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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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ich einen jungen Mann, einen Christen, was er werden
wolle. "Ein großer Staatsmann wie Ito", war die
verblüffende Antwort. Japans Staatsmänner von heute
haben sich fast alle aus einfachen Samuraiverhältnissen
emporgeschwungen; warum, so denken die jungen Leute,
soll das uns nicht auch gelingen? Mein christlicher
Freund ist heute Evangelist in einer Stadt Central-
japans. Er hat einen schweren, aber schönen Wirkungs-
kreis; er hat ein auskömmliches Gehalt, und Frau und
Kind schaffen ihm eine schöne Häuslichkeit. Er braucht
heute seinen stolzen Plänen nicht mehr nachzuweinen
und darf froh sein, daß ihm das Los so lieblich ge-
fallen ist. Denn nicht allen wird es so gut; viele fühlen
sich berufen, aber wenige nur sind auserwählt. Weit-
aus die meisten sinken zu sogenannten Soshi herab,
zu politischen Parteigängern, welche im Dienste einer
Persönlichkeit oder einer Partei oder der Regierung
selbst die Politik mit Faustschlägen, Knütteln und
Schwertern machen.

Die Soshi sind eine japanische Eigentümlichkeit,
verkrachte Existenzen, die nichts zu verlieren haben.
In gewissem Sinne dürfen sie die Anarchisten Japans
genannt werden. Die Fremden thun gut daran, ihnen
aus dem Wege zu gehen. Ihre Ausrottung ist bis
heute noch nicht gelungen. Es giebt freilich nicht wenige
Leute, welche behaupten, es sei der Regierung nicht
ernst mit ihrer Vernichtung, da sie selbst manchmal in
die Lage komme, sich ihrer zu bedienen.

Die Soshi sind auch die Demagogen, welche die
Politik in die Massen hineintragen. Die politische
Agitation ist bedeutender als in unsern Landen. Im
Lohndienst der Parteien ziehen die Soshi im Lande
umher zu politischen Versammlungen, und auch an dem

11*

ich einen jungen Mann, einen Chriſten, was er werden
wolle. „Ein großer Staatsmann wie Ito“, war die
verblüffende Antwort. Japans Staatsmänner von heute
haben ſich faſt alle aus einfachen Samuraiverhältniſſen
emporgeſchwungen; warum, ſo denken die jungen Leute,
ſoll das uns nicht auch gelingen? Mein chriſtlicher
Freund iſt heute Evangeliſt in einer Stadt Central-
japans. Er hat einen ſchweren, aber ſchönen Wirkungs-
kreis; er hat ein auskömmliches Gehalt, und Frau und
Kind ſchaffen ihm eine ſchöne Häuslichkeit. Er braucht
heute ſeinen ſtolzen Plänen nicht mehr nachzuweinen
und darf froh ſein, daß ihm das Los ſo lieblich ge-
fallen iſt. Denn nicht allen wird es ſo gut; viele fühlen
ſich berufen, aber wenige nur ſind auserwählt. Weit-
aus die meiſten ſinken zu ſogenannten Soſhi herab,
zu politiſchen Parteigängern, welche im Dienſte einer
Perſönlichkeit oder einer Partei oder der Regierung
ſelbſt die Politik mit Fauſtſchlägen, Knütteln und
Schwertern machen.

Die Soſhi ſind eine japaniſche Eigentümlichkeit,
verkrachte Exiſtenzen, die nichts zu verlieren haben.
In gewiſſem Sinne dürfen ſie die Anarchiſten Japans
genannt werden. Die Fremden thun gut daran, ihnen
aus dem Wege zu gehen. Ihre Ausrottung iſt bis
heute noch nicht gelungen. Es giebt freilich nicht wenige
Leute, welche behaupten, es ſei der Regierung nicht
ernſt mit ihrer Vernichtung, da ſie ſelbſt manchmal in
die Lage komme, ſich ihrer zu bedienen.

Die Soſhi ſind auch die Demagogen, welche die
Politik in die Maſſen hineintragen. Die politiſche
Agitation iſt bedeutender als in unſern Landen. Im
Lohndienſt der Parteien ziehen die Soſhi im Lande
umher zu politiſchen Verſammlungen, und auch an dem

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[163/0177] ich einen jungen Mann, einen Chriſten, was er werden wolle. „Ein großer Staatsmann wie Ito“, war die verblüffende Antwort. Japans Staatsmänner von heute haben ſich faſt alle aus einfachen Samuraiverhältniſſen emporgeſchwungen; warum, ſo denken die jungen Leute, ſoll das uns nicht auch gelingen? Mein chriſtlicher Freund iſt heute Evangeliſt in einer Stadt Central- japans. Er hat einen ſchweren, aber ſchönen Wirkungs- kreis; er hat ein auskömmliches Gehalt, und Frau und Kind ſchaffen ihm eine ſchöne Häuslichkeit. Er braucht heute ſeinen ſtolzen Plänen nicht mehr nachzuweinen und darf froh ſein, daß ihm das Los ſo lieblich ge- fallen iſt. Denn nicht allen wird es ſo gut; viele fühlen ſich berufen, aber wenige nur ſind auserwählt. Weit- aus die meiſten ſinken zu ſogenannten Soſhi herab, zu politiſchen Parteigängern, welche im Dienſte einer Perſönlichkeit oder einer Partei oder der Regierung ſelbſt die Politik mit Fauſtſchlägen, Knütteln und Schwertern machen. Die Soſhi ſind eine japaniſche Eigentümlichkeit, verkrachte Exiſtenzen, die nichts zu verlieren haben. In gewiſſem Sinne dürfen ſie die Anarchiſten Japans genannt werden. Die Fremden thun gut daran, ihnen aus dem Wege zu gehen. Ihre Ausrottung iſt bis heute noch nicht gelungen. Es giebt freilich nicht wenige Leute, welche behaupten, es ſei der Regierung nicht ernſt mit ihrer Vernichtung, da ſie ſelbſt manchmal in die Lage komme, ſich ihrer zu bedienen. Die Soſhi ſind auch die Demagogen, welche die Politik in die Maſſen hineintragen. Die politiſche Agitation iſt bedeutender als in unſern Landen. Im Lohndienſt der Parteien ziehen die Soſhi im Lande umher zu politiſchen Verſammlungen, und auch an dem 11*

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/177>, abgerufen am 24.11.2024.