir stellten es gleich im pmu_096.007
Anfang als unser Ziel auf, nur zu beschreiben und zu erklären, d. h. das pmu_096.008
uns in der Erfahrung Gegebene verstehen, nicht aber meistern zu wollen. pmu_096.009
Was uns aber in der Erfahrung gegeben ist, das, was die Literaturwissenschaft pmu_096.010
in reicher Sammlung vor uns ausbreitet, sind bereits fertig vorliegende pmu_096.011
Werte. Denn was im Laufe der Geschichte ästhetisch wirksam pmu_096.012
gewesen ist, muß als ästhetischer Wert anerkannt werden. Nur an diese pmu_096.013
empirischen Werte haben wir uns gehalten und auch daraus nur die pmu_096.014
wirksamsten und dauerndsten herausgenommen, um sie psychologisch zu pmu_096.015
verstehen. Wir haben damit also keineswegs unsern Standpunkt aufgegeben; pmu_096.016
denn nirgends haben wir versucht, Werte, die sich historisch als pmu_096.017
solche erwiesen haben, umzustürzen und irgendein willkürliches Schiboleth pmu_096.018
einzuführen. Stets haben wir uns bemüht, auf dem Boden der Erfahrung pmu_096.019
zu bleiben, wobei wir allerdings auch die in der Erfahrung gegebenen pmu_096.020
Werte anerkannten. Wir nahmen das als ästhetische Werte an, pmu_096.021
was sich im Laufe der Geschichte infolge seiner ästhetischen Wirksamkeit pmu_096.022
in ausgedehnterer, dauernder Weise als Wert erwiesen hat. 1)
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2. Reden wir nun aber nicht damit, daß wir alles das, was sich als ästhetisch pmu_096.024
wirksam erwiesen hat, als ästhetischen Wert anerkannten, einem pmu_096.025
schrankenlosen Subjektivismus das Wort? Hierauf ist zu erwidern, daß pmu_096.026
wir allerdings in jede Definition des ästhetischen Wertes einen subjektiven pmu_096.027
Faktor einbegreifen müssen, denn ein rein objektiver Wert, der niemals pmu_096.028
ein Subjekt ästhetisch berührt, ist ein Unding. Jndessen wollten wir pmu_096.029
keineswegs die Gleichheit aller ästhetischen Werte behaupten. Jm Gegenteil, pmu_096.030
wir erkennen durchaus eine Hierarchie der Werte an, die zwar nicht pmu_096.031
absolut ist, vielmehr großen Schwankungen unterliegt, aber doch eine gewisse pmu_096.032
Stufenleiter einhält.
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Die Prinzipien nun, die für diese Hierarchie der Werte konstituierend pmu_096.034
gewesen sind, sind mannigfaltige. An erster Stelle steht da der Begriff pmu_096.035
der Extensität der Werte, das heißt die Ausbreitung und Dauer ihrer pmu_096.036
Wirkungsmöglichkeit. Denn wie im übrigen Leben nur das als ein Wert
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Es sei mir gestattet, hier anzumerken, daß ich diese Probleme ausführlich pmu_096.038
in meiner „Psychologie der Kunst“, Bd. II, behandelt habe.
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