Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_027.001 Dabei ist noch zu bemerken, daß auch die einzelnen Gattungen der Poesie pmu_027.004 Ein Werturteil über die beiden Arten von Dichtern soll hier nicht gefällt pmu_027.015 6. Wir haben bisher nur ganz allgemein das Erleben des Dichters behandelt, pmu_027.037 pmu_027.001 Dabei ist noch zu bemerken, daß auch die einzelnen Gattungen der Poesie pmu_027.004 Ein Werturteil über die beiden Arten von Dichtern soll hier nicht gefällt pmu_027.015 6. Wir haben bisher nur ganz allgemein das Erleben des Dichters behandelt, pmu_027.037 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0037" n="27"/><lb n="pmu_027.001"/> haben wir neben den vielen Ausdrucksdichtern stets Gestaltungsdichter, <lb n="pmu_027.002"/> so in Balzac, Zola, Maupassant u. a.</p> <lb n="pmu_027.003"/> <p> Dabei ist noch zu bemerken, daß auch die einzelnen Gattungen der Poesie <lb n="pmu_027.004"/> sich als mehr oder weniger geeignet für die beiden Typen darbieten. <lb n="pmu_027.005"/> Jm allgemeinen werden die Ausdrucksdichter mehr zur Lyrik neigen, <lb n="pmu_027.006"/> während die Darstellungsdichter mehr Dramatik und Epik bevorzugen. <lb n="pmu_027.007"/> Jndessen haben wir auch Lyriker genug, bei denen das subjektive Erleben <lb n="pmu_027.008"/> verhältnismäßig zurücktritt, so z. B. bei den französischen „Parnassiens“, <lb n="pmu_027.009"/> die die „<hi rendition="#aq">impassibilité</hi>“ des Dichters forderten. Auch Platen ist als Lyriker <lb n="pmu_027.010"/> mehr Gestaltungsdichter. Andrerseits gibt es auch Epik und Dramatik <lb n="pmu_027.011"/> genug, die in erster Linie als Ausdruck der Subjektivität des Dichters aufzufassen <lb n="pmu_027.012"/> ist, wo niemals ganz die Nabelschnur zwischen dem Dichter und <lb n="pmu_027.013"/> seinen Gestalten durchschnitten ist.</p> <lb n="pmu_027.014"/> <p> Ein Werturteil über die beiden Arten von Dichtern soll hier nicht gefällt <lb n="pmu_027.015"/> werden. Wir konstatieren nur die Tatsache, daß sowohl Ausdruckswie <lb n="pmu_027.016"/> Gestaltungsdichter es zu den höchsten Wirkungen gebracht haben. <lb n="pmu_027.017"/> Überhaupt ist jeder große Dichter <hi rendition="#g">zugleich</hi> Ausdrucksdichter wie Gestalter, <lb n="pmu_027.018"/> und wenn wir oben eine Scheidung vorgenommen haben, so sei nochmals <lb n="pmu_027.019"/> mit aller Schärfe hervorgehoben, daß es sich nur um ein <hi rendition="#g">Überwiegen</hi> <lb n="pmu_027.020"/> der einen oder andern Tendenz handelt. Ein Dichter, dem es <hi rendition="#g">nur</hi> <lb n="pmu_027.021"/> auf Ausdruck ankäme, würde es nie zu wirklichen Kunstwerken bringen, <lb n="pmu_027.022"/> ebenso wie der reine Gestalter nur kalte Mache zu liefern vermöchte. — <lb n="pmu_027.023"/> Jm übrigen sei bemerkt, daß neben diesen beiden, wesentlichen Motiven <lb n="pmu_027.024"/> noch alle möglichen andern Motive den Dichter zum Schaffen bewegen <lb n="pmu_027.025"/> können. Die Biographien geben uns darüber viel, nicht immer erfreuliche <lb n="pmu_027.026"/> Auskunft. Geldnot, Ehrgeiz, Eitelkeit, äußere Aufträge und hundert <lb n="pmu_027.027"/> andere Motive wirken zusammen, um oft den Dichter zum Schaffen <lb n="pmu_027.028"/> anzuregen. Jndessen wird hieraus nie ein echtes Dichtwerk entspringen, <lb n="pmu_027.029"/> wenn sie nicht in der Seele einmal eine nach Ausdruck drängende Stimmung <lb n="pmu_027.030"/> und die Freude und Fähigkeit zum Gestalten vorfinden, die erst <lb n="pmu_027.031"/> den wahren Wert des Werkes auszumachen pflegen. — Jn Wirklichkeit <lb n="pmu_027.032"/> entspringt ein großes Kunstwerk so wenig einer einzigen Quelle wie ein <lb n="pmu_027.033"/> großer Strom. Wenn man doch eine einzige heraushebt, so ist es, weil <lb n="pmu_027.034"/> sie die sichtbarste ist, oder weil ein gewohnheitsmäßiges Einheitsbedürfnis <lb n="pmu_027.035"/> dazu verleitet.</p> <lb n="pmu_027.036"/> </div> <div n="3"> <p> 6. Wir haben bisher nur ganz allgemein das Erleben des Dichters behandelt, <lb n="pmu_027.037"/> ohne im einzelnen der Gefühlsqualität dieses Erlebens nachzugehen, <lb n="pmu_027.038"/> und nur vorausdeutend haben wir bemerkt, daß so ziemlich alle </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0037]
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haben wir neben den vielen Ausdrucksdichtern stets Gestaltungsdichter, pmu_027.002
so in Balzac, Zola, Maupassant u. a.
