Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



guten Gesinnungen und Thaten zu beweisen, unumgäng-
lich nothwendig sind.

Ehe Sie vom Christenthum überzeugt waren,
untersuchten wir Jhren moralischen Zustand: lassen Sie
uns nun, da Sie ein Christ sind, diese Untersuchung wie-
derhohlen. Damals war meine Absicht die, Jhr Gewissen
unruhig, und nach dem Troste der Religion dadurch be-
gierig zu machen: itzt ist es diese, beurtheilen zu können,
ob Sie fähig sind, die Tröstungen des Evangelii auf sich
anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, sie
wird durch die Erinnerung an die durch Christum offen-
bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann-
ten, verstärkt werden. Und diese Reue darf Sie auch
nie verlassen, so lange Sie leben. Sie wird aber nun
nicht mehr eine erschütternde ängstliche Empfindung seyn,
denn Sie wissen itzt schon, wo Sie Vergebung der
Sünde finden werden.

Jch stellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun
darauf ankäme, wie er sich in dieser Untersuchung finden
würde, ob und was für Hoffnungen er zu Gott fassen
dürfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die
ich dabey für nöthig hielte, und ich bäte ihn mir dieselben
aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die
Gefahr setzte, ihm falsche Hoffnungen zu machen, und
sich selbst, sich einer ungegründeten Beruhigung zu über-
lassen. Zugleich ersuchte ich ihn, mir seine Antworten
in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hause mit Nachden-
ken über die Beschaffenheit seiner Gesinnungen urtheilen,
und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii
nicht übereinstimmendes fände, auf Mittel denken könnte,
es zu verbessern. Er versprach mir heilig, daß er mir
sein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten
auf meine Fragen sind ganz genau seine eignen Worte.

Jst



guten Geſinnungen und Thaten zu beweiſen, unumgaͤng-
lich nothwendig ſind.

Ehe Sie vom Chriſtenthum uͤberzeugt waren,
unterſuchten wir Jhren moraliſchen Zuſtand: laſſen Sie
uns nun, da Sie ein Chriſt ſind, dieſe Unterſuchung wie-
derhohlen. Damals war meine Abſicht die, Jhr Gewiſſen
unruhig, und nach dem Troſte der Religion dadurch be-
gierig zu machen: itzt iſt es dieſe, beurtheilen zu koͤnnen,
ob Sie faͤhig ſind, die Troͤſtungen des Evangelii auf ſich
anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, ſie
wird durch die Erinnerung an die durch Chriſtum offen-
bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann-
ten, verſtaͤrkt werden. Und dieſe Reue darf Sie auch
nie verlaſſen, ſo lange Sie leben. Sie wird aber nun
nicht mehr eine erſchuͤtternde aͤngſtliche Empfindung ſeyn,
denn Sie wiſſen itzt ſchon, wo Sie Vergebung der
Suͤnde finden werden.

Jch ſtellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun
darauf ankaͤme, wie er ſich in dieſer Unterſuchung finden
wuͤrde, ob und was fuͤr Hoffnungen er zu Gott faſſen
duͤrfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die
ich dabey fuͤr noͤthig hielte, und ich baͤte ihn mir dieſelben
aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die
Gefahr ſetzte, ihm falſche Hoffnungen zu machen, und
ſich ſelbſt, ſich einer ungegruͤndeten Beruhigung zu uͤber-
laſſen. Zugleich erſuchte ich ihn, mir ſeine Antworten
in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hauſe mit Nachden-
ken uͤber die Beſchaffenheit ſeiner Geſinnungen urtheilen,
und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii
nicht uͤbereinſtimmendes faͤnde, auf Mittel denken koͤnnte,
es zu verbeſſern. Er verſprach mir heilig, daß er mir
ſein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten
auf meine Fragen ſind ganz genau ſeine eignen Worte.

Jſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0196" n="184"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
guten Ge&#x017F;innungen und Thaten zu bewei&#x017F;en, unumga&#x0364;ng-<lb/>
lich nothwendig &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Ehe Sie vom Chri&#x017F;tenthum u&#x0364;berzeugt waren,<lb/>
unter&#x017F;uchten wir Jhren morali&#x017F;chen Zu&#x017F;tand: la&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
uns nun, da Sie ein Chri&#x017F;t &#x017F;ind, die&#x017F;e Unter&#x017F;uchung wie-<lb/>
derhohlen. Damals war meine Ab&#x017F;icht die, Jhr Gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
unruhig, und nach dem Tro&#x017F;te der Religion dadurch be-<lb/>
gierig zu machen: itzt i&#x017F;t es die&#x017F;e, beurtheilen zu ko&#x0364;nnen,<lb/>
ob Sie fa&#x0364;hig &#x017F;ind, die Tro&#x0364;&#x017F;tungen des Evangelii auf &#x017F;ich<lb/>
anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, &#x017F;ie<lb/>
wird durch die Erinnerung an die durch Chri&#x017F;tum offen-<lb/>
bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann-<lb/>
ten, ver&#x017F;ta&#x0364;rkt werden. Und die&#x017F;e Reue darf Sie auch<lb/>
nie verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o lange Sie leben. Sie wird aber nun<lb/>
nicht mehr eine er&#x017F;chu&#x0364;tternde a&#x0364;ng&#x017F;tliche Empfindung &#x017F;eyn,<lb/>
denn Sie wi&#x017F;&#x017F;en itzt &#x017F;chon, wo Sie Vergebung der<lb/>
Su&#x0364;nde finden werden.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;tellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun<lb/>
darauf anka&#x0364;me, wie er &#x017F;ich in die&#x017F;er Unter&#x017F;uchung finden<lb/>
wu&#x0364;rde, ob und was fu&#x0364;r Hoffnungen er zu Gott fa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
du&#x0364;rfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die<lb/>
ich dabey fu&#x0364;r no&#x0364;thig hielte, und ich ba&#x0364;te ihn mir die&#x017F;elben<lb/>
aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die<lb/>
Gefahr &#x017F;etzte, ihm fal&#x017F;che Hoffnungen zu machen, und<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ich einer ungegru&#x0364;ndeten Beruhigung zu u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Zugleich er&#x017F;uchte ich ihn, mir &#x017F;eine Antworten<lb/>
in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hau&#x017F;e mit Nachden-<lb/>
ken u&#x0364;ber die Be&#x017F;chaffenheit &#x017F;einer Ge&#x017F;innungen urtheilen,<lb/>
und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii<lb/>
nicht u&#x0364;berein&#x017F;timmendes fa&#x0364;nde, auf Mittel denken ko&#x0364;nnte,<lb/>
es zu verbe&#x017F;&#x017F;ern. Er ver&#x017F;prach mir heilig, daß er mir<lb/>
&#x017F;ein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten<lb/>
auf meine Fragen &#x017F;ind ganz genau &#x017F;eine eignen Worte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">J&#x017F;t</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0196] guten Geſinnungen und Thaten zu beweiſen, unumgaͤng- lich nothwendig ſind. Ehe Sie vom Chriſtenthum uͤberzeugt waren, unterſuchten wir Jhren moraliſchen Zuſtand: laſſen Sie uns nun, da Sie ein Chriſt ſind, dieſe Unterſuchung wie- derhohlen. Damals war meine Abſicht die, Jhr Gewiſſen unruhig, und nach dem Troſte der Religion dadurch be- gierig zu machen: itzt iſt es dieſe, beurtheilen zu koͤnnen, ob Sie faͤhig ſind, die Troͤſtungen des Evangelii auf ſich anzuwenden. Jhre Reue wird dadurch erneuert, ſie wird durch die Erinnerung an die durch Chriſtum offen- bahrte Liebe Gottes, die Sie damals noch nicht erkann- ten, verſtaͤrkt werden. Und dieſe Reue darf Sie auch nie verlaſſen, ſo lange Sie leben. Sie wird aber nun nicht mehr eine erſchuͤtternde aͤngſtliche Empfindung ſeyn, denn Sie wiſſen itzt ſchon, wo Sie Vergebung der Suͤnde finden werden. Jch ſtellte hierauf dem Grafen vor, daß es nun darauf ankaͤme, wie er ſich in dieſer Unterſuchung finden wuͤrde, ob und was fuͤr Hoffnungen er zu Gott faſſen duͤrfe. Jch wollte ihm diejenigen Fragen vorlegen, die ich dabey fuͤr noͤthig hielte, und ich baͤte ihn mir dieſelben aufrichtig zu beantworten, damit er mich nicht in die Gefahr ſetzte, ihm falſche Hoffnungen zu machen, und ſich ſelbſt, ſich einer ungegruͤndeten Beruhigung zu uͤber- laſſen. Zugleich erſuchte ich ihn, mir ſeine Antworten in die Feder zu dictiren, damit ich zu Hauſe mit Nachden- ken uͤber die Beſchaffenheit ſeiner Geſinnungen urtheilen, und wo ich noch etwas mit dem Sinne des Evangelii nicht uͤbereinſtimmendes faͤnde, auf Mittel denken koͤnnte, es zu verbeſſern. Er verſprach mir heilig, daß er mir ſein Herz ganz entdecken wolle, und folgende Antworten auf meine Fragen ſind ganz genau ſeine eignen Worte. Jſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/196
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/196>, abgerufen am 21.11.2024.