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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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ler Art diese Privat-Kräfte erschöpfen, so be-
ginnt, sage ich, die wahre Regeneration des
Staates: alles bisherige Finanzwesen hat auf
einem gemeinen Privat-Contract beruhet; das
sogenannte Volk hat seiner Regierung die Auf-
rechthaltung der Ordnung verpachtet, wie man
in großen Städten gewisse Polizei-Geschafte,
Reinigung der Straßen, Erleuchtung u. s. w.
dem Mindest-Begehrenden in Pacht giebt; die
Regierung hat es übernommen, für eine gewisse
Summe ihr zu zahlender Steuern, die erforder-
lichen Armeen, Beamten, Festungen, Gesetze u.
s. w. zu liefern. Kann sie die Ausgaben nicht
bestreiten, so muß sie entweder Schulden ma-
chen, oder eigenmächtig neue Steuern ansetzen,
(was ihr schon als Ungerechtigkeit angerechnet
wird), oder sie muß etats generaux berufen,
um einen neuen Contract abzuschließen, wobei
sie riskirt, was in Frankreich geschehen ist. --
Der Staat geräth in eine furchtbare Krisis, die
vernichtend, aber auch segensreich, für ihn aus-
schlagen kann: entweder wird National-Reich-
thum und National-Recht von Grund aus zer-
stört, wie es in Frankreich der Fall war; oder
die Noth bindet das vorher geschiedene Interesse
von Suverän und Volk: der Zusammenhang
aller Glieder des Staates, die Ganzheit dessel-

ler Art dieſe Privat-Kraͤfte erſchoͤpfen, ſo be-
ginnt, ſage ich, die wahre Regeneration des
Staates: alles bisherige Finanzweſen hat auf
einem gemeinen Privat-Contract beruhet; das
ſogenannte Volk hat ſeiner Regierung die Auf-
rechthaltung der Ordnung verpachtet, wie man
in großen Staͤdten gewiſſe Polizei-Geſchafte,
Reinigung der Straßen, Erleuchtung u. ſ. w.
dem Mindeſt-Begehrenden in Pacht giebt; die
Regierung hat es uͤbernommen, fuͤr eine gewiſſe
Summe ihr zu zahlender Steuern, die erforder-
lichen Armeen, Beamten, Feſtungen, Geſetze u.
ſ. w. zu liefern. Kann ſie die Ausgaben nicht
beſtreiten, ſo muß ſie entweder Schulden ma-
chen, oder eigenmaͤchtig neue Steuern anſetzen,
(was ihr ſchon als Ungerechtigkeit angerechnet
wird), oder ſie muß états généraux berufen,
um einen neuen Contract abzuſchließen, wobei
ſie riskirt, was in Frankreich geſchehen iſt. —
Der Staat geraͤth in eine furchtbare Kriſis, die
vernichtend, aber auch ſegensreich, fuͤr ihn aus-
ſchlagen kann: entweder wird National-Reich-
thum und National-Recht von Grund aus zer-
ſtoͤrt, wie es in Frankreich der Fall war; oder
die Noth bindet das vorher geſchiedene Intereſſe
von Suveraͤn und Volk: der Zuſammenhang
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[365/0373] ler Art dieſe Privat-Kraͤfte erſchoͤpfen, ſo be- ginnt, ſage ich, die wahre Regeneration des Staates: alles bisherige Finanzweſen hat auf einem gemeinen Privat-Contract beruhet; das ſogenannte Volk hat ſeiner Regierung die Auf- rechthaltung der Ordnung verpachtet, wie man in großen Staͤdten gewiſſe Polizei-Geſchafte, Reinigung der Straßen, Erleuchtung u. ſ. w. dem Mindeſt-Begehrenden in Pacht giebt; die Regierung hat es uͤbernommen, fuͤr eine gewiſſe Summe ihr zu zahlender Steuern, die erforder- lichen Armeen, Beamten, Feſtungen, Geſetze u. ſ. w. zu liefern. Kann ſie die Ausgaben nicht beſtreiten, ſo muß ſie entweder Schulden ma- chen, oder eigenmaͤchtig neue Steuern anſetzen, (was ihr ſchon als Ungerechtigkeit angerechnet wird), oder ſie muß états généraux berufen, um einen neuen Contract abzuſchließen, wobei ſie riskirt, was in Frankreich geſchehen iſt. — Der Staat geraͤth in eine furchtbare Kriſis, die vernichtend, aber auch ſegensreich, fuͤr ihn aus- ſchlagen kann: entweder wird National-Reich- thum und National-Recht von Grund aus zer- ſtoͤrt, wie es in Frankreich der Fall war; oder die Noth bindet das vorher geſchiedene Intereſſe von Suveraͤn und Volk: der Zuſammenhang aller Glieder des Staates, die Ganzheit deſſel-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/373>, abgerufen am 24.11.2024.