Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ten und um gefährliche Ungleichheiten auszu-
gleichen. Die Geistlichkeit hätte die große Be-
stimmung, 1) die Staaten unter einander zu
verknüpfen; 2) in den einzelnen Staaten das un-
scheinbarste und ärmste Leben unaufhörlich wie-
der an die Gesellschaft und ihren höchsten Gip-
fel anzureihen, alle ausschweifende Größe durch
die Macht der Idee wieder in die gerechte Bahn
zurückzuführen und endlich den Geist einer ge-
wissen sittlichen Gleichheit und christlichen Gegen-
seitigkeit in allen bürgerlichen Verhältnissen auf-
recht zu erhalten. --

So viel ist gewiß: soll die Geistlichkeit als
wahrer erster Stand dem Staate dienen; soll sie
nicht bloß eine unsichtbare Polizei (wie nach
neueren sogenannten katholischen Ansichten), oder
ein undisciplinirtes Heer ökonomischer, medici-
nischer, juristischer und moralischer Noth- und
Hülfs-Freunde (wie nach neueren sogenannten
protestantischen Ansichten), vorstellen: so muß sie
reich dotirt, über alle kleinen, nichtswürdigen
Sorgen des Lebens erhoben, zu freier Entbeh-
rung und freier Mittheilung irdischer Güter in
Stand gesetzt und auch mit hinreichender Macht
versehen seyn, um in die wankende Schale ir-
gend eines unterdrückten, aber nothwendigen Ele-
mentes des Staates ein wirkliches Gewicht hin-

ten und um gefaͤhrliche Ungleichheiten auszu-
gleichen. Die Geiſtlichkeit haͤtte die große Be-
ſtimmung, 1) die Staaten unter einander zu
verknuͤpfen; 2) in den einzelnen Staaten das un-
ſcheinbarſte und aͤrmſte Leben unaufhoͤrlich wie-
der an die Geſellſchaft und ihren hoͤchſten Gip-
fel anzureihen, alle ausſchweifende Groͤße durch
die Macht der Idee wieder in die gerechte Bahn
zuruͤckzufuͤhren und endlich den Geiſt einer ge-
wiſſen ſittlichen Gleichheit und chriſtlichen Gegen-
ſeitigkeit in allen buͤrgerlichen Verhaͤltniſſen auf-
recht zu erhalten. —

So viel iſt gewiß: ſoll die Geiſtlichkeit als
wahrer erſter Stand dem Staate dienen; ſoll ſie
nicht bloß eine unſichtbare Polizei (wie nach
neueren ſogenannten katholiſchen Anſichten), oder
ein undisciplinirtes Heer oͤkonomiſcher, medici-
niſcher, juriſtiſcher und moraliſcher Noth- und
Huͤlfs-Freunde (wie nach neueren ſogenannten
proteſtantiſchen Anſichten), vorſtellen: ſo muß ſie
reich dotirt, uͤber alle kleinen, nichtswuͤrdigen
Sorgen des Lebens erhoben, zu freier Entbeh-
rung und freier Mittheilung irdiſcher Guͤter in
Stand geſetzt und auch mit hinreichender Macht
verſehen ſeyn, um in die wankende Schale ir-
gend eines unterdruͤckten, aber nothwendigen Ele-
mentes des Staates ein wirkliches Gewicht hin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0114" n="106"/>
ten und um gefa&#x0364;hrliche Ungleichheiten auszu-<lb/>
gleichen. Die Gei&#x017F;tlichkeit ha&#x0364;tte die große Be-<lb/>
&#x017F;timmung, 1) die Staaten unter einander zu<lb/>
verknu&#x0364;pfen; 2) in den einzelnen Staaten das un-<lb/>
&#x017F;cheinbar&#x017F;te und a&#x0364;rm&#x017F;te Leben unaufho&#x0364;rlich wie-<lb/>
der an die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und ihren ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gip-<lb/>
fel anzureihen, alle aus&#x017F;chweifende Gro&#x0364;ße durch<lb/>
die Macht der Idee wieder in die gerechte Bahn<lb/>
zuru&#x0364;ckzufu&#x0364;hren und endlich den Gei&#x017F;t einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ittlichen Gleichheit und chri&#x017F;tlichen Gegen-<lb/>
&#x017F;eitigkeit in allen bu&#x0364;rgerlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en auf-<lb/>
recht zu erhalten. &#x2014;</p><lb/>
            <p>So viel i&#x017F;t gewiß: &#x017F;oll die Gei&#x017F;tlichkeit als<lb/>
wahrer er&#x017F;ter Stand dem Staate dienen; &#x017F;oll &#x017F;ie<lb/>
nicht bloß eine un&#x017F;ichtbare Polizei (wie nach<lb/>
neueren &#x017F;ogenannten katholi&#x017F;chen An&#x017F;ichten), oder<lb/>
ein undisciplinirtes Heer o&#x0364;konomi&#x017F;cher, medici-<lb/>
ni&#x017F;cher, juri&#x017F;ti&#x017F;cher und morali&#x017F;cher Noth- und<lb/>
Hu&#x0364;lfs-Freunde (wie nach neueren &#x017F;ogenannten<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;chen An&#x017F;ichten), vor&#x017F;tellen: &#x017F;o muß &#x017F;ie<lb/>
reich dotirt, u&#x0364;ber alle kleinen, nichtswu&#x0364;rdigen<lb/>
Sorgen des Lebens erhoben, zu freier Entbeh-<lb/>
rung und freier Mittheilung irdi&#x017F;cher Gu&#x0364;ter in<lb/>
Stand ge&#x017F;etzt und auch mit hinreichender Macht<lb/>
ver&#x017F;ehen &#x017F;eyn, um in die wankende Schale ir-<lb/>
gend eines unterdru&#x0364;ckten, aber nothwendigen Ele-<lb/>
mentes des Staates ein wirkliches Gewicht hin-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0114] ten und um gefaͤhrliche Ungleichheiten auszu- gleichen. Die Geiſtlichkeit haͤtte die große Be- ſtimmung, 1) die Staaten unter einander zu verknuͤpfen; 2) in den einzelnen Staaten das un- ſcheinbarſte und aͤrmſte Leben unaufhoͤrlich wie- der an die Geſellſchaft und ihren hoͤchſten Gip- fel anzureihen, alle ausſchweifende Groͤße durch die Macht der Idee wieder in die gerechte Bahn zuruͤckzufuͤhren und endlich den Geiſt einer ge- wiſſen ſittlichen Gleichheit und chriſtlichen Gegen- ſeitigkeit in allen buͤrgerlichen Verhaͤltniſſen auf- recht zu erhalten. — So viel iſt gewiß: ſoll die Geiſtlichkeit als wahrer erſter Stand dem Staate dienen; ſoll ſie nicht bloß eine unſichtbare Polizei (wie nach neueren ſogenannten katholiſchen Anſichten), oder ein undisciplinirtes Heer oͤkonomiſcher, medici- niſcher, juriſtiſcher und moraliſcher Noth- und Huͤlfs-Freunde (wie nach neueren ſogenannten proteſtantiſchen Anſichten), vorſtellen: ſo muß ſie reich dotirt, uͤber alle kleinen, nichtswuͤrdigen Sorgen des Lebens erhoben, zu freier Entbeh- rung und freier Mittheilung irdiſcher Guͤter in Stand geſetzt und auch mit hinreichender Macht verſehen ſeyn, um in die wankende Schale ir- gend eines unterdruͤckten, aber nothwendigen Ele- mentes des Staates ein wirkliches Gewicht hin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/114
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/114>, abgerufen am 21.11.2024.