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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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die Tropfen von der Lanze, und wo einer hinfiel, ent-
stand eine Insel. So wurden die tausend Inseln des
japanischen Reiches geschaffen. Onogoro-shima im ja-
panischen Binnenmeer bei Awaji, die erste der also
entstandenen Inseln erkor sich das Götterpaar zum
Wohnsitz. Söhne und Töchter wurden ihm geboren,
aber bei der Geburt des Feuergottes verlor Izanami
ihr Leben. In heißer Sehnsucht nach seiner verlorenen
Gemahlin stieg Izanagi, dem griechischen Orpheus
gleich, in die Unterwelt hinab. An den Thoren des
Hades angelangt, beschwor er sie, wieder mit ihm zurück-
zukehren. Gern willigte sie ein, bat ihn aber, noch
ein wenig zu warten, damit sie sich mit den andern
Göttern berate. Da es ihm zu lang währte, über-
mannte ihn die Ungeduld. Er brach einen Zahn
aus seinem Haarkamm und zündete ihn an, um Licht
zu haben in der Dunkelheit der Unterwelt. So ging
er hinein und fand sie auch bald, aber schon hatte die
Verwesung ihr Werk begonnen, und betrübt und an-
gewidert kehrte er, verfolgt von den acht Donner-
göttern, an die Oberwelt zurück.

Um sich rein zu waschen von der Unreinheit des
Todes und der Verwesung, beschloß er, im Flusse zu
baden. Als er seine Kleider am Ufer niederlegte, wurde
plötzlich aus jedem Stücke eine Gottheit geboren, und
aus allen seinen Gliedern sprangen ihm Söhne und
Töchter heraus. Aus seinem linken Auge kam Amaterasu,
aus seinem rechten Tsuki no kami und aus seiner Nase
Susano. Unter diese drei verteilte er sein Reich. Seine
Lieblingstochter Amaterasu (die Himmelerleuchtende)
machte er zur Herrin der Sonne, die ebenfalls weibliche
Tsuki no kami erhob er zur Göttin des Mondes, und dem
wilden Susano übergab er die Herrschaft über das Meer.

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die Tropfen von der Lanze, und wo einer hinfiel, ent-
ſtand eine Inſel. So wurden die tauſend Inſeln des
japaniſchen Reiches geſchaffen. Onogoro-ſhima im ja-
paniſchen Binnenmeer bei Awaji, die erſte der alſo
entſtandenen Inſeln erkor ſich das Götterpaar zum
Wohnſitz. Söhne und Töchter wurden ihm geboren,
aber bei der Geburt des Feuergottes verlor Izanami
ihr Leben. In heißer Sehnſucht nach ſeiner verlorenen
Gemahlin ſtieg Izanagi, dem griechiſchen Orpheus
gleich, in die Unterwelt hinab. An den Thoren des
Hades angelangt, beſchwor er ſie, wieder mit ihm zurück-
zukehren. Gern willigte ſie ein, bat ihn aber, noch
ein wenig zu warten, damit ſie ſich mit den andern
Göttern berate. Da es ihm zu lang währte, über-
mannte ihn die Ungeduld. Er brach einen Zahn
aus ſeinem Haarkamm und zündete ihn an, um Licht
zu haben in der Dunkelheit der Unterwelt. So ging
er hinein und fand ſie auch bald, aber ſchon hatte die
Verweſung ihr Werk begonnen, und betrübt und an-
gewidert kehrte er, verfolgt von den acht Donner-
göttern, an die Oberwelt zurück.

Um ſich rein zu waſchen von der Unreinheit des
Todes und der Verweſung, beſchloß er, im Fluſſe zu
baden. Als er ſeine Kleider am Ufer niederlegte, wurde
plötzlich aus jedem Stücke eine Gottheit geboren, und
aus allen ſeinen Gliedern ſprangen ihm Söhne und
Töchter heraus. Aus ſeinem linken Auge kam Amateraſu,
aus ſeinem rechten Tſuki no kami und aus ſeiner Naſe
Suſano. Unter dieſe drei verteilte er ſein Reich. Seine
Lieblingstochter Amateraſu (die Himmelerleuchtende)
machte er zur Herrin der Sonne, die ebenfalls weibliche
Tſuki no kami erhob er zur Göttin des Mondes, und dem
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[193/0207] die Tropfen von der Lanze, und wo einer hinfiel, ent- ſtand eine Inſel. So wurden die tauſend Inſeln des japaniſchen Reiches geſchaffen. Onogoro-ſhima im ja- paniſchen Binnenmeer bei Awaji, die erſte der alſo entſtandenen Inſeln erkor ſich das Götterpaar zum Wohnſitz. Söhne und Töchter wurden ihm geboren, aber bei der Geburt des Feuergottes verlor Izanami ihr Leben. In heißer Sehnſucht nach ſeiner verlorenen Gemahlin ſtieg Izanagi, dem griechiſchen Orpheus gleich, in die Unterwelt hinab. An den Thoren des Hades angelangt, beſchwor er ſie, wieder mit ihm zurück- zukehren. Gern willigte ſie ein, bat ihn aber, noch ein wenig zu warten, damit ſie ſich mit den andern Göttern berate. Da es ihm zu lang währte, über- mannte ihn die Ungeduld. Er brach einen Zahn aus ſeinem Haarkamm und zündete ihn an, um Licht zu haben in der Dunkelheit der Unterwelt. So ging er hinein und fand ſie auch bald, aber ſchon hatte die Verweſung ihr Werk begonnen, und betrübt und an- gewidert kehrte er, verfolgt von den acht Donner- göttern, an die Oberwelt zurück. Um ſich rein zu waſchen von der Unreinheit des Todes und der Verweſung, beſchloß er, im Fluſſe zu baden. Als er ſeine Kleider am Ufer niederlegte, wurde plötzlich aus jedem Stücke eine Gottheit geboren, und aus allen ſeinen Gliedern ſprangen ihm Söhne und Töchter heraus. Aus ſeinem linken Auge kam Amateraſu, aus ſeinem rechten Tſuki no kami und aus ſeiner Naſe Suſano. Unter dieſe drei verteilte er ſein Reich. Seine Lieblingstochter Amateraſu (die Himmelerleuchtende) machte er zur Herrin der Sonne, die ebenfalls weibliche Tſuki no kami erhob er zur Göttin des Mondes, und dem wilden Suſano übergab er die Herrſchaft über das Meer. 13

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/207>, abgerufen am 21.11.2024.