Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_028.001 Betrachten wir nun das Gefühlsleben allein, das ja für den Dichter pmu_028.017 7. Jch beginne mit jenem Typenpaar, für das das Überwiegen des pmu_028.030 pmu_028.001 Betrachten wir nun das Gefühlsleben allein, das ja für den Dichter pmu_028.017 7. Jch beginne mit jenem Typenpaar, für das das Überwiegen des pmu_028.030 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0038" n="28"/><lb n="pmu_028.001"/> menschlichen Erlebnisformen auch in der Dichtkunst ihren Ausdruck gefunden <lb n="pmu_028.002"/> haben. Wir werden daher fast alle Typen der Menschen überhaupt <lb n="pmu_028.003"/> in den Dichtern wiederfinden. Wie wir im Leben objektive oder <lb n="pmu_028.004"/> subjektive Jndividuen finden, <hi rendition="#g">je nach dem Grade,</hi> in dem ihr Jch und <lb n="pmu_028.005"/> ihre Gefühle sich in all ihren Erlebnissen vordrängen, so finden wir sie <lb n="pmu_028.006"/> auch unter den Dichtern. Jch nenne sie die <hi rendition="#g">Subjektiven</hi> und die <hi rendition="#g">Objektiven.</hi> <lb n="pmu_028.007"/> Handelt es sich hierbei um das Verhältnis von Jntellekt und Gefühlsleben, <lb n="pmu_028.008"/> so ergibt sich ein andres Paar nach dem Gewichtsverhältnis <lb n="pmu_028.009"/> von Rezeption und Aktion, die <hi rendition="#g">Sensiblen</hi> und <hi rendition="#g">Aktiven.</hi> Je nach dem <lb n="pmu_028.010"/> Überwiegen des exakten äußeren Beobachtens und der begriffsbildenden, <lb n="pmu_028.011"/> typisierenden Funktionen sondere ich in <hi rendition="#g">Speziellseher</hi> und <hi rendition="#g">Typenseher.</hi> <lb n="pmu_028.012"/> Häufig mit diesen in Korrelation stehend, aber durchaus nicht identisch <lb n="pmu_028.013"/> damit sind die Typen des <hi rendition="#g">Modelldichters</hi> und des <hi rendition="#g">Phantasiedichters,</hi> <lb n="pmu_028.014"/> die sich ausbilden, je nachdem die äußere Beobachtung oder die <lb n="pmu_028.015"/> freie Phantasie vorwaltet.</p> <lb n="pmu_028.016"/> <p> Betrachten wir nun das Gefühlsleben allein, das ja für den Dichter <lb n="pmu_028.017"/> besonders wichtig ist, so finden wir auch da ganz ausgesprochene Typen. <lb n="pmu_028.018"/> Je nach der Höhe der Lust- und Unlustgrenze können wir sondern in <hi rendition="#g">Pessimisten</hi> <lb n="pmu_028.019"/> und <hi rendition="#g">Optimisten.</hi> Besonders wichtig sind dann diejenigen <lb n="pmu_028.020"/> Typen, die durch das Dominieren einzelner <hi rendition="#g">Affekte</hi> sich kennzeichnen. <lb n="pmu_028.021"/> So gibt es Dichter des <hi rendition="#g">gesteigerten Selbstgefühls</hi> (des Stolzes), <lb n="pmu_028.022"/> Dichter des <hi rendition="#g">gemeinderten Selbstgefühls</hi> (der Angst), ferner gibt es <lb n="pmu_028.023"/> Dichter der <hi rendition="#g">aggressiven</hi> Affekte (des Zorns und des Hasses), wie solche <lb n="pmu_028.024"/> der <hi rendition="#g">Sympathie,</hi> wovon wiederum zu scheiden ist der <hi rendition="#g">Dichter der <lb n="pmu_028.025"/> sexuellen Liebe,</hi> der sich freilich oft mit dem Sympathiedichter verquickt. <lb n="pmu_028.026"/> Daß natürlich auch zwei dieser Affekte gemeinsam dominieren <lb n="pmu_028.027"/> können, ist offenbar, wenn es auch in diesem schmalen Rahmen nicht möglich <lb n="pmu_028.028"/> ist, allen Komplikationen nachzugehen.