Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_029.001 Auf die Dichtkunst angewandt, gibt uns diese Typentrennung die pmu_029.002 8. Je nachdem der Mensch mehr von außen nach innen, oder von innen pmu_029.023 Jn der Kunst haben sowohl die Sensiblen wie die Aktiven sich geltend pmu_029.034 pmu_029.001 Auf die Dichtkunst angewandt, gibt uns diese Typentrennung die pmu_029.002 8. Je nachdem der Mensch mehr von außen nach innen, oder von innen pmu_029.023 Jn der Kunst haben sowohl die Sensiblen wie die Aktiven sich geltend pmu_029.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0039" n="29"/> <lb n="pmu_029.001"/> <p> Auf die Dichtkunst angewandt, gibt uns diese Typentrennung die <lb n="pmu_029.002"/> psychologische Basis für jene Stilunterschiede, die wir oben gekennzeichnet <lb n="pmu_029.003"/> haben. Wenn auch mannigfache Korrelationen dabei in Betracht zu <lb n="pmu_029.004"/> ziehen sind, so werden doch im allgemeinen die <hi rendition="#g">Subjektiven</hi> mehr in <lb n="pmu_029.005"/> der romantischen Kunst sich betätigen, ebenso wie die <hi rendition="#g">Objektiven</hi> mehr <lb n="pmu_029.006"/> zum Naturalismus neigen werden, während der idealisierende Künstler <lb n="pmu_029.007"/> Objektives und Subjektives harmonisch zu vereinigen strebt. Denn alles <lb n="pmu_029.008"/> Jdealisieren ist, wie wir oben bereits erwähnt haben, ein Durchdringen <lb n="pmu_029.009"/> der Wahrnehmungen mit subjektiven Färbungen, während der Objektive, <lb n="pmu_029.010"/> dessen Gefühle sich nicht so stark eindrängen in seine Erlebnisse, mehr <lb n="pmu_029.011"/> zu einer kühleren, weniger färbenden Darstellung neigen wird. Es liegt <lb n="pmu_029.012"/> auf der Hand, daß im allgemeinen eine starke Subjektivität nötig ist für <lb n="pmu_029.013"/> den Dichter, wie eine objektive Veranlagung für den wissenschaftlichen <lb n="pmu_029.014"/> Forscher günstig ist. Jndessen haben wir bereits oben dargetan, daß auch <lb n="pmu_029.015"/> unter den Dichtern sich objektive Begabungen gefunden haben, mehr noch <lb n="pmu_029.016"/> solche, die es sein <hi rendition="#g">wollten,</hi> als die es wirklich waren. Denn im Grunde <lb n="pmu_029.017"/> gibt es besonders in der Kunst keine absolute Objektivität, und so stellen <lb n="pmu_029.018"/> sich dem etwas entfernteren Betrachter auch diejenigen, die ganz objektiv <lb n="pmu_029.019"/> schildern wollten, wie die modernen Naturalisten, z. B. Zola, doch <lb n="pmu_029.020"/> in gewisser Beziehung als subjektive Dichter dar. — Aber auch der <lb n="pmu_029.021"/> Gradunterschied ist schon sehr wichtig.</p> <lb n="pmu_029.022"/> </div> <div n="3"> <p> 8. Je nachdem der Mensch mehr von außen nach innen, oder von innen <lb n="pmu_029.023"/> nach außen lebt, je nachdem mehr die Eindrucksfähigkeit oder der <lb n="pmu_029.024"/> Wille in ihm entwickelt ist, je nachdem sein sensorisches oder motorisches <lb n="pmu_029.025"/> System stärker entwickelt ist, trennen wir in <hi rendition="#g">Sensible</hi> und <hi rendition="#g">Aktive.</hi> Sie <lb n="pmu_029.026"/> sind durchaus nicht identisch mit den Subjektiven und Objektiven; es gibt <lb n="pmu_029.027"/> subjektive Sensible, die eigentlichen Nervenmenschen, die auf jeden Lufthauch <lb n="pmu_029.028"/> reagieren, und objektiv Sensible, das sind die fein reagierenden, <lb n="pmu_029.029"/> aber kühlen Beobachternaturen. Ebenso gibt es subjektiv Aktive, die alles <lb n="pmu_029.030"/> nach ihrer Persönlichkeit zurechtmachen wollen und objektiv Aktive, die <lb n="pmu_029.031"/> in ihrer Tätigkeit den objektiven Gegebenheiten mehr Rechnung tragen <lb n="pmu_029.032"/> als ihren persönlichen Neigungen.</p> <lb n="pmu_029.033"/> <p> Jn der Kunst haben sowohl die Sensiblen wie die Aktiven sich geltend <lb n="pmu_029.034"/> gemacht. Jn neuester Zeit freilich, besonders in aller lebensflüchtigen <lb n="pmu_029.035"/> Romantik, wollte man nur den sensiblen Dichter gelten lassen; man <lb n="pmu_029.036"/> schätzte die aktiven Dichter, wie es z. B. Schiller war, niedriger ein oder <lb n="pmu_029.037"/> bestritt ihnen gar ihr Dichterrecht überhaupt. Natürlich zeigt sich die Veranlagung <lb n="pmu_029.038"/> des Dichters stets auch in den Gestalten seiner Werke. Sensible </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
