Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_050.001 Als erstes, schon darum, weil es auch historisch immer sehr frühe auftritt, pmu_050.007 Ein besonders wichtiges Stoffgebiet ist das erotische. Es ist das bereits pmu_050.036 pmu_050.001 Als erstes, schon darum, weil es auch historisch immer sehr frühe auftritt, pmu_050.007 Ein besonders wichtiges Stoffgebiet ist das erotische. Es ist das bereits pmu_050.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0060" n="50"/><lb n="pmu_050.001"/> besonderer Wirkung erfreut haben, was natürlich daran liegt, daß sie besondere <lb n="pmu_050.002"/> Werte für den Schaffenden wie für den Genießenden boten und <lb n="pmu_050.003"/> daß sie dem Wesen der Dichtung besonders adäquat waren, vor allem auch <lb n="pmu_050.004"/> darin, daß ihre Jdealisierbarkeit am leichtesten war. Wir können natürlich <lb n="pmu_050.005"/> nur einige besonders markante Stoffgebiete hier beleuchten.</p> <lb n="pmu_050.006"/> <p> Als erstes, schon darum, weil es auch historisch immer sehr frühe auftritt, <lb n="pmu_050.007"/> behandle ich das <hi rendition="#g">heroische.</hi> „<hi rendition="#aq">Arma virumque</hi>“ singen die meisten <lb n="pmu_050.008"/> Dichter frühester Zeiten. Der äußere Grund liegt darin, daß der Sänger <lb n="pmu_050.009"/> der Vorzeit zugleich Historiker war, und daß in solchen Zeiten nichts so <lb n="pmu_050.010"/> sehr der Aufbewahrung würdig erschien, als die Taten großer Helden. <lb n="pmu_050.011"/> Der innere Grund, daß sich gerade um große Heldengestalten große Dichtungen <lb n="pmu_050.012"/> entwickelten, liegt darin, daß der Held ja die bequemsten Anhaltspunkte <lb n="pmu_050.013"/> für die idealisierende Darstellung bot, die die höchste dichterische <lb n="pmu_050.014"/> Wirkung verbürgt. Jn den Zeiten der frühen Heldenepik lag die idealisierende <lb n="pmu_050.015"/> Kraft nicht so sehr in der starken Jndividualität des Dichters, als <lb n="pmu_050.016"/> im gewählten Stoffe und dem idealisierenden Bewußtsein des ganzen <lb n="pmu_050.017"/> Volkes. Dazu kommt, daß außer der rein ästhetischen Wirkung für die <lb n="pmu_050.018"/> Pflege des Heldengesangs pädagogische, ethische, soziale, politische Motive <lb n="pmu_050.019"/> überaus günstig waren, wie ja noch heute der größte Teil der Schullektüre <lb n="pmu_050.020"/> (wie zu Zeiten der Griechen) aus solcher Heldenpoesie zusammengestellt <lb n="pmu_050.021"/> ist. Jnteressant ist dann zu beobachten, wie die Entwicklung des <lb n="pmu_050.022"/> „Helden“ verläuft. Der Name bleibt ihm, auch da, wo er nicht mehr mit <lb n="pmu_050.023"/> dem Schwerte gegen Feinde und Drachen auszieht, sondern wo er als <lb n="pmu_050.024"/> „Ritter“ vor allem der Dame gegenüber sich zeigt. Und der Name „Held“ <lb n="pmu_050.025"/> bleibt ihm sogar dort, wo er, wie im modernen Roman, in der Regel alles <lb n="pmu_050.026"/> andre als ein wirklicher Held ist, sondern meist nur der Spielball seiner <lb n="pmu_050.027"/> Gefühle und Erlebnisse. Der Held, im alten Sinne des aktiven Siegers, <lb n="pmu_050.028"/> ist hinabgestiegen in die Sphäre von Jugenderzählung, Detektivroman <lb n="pmu_050.029"/> und Kolportageliteratur. Man könnte vielleicht — obwohl es fast eine <lb n="pmu_050.030"/> <hi rendition="#aq">contradictio in adjecto</hi> ist — von einem passiven Helden im modernen <lb n="pmu_050.031"/> Roman sprechen, in dem die Eigenschaften, die die Hauptperson als der <lb n="pmu_050.032"/> Erzählung würdig erscheinen lassen, höhere Sensibilität, feinere Geistigkeit <lb n="pmu_050.033"/> und differenzierteres Gefühlsleben wären. Freilich, der alte Begriff <lb n="pmu_050.034"/> des Heroischen ist damit fast in sein Gegenteil verkehrt.</p> <lb n="pmu_050.035"/> <p> Ein besonders wichtiges Stoffgebiet ist das <hi rendition="#g">erotische.</hi> Es ist das bereits <lb n="pmu_050.036"/> oben aus der Psychologie des Dichters begründet worden, indem wir <lb n="pmu_050.037"/> zeigten, daß einmal kein Affekt so akut auftrat, sei es im Glück, sei es, und <lb n="pmu_050.038"/> zwar besonders, im Unglück; zweitens aber diente vielfach die Liebespoesie </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
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besonderer Wirkung erfreut haben, was natürlich daran liegt, daß sie besondere pmu_050.002
Werte für den Schaffenden wie für den Genießenden boten und pmu_050.003
daß sie dem Wesen der Dichtung besonders adäquat waren, vor allem auch pmu_050.004
darin, daß ihre Jdealisierbarkeit am leichtesten war. Wir können natürlich pmu_050.005
nur einige besonders markante Stoffgebiete hier beleuchten.
