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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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beleben und für alle Folgezeit zu verbinden im
Stande ist, anstatt mit politischer Metaphysik
oder mit den Waffen, ganz neue völlig unhalt-
bare Staaten zu construiren --; kurz, daß eine
unzerstörbare Garantie für das Wesen der In-
stitute des Mittelalters möglich geworden, und
daß die Idee von der Gegenseitigkeit aller Ver-
hältnisse des Lebens, welche einzige Basis alles
Rechtszustandes Christus zeigte und das Mittel-
alter empfand, -- daß diese Idee nun auch vom
Verstande in ihrer einzigen Erhabenheit erkannt
werden konnte --: das ist der höchste Gewinn
von den letzten drei Jahrhunderten der großen
Prüfung, welche die Natur über uns verhängte,
und aller der vielfältigen immer vereitelten Hab-
und Wißsucht dieser Zeit.

Sich und den Andern, oder den Nächsten,
wie sich Christus ausdrückte, zugleich lieben und
erwägen: das ist die Grund-Maxime des Lebens
und der Staats-Philosophie; den eignen Stand
in dem andern, die Bürgerlichkeit in und neben
dem Adel lieben und erwägen: das ist die richtige
Anwendung, die wir davon gemacht haben. --

Die Deutschen Politiker und Historiker sind
noch heut zu Tage -- einige wenige Ausnahmen
kennt Jedermann -- der innerlichen Ueberzeu-
gung, daß Römisches Recht, reines Einkommen

beleben und fuͤr alle Folgezeit zu verbinden im
Stande iſt, anſtatt mit politiſcher Metaphyſik
oder mit den Waffen, ganz neue voͤllig unhalt-
bare Staaten zu conſtruiren —; kurz, daß eine
unzerſtoͤrbare Garantie fuͤr das Weſen der In-
ſtitute des Mittelalters moͤglich geworden, und
daß die Idee von der Gegenſeitigkeit aller Ver-
haͤltniſſe des Lebens, welche einzige Baſis alles
Rechtszuſtandes Chriſtus zeigte und das Mittel-
alter empfand, — daß dieſe Idee nun auch vom
Verſtande in ihrer einzigen Erhabenheit erkannt
werden konnte —: das iſt der hoͤchſte Gewinn
von den letzten drei Jahrhunderten der großen
Pruͤfung, welche die Natur uͤber uns verhaͤngte,
und aller der vielfaͤltigen immer vereitelten Hab-
und Wißſucht dieſer Zeit.

Sich und den Andern, oder den Naͤchſten,
wie ſich Chriſtus ausdruͤckte, zugleich lieben und
erwaͤgen: das iſt die Grund-Maxime des Lebens
und der Staats-Philoſophie; den eignen Stand
in dem andern, die Buͤrgerlichkeit in und neben
dem Adel lieben und erwaͤgen: das iſt die richtige
Anwendung, die wir davon gemacht haben. —

Die Deutſchen Politiker und Hiſtoriker ſind
noch heut zu Tage — einige wenige Ausnahmen
kennt Jedermann — der innerlichen Ueberzeu-
gung, daß Roͤmiſches Recht, reines Einkommen

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[136/0144] beleben und fuͤr alle Folgezeit zu verbinden im Stande iſt, anſtatt mit politiſcher Metaphyſik oder mit den Waffen, ganz neue voͤllig unhalt- bare Staaten zu conſtruiren —; kurz, daß eine unzerſtoͤrbare Garantie fuͤr das Weſen der In- ſtitute des Mittelalters moͤglich geworden, und daß die Idee von der Gegenſeitigkeit aller Ver- haͤltniſſe des Lebens, welche einzige Baſis alles Rechtszuſtandes Chriſtus zeigte und das Mittel- alter empfand, — daß dieſe Idee nun auch vom Verſtande in ihrer einzigen Erhabenheit erkannt werden konnte —: das iſt der hoͤchſte Gewinn von den letzten drei Jahrhunderten der großen Pruͤfung, welche die Natur uͤber uns verhaͤngte, und aller der vielfaͤltigen immer vereitelten Hab- und Wißſucht dieſer Zeit. Sich und den Andern, oder den Naͤchſten, wie ſich Chriſtus ausdruͤckte, zugleich lieben und erwaͤgen: das iſt die Grund-Maxime des Lebens und der Staats-Philoſophie; den eignen Stand in dem andern, die Buͤrgerlichkeit in und neben dem Adel lieben und erwaͤgen: das iſt die richtige Anwendung, die wir davon gemacht haben. — Die Deutſchen Politiker und Hiſtoriker ſind noch heut zu Tage — einige wenige Ausnahmen kennt Jedermann — der innerlichen Ueberzeu- gung, daß Roͤmiſches Recht, reines Einkommen

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/144>, abgerufen am 21.11.2024.