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Auf die Dichtkunst angewandt, gibt uns diese Typentrennung die pmu_029.002
psychologische Basis für jene Stilunterschiede, die wir oben gekennzeichnet pmu_029.003
haben. Wenn auch mannigfache Korrelationen dabei in Betracht zu pmu_029.004
ziehen sind, so werden doch im allgemeinen die Subjektiven mehr in pmu_029.005
der romantischen Kunst sich betätigen, ebenso wie die Objektiven mehr pmu_029.006
zum Naturalismus neigen werden, während der idealisierende Künstler pmu_029.007
Objektives und Subjektives harmonisch zu vereinigen strebt. Denn alles pmu_029.008
Jdealisieren ist, wie wir oben bereits erwähnt haben, ein Durchdringen pmu_029.009
der Wahrnehmungen mit subjektiven Färbungen, während der Objektive, pmu_029.010
dessen Gefühle sich nicht so stark eindrängen in seine Erlebnisse, mehr pmu_029.011
zu einer kühleren, weniger färbenden Darstellung neigen wird. Es liegt pmu_029.012
auf der Hand, daß im allgemeinen eine starke Subjektivität nötig ist für pmu_029.013
den Dichter, wie eine objektive Veranlagung für den wissenschaftlichen pmu_029.014
Forscher günstig ist. Jndessen haben wir bereits oben dargetan, daß auch pmu_029.015
unter den Dichtern sich objektive Begabungen gefunden haben, mehr noch pmu_029.016
solche, die es sein wollten, als die es wirklich waren. Denn im Grunde pmu_029.017
gibt es besonders in der Kunst keine absolute Objektivität, und so stellen pmu_029.018
sich dem etwas entfernteren Betrachter auch diejenigen, die ganz objektiv pmu_029.019
schildern wollten, wie die modernen Naturalisten, z. B. Zola, doch pmu_029.020
in gewisser Beziehung als subjektive Dichter dar. — Aber auch der pmu_029.021
Gradunterschied ist schon sehr wichtig.
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8. Je nachdem der Mensch mehr von außen nach innen, oder von innen pmu_029.023
nach außen lebt, je nachdem mehr die Eindrucksfähigkeit oder der pmu_029.024
Wille in ihm entwickelt ist, je nachdem sein sensorisches oder motorisches pmu_029.025
System stärker entwickelt ist, trennen wir in Sensible und Aktive. Sie pmu_029.026
sind durchaus nicht identisch mit den Subjektiven und Objektiven; es gibt pmu_029.027
subjektive Sensible, die eigentlichen Nervenmenschen, die auf jeden Lufthauch pmu_029.028
reagieren, und objektiv Sensible, das sind die fein reagierenden, pmu_029.029
aber kühlen Beobachternaturen. Ebenso gibt es subjektiv Aktive, die alles pmu_029.030
nach ihrer Persönlichkeit zurechtmachen wollen und objektiv Aktive, die pmu_029.031
in ihrer Tätigkeit den objektiven Gegebenheiten mehr Rechnung tragen pmu_029.032
als ihren persönlichen Neigungen.
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Jn der Kunst haben sowohl die Sensiblen wie die Aktiven sich geltend pmu_029.034
gemacht. Jn neuester Zeit freilich, besonders in aller lebensflüchtigen pmu_029.035
Romantik, wollte man nur den sensiblen Dichter gelten lassen; man pmu_029.036
schätzte die aktiven Dichter, wie es z. B. Schiller war, niedriger ein oder pmu_029.037
bestritt ihnen gar ihr Dichterrecht überhaupt. Natürlich zeigt sich die Veranlagung pmu_029.038
des Dichters stets auch in den Gestalten seiner Werke. Sensible
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