lebt und wächst auch, in beständiger Verbindung und Wechselwirkung mit ihr, das große Capital, dessen sie zu ihren immer größeren Geschäften bedarf. Welche doppelte Thorheit also, 1) die- ses große Capital, wie es in der Französischen Revolution geschehen ist und noch gegenwärtig in unsern meisten Staats-Theorieen geschieht, für ein Object des Eigenthums der Generation zu halten, die gerade jetzt auf der Erde verweilt; 2) dieses Eigenthum als ein einseitiges zu betrach- ten, so, als ob dieses Capital dem Menschen unterworfen wäre, der Mensch aber seines Or- tes nicht wieder dem Capitale!
So nun entsteht, wenn man die wahre Na- tur des Eigenthums betrachtet, ein durchaus per- sönliches Verhältniß zwischen dem Grundbesitzer und seinem Grundstück, zwischen dem Capitali- sten und seinem Capital, zwischen dem Eigen- thümer und seinem Eigenthum. Jedes Eigen- thum wächst und entwickelt sich unter unsern Augen, wie ein lebendiger Mensch; es ist keines- weges unsrer unbedingten und unbeschränkten Willkühr unterworfen, es hat seine eigne Natur, seine Freiheit, sein Recht -- welche wir respecti- ren müssen, wenn wir es gebrauchen wollen, wenn wir durch die Vereinigung mit ihm etwas erzeugen wollen, Ernten, Zinsen, oder auch nur
lebt und waͤchſt auch, in beſtaͤndiger Verbindung und Wechſelwirkung mit ihr, das große Capital, deſſen ſie zu ihren immer groͤßeren Geſchaͤften bedarf. Welche doppelte Thorheit alſo, 1) die- ſes große Capital, wie es in der Franzoͤſiſchen Revolution geſchehen iſt und noch gegenwaͤrtig in unſern meiſten Staats-Theorieen geſchieht, fuͤr ein Object des Eigenthums der Generation zu halten, die gerade jetzt auf der Erde verweilt; 2) dieſes Eigenthum als ein einſeitiges zu betrach- ten, ſo, als ob dieſes Capital dem Menſchen unterworfen waͤre, der Menſch aber ſeines Or- tes nicht wieder dem Capitale!
So nun entſteht, wenn man die wahre Na- tur des Eigenthums betrachtet, ein durchaus per- ſoͤnliches Verhaͤltniß zwiſchen dem Grundbeſitzer und ſeinem Grundſtuͤck, zwiſchen dem Capitali- ſten und ſeinem Capital, zwiſchen dem Eigen- thuͤmer und ſeinem Eigenthum. Jedes Eigen- thum waͤchſt und entwickelt ſich unter unſern Augen, wie ein lebendiger Menſch; es iſt keines- weges unſrer unbedingten und unbeſchraͤnkten Willkuͤhr unterworfen, es hat ſeine eigne Natur, ſeine Freiheit, ſein Recht — welche wir reſpecti- ren muͤſſen, wenn wir es gebrauchen wollen, wenn wir durch die Vereinigung mit ihm etwas erzeugen wollen, Ernten, Zinſen, oder auch nur
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lebt und waͤchſt auch, in beſtaͤndiger Verbindung
und Wechſelwirkung mit ihr, das große Capital,
deſſen ſie zu ihren immer groͤßeren Geſchaͤften
bedarf. Welche doppelte Thorheit alſo, 1) die-
ſes große Capital, wie es in der Franzoͤſiſchen
Revolution geſchehen iſt und noch gegenwaͤrtig
in unſern meiſten Staats-Theorieen geſchieht,
fuͤr ein Object des Eigenthums der Generation
zu halten, die gerade jetzt auf der Erde verweilt;
2) dieſes Eigenthum als ein einſeitiges zu betrach-
ten, ſo, als ob dieſes Capital dem Menſchen
unterworfen waͤre, der Menſch aber ſeines Or-
tes nicht wieder dem Capitale!
So nun entſteht, wenn man die wahre Na-
tur des Eigenthums betrachtet, ein durchaus per-
ſoͤnliches Verhaͤltniß zwiſchen dem Grundbeſitzer
und ſeinem Grundſtuͤck, zwiſchen dem Capitali-
ſten und ſeinem Capital, zwiſchen dem Eigen-
thuͤmer und ſeinem Eigenthum. Jedes Eigen-
thum waͤchſt und entwickelt ſich unter unſern
Augen, wie ein lebendiger Menſch; es iſt keines-
weges unſrer unbedingten und unbeſchraͤnkten
Willkuͤhr unterworfen, es hat ſeine eigne Natur,
ſeine Freiheit, ſein Recht — welche wir reſpecti-
ren muͤſſen, wenn wir es gebrauchen wollen,
wenn wir durch die Vereinigung mit ihm etwas
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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