ganze mit der Scheere des Begriffes in öffentliches und Privatleben, in Civil und Mili- tair zerschnittene und zersplitterte bürgerliche Wesen de facto aufgelös't? Die innere Her- zenskraft der Unterthanen soll nun dem Staate beispringen, alles soll der Bürger nun einem Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande seyn!
Aber wo oder was ist denn dieses Ganze? -- Der Geist der Bürger? Der ist schon im Dienste der Wissenschaften engagirt; und was ha- ben die Wissenschaften mit dem Staat und seinen Kriegen zu thun! Die Wissenschaften sind Ein- für allemal neutral, sind, heißt es, Gemeingut der Menschheit, und was dergleichen schlaffe, sogenannte philanthropische Phrasen mehr sind. -- Das Herz der Bürger, ihre Neigung, ihr Gefühl? Das alles steht im Dienst einer seich- ten, nichtswürdigen Häuslichkeit, treibt ein arm- seliges Dilettantenwesen mit den schönen Kün- sten und andren zur eleganten Bildung gehörigen Dingen. -- Alles, was der Staat braucht -- denn die stehenden Armeen und die Waffenvorräthe sind das Wenigste --, ist, mit Bewilligung des Staates und der Theorie, anderweitige Verbind- lichkeiten eingegangen, -- und über ihre kostbar- sten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-
ganze mit der Scheere des Begriffes in oͤffentliches und Privatleben, in Civil und Mili- tair zerſchnittene und zerſplitterte buͤrgerliche Weſen de facto aufgeloͤſ’t? Die innere Her- zenskraft der Unterthanen ſoll nun dem Staate beiſpringen, alles ſoll der Buͤrger nun einem Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande ſeyn!
Aber wo oder was iſt denn dieſes Ganze? — Der Geiſt der Buͤrger? Der iſt ſchon im Dienſte der Wiſſenſchaften engagirt; und was ha- ben die Wiſſenſchaften mit dem Staat und ſeinen Kriegen zu thun! Die Wiſſenſchaften ſind Ein- fuͤr allemal neutral, ſind, heißt es, Gemeingut der Menſchheit, und was dergleichen ſchlaffe, ſogenannte philanthropiſche Phraſen mehr ſind. — Das Herz der Buͤrger, ihre Neigung, ihr Gefuͤhl? Das alles ſteht im Dienſt einer ſeich- ten, nichtswuͤrdigen Haͤuslichkeit, treibt ein arm- ſeliges Dilettantenweſen mit den ſchoͤnen Kuͤn- ſten und andren zur eleganten Bildung gehoͤrigen Dingen. — Alles, was der Staat braucht — denn die ſtehenden Armeen und die Waffenvorraͤthe ſind das Wenigſte —, iſt, mit Bewilligung des Staates und der Theorie, anderweitige Verbind- lichkeiten eingegangen, — und uͤber ihre koſtbar- ſten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-
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ganze mit der Scheere des Begriffes in
oͤffentliches und Privatleben, in Civil und Mili-
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Weſen de facto aufgeloͤſ’t? Die innere Her-
zenskraft der Unterthanen ſoll nun dem Staate
beiſpringen, alles ſoll der Buͤrger nun einem
Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande
ſeyn!
Aber wo oder was iſt denn dieſes Ganze?
— Der Geiſt der Buͤrger? Der iſt ſchon im
Dienſte der Wiſſenſchaften engagirt; und was ha-
ben die Wiſſenſchaften mit dem Staat und ſeinen
Kriegen zu thun! Die Wiſſenſchaften ſind Ein-
fuͤr allemal neutral, ſind, heißt es, Gemeingut
der Menſchheit, und was dergleichen ſchlaffe,
ſogenannte philanthropiſche Phraſen mehr ſind.
— Das Herz der Buͤrger, ihre Neigung, ihr
Gefuͤhl? Das alles ſteht im Dienſt einer ſeich-
ten, nichtswuͤrdigen Haͤuslichkeit, treibt ein arm-
ſeliges Dilettantenweſen mit den ſchoͤnen Kuͤn-
ſten und andren zur eleganten Bildung gehoͤrigen
Dingen. — Alles, was der Staat braucht — denn
die ſtehenden Armeen und die Waffenvorraͤthe
ſind das Wenigſte —, iſt, mit Bewilligung des
Staates und der Theorie, anderweitige Verbind-
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ſten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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