</p> <lb n="pmu_028.029"/> </div> <div n="3"> <p> 7. Jch beginne mit jenem Typenpaar, für das das Überwiegen des <lb n="pmu_028.030"/> Jntellekt- oder Gefühlslebens entscheidend ist. Wir könnten diese Typen <lb n="pmu_028.031"/> auch die <hi rendition="#g">Objektiven</hi> und die <hi rendition="#g">Subjektiven</hi> nennen. Wir kennen diese <lb n="pmu_028.032"/> Typen aus dem Leben überall. Die Subjektiven mischen in alles, was <lb n="pmu_028.033"/> sie denken, erleben, tun, ihr Jch und seine Gefühle hinein, was bei den <lb n="pmu_028.034"/> Objektiven weit weniger der Fall ist; denn im Grunde handelt es sich <lb n="pmu_028.035"/> hier wie überall nur um <hi rendition="#g">Grad</hi>unterschiede, und <hi rendition="#g">völlige</hi> Objektivität <lb n="pmu_028.036"/> gibt es nicht. Jm allgemeinen sucht man die Subjektiven mehr unter <lb n="pmu_028.037"/> Frauen, die Objektiven mehr unter Männern, indessen ist damit natürlich <lb n="pmu_028.038"/> nur sehr pauschal geschieden.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0038]
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menschlichen Erlebnisformen auch in der Dichtkunst ihren Ausdruck gefunden pmu_028.002
haben. Wir werden daher fast alle Typen der Menschen überhaupt pmu_028.003
in den Dichtern wiederfinden. Wie wir im Leben objektive oder pmu_028.004
subjektive Jndividuen finden, je nach dem Grade, in dem ihr Jch und pmu_028.005
ihre Gefühle sich in all ihren Erlebnissen vordrängen, so finden wir sie pmu_028.006
auch unter den Dichtern. Jch nenne sie die Subjektiven und die Objektiven. pmu_028.007
Handelt es sich hierbei um das Verhältnis von Jntellekt und Gefühlsleben, pmu_028.008
so ergibt sich ein andres Paar nach dem Gewichtsverhältnis pmu_028.009
von Rezeption und Aktion, die Sensiblen und Aktiven. Je nach dem pmu_028.010
Überwiegen des exakten äußeren Beobachtens und der begriffsbildenden, pmu_028.011
typisierenden Funktionen sondere ich in Speziellseher und Typenseher. pmu_028.012
Häufig mit diesen in Korrelation stehend, aber durchaus nicht identisch pmu_028.013
damit sind die Typen des Modelldichters und des Phantasiedichters, pmu_028.014
die sich ausbilden, je nachdem die äußere Beobachtung oder die pmu_028.015
freie Phantasie vorwaltet.
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Betrachten wir nun das Gefühlsleben allein, das ja für den Dichter pmu_028.017
besonders wichtig ist, so finden wir auch da ganz ausgesprochene Typen. pmu_028.018
Je nach der Höhe der Lust- und Unlustgrenze können wir sondern in Pessimisten pmu_028.019
und Optimisten. Besonders wichtig sind dann diejenigen pmu_028.020
Typen, die durch das Dominieren einzelner Affekte sich kennzeichnen. pmu_028.021
So gibt es Dichter des gesteigerten Selbstgefühls (des Stolzes), pmu_028.022
Dichter des gemeinderten Selbstgefühls (der Angst), ferner gibt es pmu_028.023
Dichter der aggressiven Affekte (des Zorns und des Hasses), wie solche pmu_028.024
der Sympathie, wovon wiederum zu scheiden ist der Dichter der pmu_028.025
sexuellen Liebe, der sich freilich oft mit dem Sympathiedichter verquickt. pmu_028.026
Daß natürlich auch zwei dieser Affekte gemeinsam dominieren pmu_028.027
können, ist offenbar, wenn es auch in diesem schmalen Rahmen nicht möglich pmu_028.028
ist, allen Komplikationen nachzugehen.
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7. Jch beginne mit jenem Typenpaar, für das das Überwiegen des pmu_028.030
Jntellekt- oder Gefühlslebens entscheidend ist. Wir könnten diese Typen pmu_028.031
auch die Objektiven und die Subjektiven nennen. Wir kennen diese pmu_028.032
Typen aus dem Leben überall. Die Subjektiven mischen in alles, was pmu_028.033
sie denken, erleben, tun, ihr Jch und seine Gefühle hinein, was bei den pmu_028.034
Objektiven weit weniger der Fall ist; denn im Grunde handelt es sich pmu_028.035
hier wie überall nur um Gradunterschiede, und völlige Objektivität pmu_028.036
gibt es nicht. Jm allgemeinen sucht man die Subjektiven mehr unter pmu_028.037
Frauen, die Objektiven mehr unter Männern, indessen ist damit natürlich pmu_028.038
nur sehr pauschal geschieden.
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