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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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des Richters über seine Partheien, des Bischofs
über seine Gemeine, des Feldherrn über sein
Heer, des Fürsten über die eben versammelten,
bald vorübergehenden Glieder des ewigen Vol-
kes, des Gesetzes über anscheinend ganz verschie-
denartige Geschlechter.

Indem nun alle diese unendlich gespalteten Ele-
mente des Volkes von unendlichen suveränen
Ideen allenthalben mit nie nachlassender Gewalt
des stärkeren Lebens über das schwächere ver-
söhnt werden, zeigt sich im Streite zugleich ein
unendliches Vermitteln und Vertragen, welches
nur möglich ist, in so fern jedes einzelne Glied
des politischen Weltkörpers seiner lebendigen Na-
tur treu bleibt, wächst, sich regt und durch nichts
anderes beschränkt wird, als durch eben so leben-
dige, stolze und freie Naturen neben ihm. Der
Grundvertrag ist demnach nicht etwa ein irgend-
wann oder wo geschlossener, sondern die Idee des
sich immerfort und an allen Stellen schließenden
Vertrages, der in jedem Moment durch die neue
Freiheit, die sich neben der alten zu regen be-
ginnt, an allen Stellen erneuert und eben da-
durch erhalten wird. Anstatt dieser lebendigen
Idee des Vertrages aller Verträge, ward von
den Aposteln des contrat social und des com-
mon-sense
, ein bestimmter Contract zwischen

des Richters uͤber ſeine Partheien, des Biſchofs
uͤber ſeine Gemeine, des Feldherrn uͤber ſein
Heer, des Fuͤrſten uͤber die eben verſammelten,
bald voruͤbergehenden Glieder des ewigen Vol-
kes, des Geſetzes uͤber anſcheinend ganz verſchie-
denartige Geſchlechter.

Indem nun alle dieſe unendlich geſpalteten Ele-
mente des Volkes von unendlichen ſuveraͤnen
Ideen allenthalben mit nie nachlaſſender Gewalt
des ſtaͤrkeren Lebens uͤber das ſchwaͤchere ver-
ſoͤhnt werden, zeigt ſich im Streite zugleich ein
unendliches Vermitteln und Vertragen, welches
nur moͤglich iſt, in ſo fern jedes einzelne Glied
des politiſchen Weltkoͤrpers ſeiner lebendigen Na-
tur treu bleibt, waͤchſt, ſich regt und durch nichts
anderes beſchraͤnkt wird, als durch eben ſo leben-
dige, ſtolze und freie Naturen neben ihm. Der
Grundvertrag iſt demnach nicht etwa ein irgend-
wann oder wo geſchloſſener, ſondern die Idee des
ſich immerfort und an allen Stellen ſchließenden
Vertrages, der in jedem Moment durch die neue
Freiheit, die ſich neben der alten zu regen be-
ginnt, an allen Stellen erneuert und eben da-
durch erhalten wird. Anſtatt dieſer lebendigen
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[206/0240] des Richters uͤber ſeine Partheien, des Biſchofs uͤber ſeine Gemeine, des Feldherrn uͤber ſein Heer, des Fuͤrſten uͤber die eben verſammelten, bald voruͤbergehenden Glieder des ewigen Vol- kes, des Geſetzes uͤber anſcheinend ganz verſchie- denartige Geſchlechter. Indem nun alle dieſe unendlich geſpalteten Ele- mente des Volkes von unendlichen ſuveraͤnen Ideen allenthalben mit nie nachlaſſender Gewalt des ſtaͤrkeren Lebens uͤber das ſchwaͤchere ver- ſoͤhnt werden, zeigt ſich im Streite zugleich ein unendliches Vermitteln und Vertragen, welches nur moͤglich iſt, in ſo fern jedes einzelne Glied des politiſchen Weltkoͤrpers ſeiner lebendigen Na- tur treu bleibt, waͤchſt, ſich regt und durch nichts anderes beſchraͤnkt wird, als durch eben ſo leben- dige, ſtolze und freie Naturen neben ihm. Der Grundvertrag iſt demnach nicht etwa ein irgend- wann oder wo geſchloſſener, ſondern die Idee des ſich immerfort und an allen Stellen ſchließenden Vertrages, der in jedem Moment durch die neue Freiheit, die ſich neben der alten zu regen be- ginnt, an allen Stellen erneuert und eben da- durch erhalten wird. Anſtatt dieſer lebendigen Idee des Vertrages aller Vertraͤge, ward von den Apoſteln des contrât social und des com- mon-sense, ein beſtimmter Contract zwiſchen

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/240>, abgerufen am 18.05.2024.