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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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als nationales Element konnte dabei nur gewinnen,
der Buddhismus als fremde Religion nur verlieren.
Die Bewegung blieb natürlich keine rein religiöse und
litterarische; infolge der Verbindung des Shintoismus
mit dem Kaiserhaus nahm sie bald einen politischen
Charakter an und wendete sich gegen das kaiserfeind-
liche Shogunat, welches den Buddhismus auf Kosten
des Shinto in jeder Weise begünstigt hatte. "Der
Sohn des Himmels", der Mikado, wider den Shogun,
das wurde die Losung des Tages, die Losung, welche in
der Restauration von 1868 den Sieg errang. Nun
wurde der Shintoismus alleinige Staatsreligion, und
eine Art Ministerium für geistliche Angelegenheiten
(Kyobusho) wurde für ihn eingerichtet. Eine Anzahl
buddhistischer tera wurden in miya verwandelt, die
Ryobu-Shintotempel wurden von allem buddhistischen
Beiwerk "gereinigt", wobei wahre Prachtstücke japanischer
Architektur und Ornamentik zu Grunde gingen. Ein
neues Ceremoniell für feierlich zu begehende Feste
(matsuri) wurde herausgegeben, und damals war es
auch, wo die Bestimmung getroffen wurde, daß das
große O harai, welches zuvor unregelmäßig stattgefunden
hatte, zweimal im Jahr unter staatlicher Aufsicht vor-
genommen werden müsse. Es waren rein äußere Stützen,
wie sie in der Amtsstube fabriziert werden, womit man
dem greisenhaften System wieder auf die Beine helfen
wollte; von religiöser und sittlicher Reform war da-
gegen wenig und nichts bemerkbar.

Unter dem Hochdruck der Staatsgunst schien der
Shintoismus in der That eine Zeitlang das Feld zu
behalten. In Wirklichkeit aber war das nur trügerischer
Schein. Zwar der Staatsshintoismus besteht noch, wenn
auch nicht mehr als Staatsreligion, und wenn auch das

als nationales Element konnte dabei nur gewinnen,
der Buddhismus als fremde Religion nur verlieren.
Die Bewegung blieb natürlich keine rein religiöſe und
litterariſche; infolge der Verbindung des Shintoismus
mit dem Kaiſerhaus nahm ſie bald einen politiſchen
Charakter an und wendete ſich gegen das kaiſerfeind-
liche Shogunat, welches den Buddhismus auf Koſten
des Shinto in jeder Weiſe begünſtigt hatte. „Der
Sohn des Himmels“, der Mikado, wider den Shogun,
das wurde die Loſung des Tages, die Loſung, welche in
der Reſtauration von 1868 den Sieg errang. Nun
wurde der Shintoismus alleinige Staatsreligion, und
eine Art Miniſterium für geiſtliche Angelegenheiten
(Kyōbuſhō) wurde für ihn eingerichtet. Eine Anzahl
buddhiſtiſcher tera wurden in miya verwandelt, die
Ryobu-Shintotempel wurden von allem buddhiſtiſchen
Beiwerk „gereinigt“, wobei wahre Prachtſtücke japaniſcher
Architektur und Ornamentik zu Grunde gingen. Ein
neues Ceremoniell für feierlich zu begehende Feſte
(matsuri) wurde herausgegeben, und damals war es
auch, wo die Beſtimmung getroffen wurde, daß das
große O harai, welches zuvor unregelmäßig ſtattgefunden
hatte, zweimal im Jahr unter ſtaatlicher Aufſicht vor-
genommen werden müſſe. Es waren rein äußere Stützen,
wie ſie in der Amtsſtube fabriziert werden, womit man
dem greiſenhaften Syſtem wieder auf die Beine helfen
wollte; von religiöſer und ſittlicher Reform war da-
gegen wenig und nichts bemerkbar.

Unter dem Hochdruck der Staatsgunſt ſchien der
Shintoismus in der That eine Zeitlang das Feld zu
behalten. In Wirklichkeit aber war das nur trügeriſcher
Schein. Zwar der Staatsſhintoismus beſteht noch, wenn
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[215/0229] als nationales Element konnte dabei nur gewinnen, der Buddhismus als fremde Religion nur verlieren. Die Bewegung blieb natürlich keine rein religiöſe und litterariſche; infolge der Verbindung des Shintoismus mit dem Kaiſerhaus nahm ſie bald einen politiſchen Charakter an und wendete ſich gegen das kaiſerfeind- liche Shogunat, welches den Buddhismus auf Koſten des Shinto in jeder Weiſe begünſtigt hatte. „Der Sohn des Himmels“, der Mikado, wider den Shogun, das wurde die Loſung des Tages, die Loſung, welche in der Reſtauration von 1868 den Sieg errang. Nun wurde der Shintoismus alleinige Staatsreligion, und eine Art Miniſterium für geiſtliche Angelegenheiten (Kyōbuſhō) wurde für ihn eingerichtet. Eine Anzahl buddhiſtiſcher tera wurden in miya verwandelt, die Ryobu-Shintotempel wurden von allem buddhiſtiſchen Beiwerk „gereinigt“, wobei wahre Prachtſtücke japaniſcher Architektur und Ornamentik zu Grunde gingen. Ein neues Ceremoniell für feierlich zu begehende Feſte (matsuri) wurde herausgegeben, und damals war es auch, wo die Beſtimmung getroffen wurde, daß das große O harai, welches zuvor unregelmäßig ſtattgefunden hatte, zweimal im Jahr unter ſtaatlicher Aufſicht vor- genommen werden müſſe. Es waren rein äußere Stützen, wie ſie in der Amtsſtube fabriziert werden, womit man dem greiſenhaften Syſtem wieder auf die Beine helfen wollte; von religiöſer und ſittlicher Reform war da- gegen wenig und nichts bemerkbar. Unter dem Hochdruck der Staatsgunſt ſchien der Shintoismus in der That eine Zeitlang das Feld zu behalten. In Wirklichkeit aber war das nur trügeriſcher Schein. Zwar der Staatsſhintoismus beſteht noch, wenn auch nicht mehr als Staatsreligion, und wenn auch das

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/229>, abgerufen am 24.11.2024.