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Als erstes, schon darum, weil es auch historisch immer sehr frühe auftritt, pmu_050.007
behandle ich das heroische. „Arma virumque“ singen die meisten pmu_050.008
Dichter frühester Zeiten. Der äußere Grund liegt darin, daß der Sänger pmu_050.009
der Vorzeit zugleich Historiker war, und daß in solchen Zeiten nichts so pmu_050.010
sehr der Aufbewahrung würdig erschien, als die Taten großer Helden. pmu_050.011
Der innere Grund, daß sich gerade um große Heldengestalten große Dichtungen pmu_050.012
entwickelten, liegt darin, daß der Held ja die bequemsten Anhaltspunkte pmu_050.013
für die idealisierende Darstellung bot, die die höchste dichterische pmu_050.014
Wirkung verbürgt. Jn den Zeiten der frühen Heldenepik lag die idealisierende pmu_050.015
Kraft nicht so sehr in der starken Jndividualität des Dichters, als pmu_050.016
im gewählten Stoffe und dem idealisierenden Bewußtsein des ganzen pmu_050.017
Volkes. Dazu kommt, daß außer der rein ästhetischen Wirkung für die pmu_050.018
Pflege des Heldengesangs pädagogische, ethische, soziale, politische Motive pmu_050.019
überaus günstig waren, wie ja noch heute der größte Teil der Schullektüre pmu_050.020
(wie zu Zeiten der Griechen) aus solcher Heldenpoesie zusammengestellt pmu_050.021
ist. Jnteressant ist dann zu beobachten, wie die Entwicklung des pmu_050.022
„Helden“ verläuft. Der Name bleibt ihm, auch da, wo er nicht mehr mit pmu_050.023
dem Schwerte gegen Feinde und Drachen auszieht, sondern wo er als pmu_050.024
„Ritter“ vor allem der Dame gegenüber sich zeigt. Und der Name „Held“ pmu_050.025
bleibt ihm sogar dort, wo er, wie im modernen Roman, in der Regel alles pmu_050.026
andre als ein wirklicher Held ist, sondern meist nur der Spielball seiner pmu_050.027
Gefühle und Erlebnisse. Der Held, im alten Sinne des aktiven Siegers, pmu_050.028
ist hinabgestiegen in die Sphäre von Jugenderzählung, Detektivroman pmu_050.029
und Kolportageliteratur. Man könnte vielleicht — obwohl es fast eine pmu_050.030
contradictio in adjecto ist — von einem passiven Helden im modernen pmu_050.031
Roman sprechen, in dem die Eigenschaften, die die Hauptperson als der pmu_050.032
Erzählung würdig erscheinen lassen, höhere Sensibilität, feinere Geistigkeit pmu_050.033
und differenzierteres Gefühlsleben wären. Freilich, der alte Begriff pmu_050.034
des Heroischen ist damit fast in sein Gegenteil verkehrt.
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Ein besonders wichtiges Stoffgebiet ist das erotische. Es ist das bereits pmu_050.036
oben aus der Psychologie des Dichters begründet worden, indem wir pmu_050.037
zeigten, daß einmal kein Affekt so akut auftrat, sei es im Glück, sei es, und pmu_050.038
zwar besonders, im Unglück; zweitens aber diente vielfach die Liebespoesie
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