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Dabei ist noch zu bemerken, daß auch die einzelnen Gattungen der Poesie pmu_027.004
sich als mehr oder weniger geeignet für die beiden Typen darbieten. pmu_027.005
Jm allgemeinen werden die Ausdrucksdichter mehr zur Lyrik neigen, pmu_027.006
während die Darstellungsdichter mehr Dramatik und Epik bevorzugen. pmu_027.007
Jndessen haben wir auch Lyriker genug, bei denen das subjektive Erleben pmu_027.008
verhältnismäßig zurücktritt, so z. B. bei den französischen „Parnassiens“, pmu_027.009
die die „impassibilité“ des Dichters forderten. Auch Platen ist als Lyriker pmu_027.010
mehr Gestaltungsdichter. Andrerseits gibt es auch Epik und Dramatik pmu_027.011
genug, die in erster Linie als Ausdruck der Subjektivität des Dichters aufzufassen pmu_027.012
ist, wo niemals ganz die Nabelschnur zwischen dem Dichter und pmu_027.013
seinen Gestalten durchschnitten ist.
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Ein Werturteil über die beiden Arten von Dichtern soll hier nicht gefällt pmu_027.015
werden. Wir konstatieren nur die Tatsache, daß sowohl Ausdruckswie pmu_027.016
Gestaltungsdichter es zu den höchsten Wirkungen gebracht haben. pmu_027.017
Überhaupt ist jeder große Dichter zugleich Ausdrucksdichter wie Gestalter, pmu_027.018
und wenn wir oben eine Scheidung vorgenommen haben, so sei nochmals pmu_027.019
mit aller Schärfe hervorgehoben, daß es sich nur um ein Überwiegen pmu_027.020
der einen oder andern Tendenz handelt. Ein Dichter, dem es nur pmu_027.021
auf Ausdruck ankäme, würde es nie zu wirklichen Kunstwerken bringen, pmu_027.022
ebenso wie der reine Gestalter nur kalte Mache zu liefern vermöchte. — pmu_027.023
Jm übrigen sei bemerkt, daß neben diesen beiden, wesentlichen Motiven pmu_027.024
noch alle möglichen andern Motive den Dichter zum Schaffen bewegen pmu_027.025
können. Die Biographien geben uns darüber viel, nicht immer erfreuliche pmu_027.026
Auskunft. Geldnot, Ehrgeiz, Eitelkeit, äußere Aufträge und hundert pmu_027.027
andere Motive wirken zusammen, um oft den Dichter zum Schaffen pmu_027.028
anzuregen. Jndessen wird hieraus nie ein echtes Dichtwerk entspringen, pmu_027.029
wenn sie nicht in der Seele einmal eine nach Ausdruck drängende Stimmung pmu_027.030
und die Freude und Fähigkeit zum Gestalten vorfinden, die erst pmu_027.031
den wahren Wert des Werkes auszumachen pflegen. — Jn Wirklichkeit pmu_027.032
entspringt ein großes Kunstwerk so wenig einer einzigen Quelle wie ein pmu_027.033
großer Strom. Wenn man doch eine einzige heraushebt, so ist es, weil pmu_027.034
sie die sichtbarste ist, oder weil ein gewohnheitsmäßiges Einheitsbedürfnis pmu_027.035
dazu verleitet.
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6. Wir haben bisher nur ganz allgemein das Erleben des Dichters behandelt, pmu_027.037
ohne im einzelnen der Gefühlsqualität dieses Erlebens nachzugehen, pmu_027.038
und nur vorausdeutend haben wir bemerkt, daß so ziemlich alle
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