Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.VIII. Der Buddhismus. Wenige Meilen südwestlich von Yokohama liegt Eines Tages kam ich mit einem deutschen theologisch- 1) Buddha = der Erkennende; Sakiyamuni = der Weise
aus dem Geschlecht der Sakiya; Gautama = der Entsagende. VIII. Der Buddhismus. Wenige Meilen ſüdweſtlich von Yokohama liegt Eines Tages kam ich mit einem deutſchen theologiſch- 1) Buddha = der Erkennende; Sakiyamuni = der Weiſe
aus dem Geſchlecht der Sakiya; Gautama = der Entſagende. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0231" n="[217]"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Der Buddhismus.</head><lb/> <p><hi rendition="#in">W</hi>enige Meilen ſüdweſtlich von Yokohama liegt<lb/> Kamakura. Im Mittelalter war es die blühende Reſi-<lb/> denz der Shogune, deren Einwohnerzahl auf über eine<lb/> Million geſchätzt wurde, heute iſt es ein elendes Fiſcher-<lb/> dorf. Unter den wenigen Zeugen einer längſt ent-<lb/> ſchwundenen Pracht befindet ſich eine Rieſenſtatue des<lb/> Buddha <note place="foot" n="1)">Buddha = der Erkennende; Sakiyamuni = der Weiſe<lb/> aus dem Geſchlecht der Sakiya; Gautama = der Entſagende.</note>. Dieſelbe wurde um das Jahr 1250 aus<lb/> Kupferbronze gefertigt. Mehr als einmal bin ich in<lb/> ihrem Innern in die Höhe geſtiegen und habe durch<lb/> das Auge des erleuchteten Weiſen hinausgeſchaut in<lb/> die Weite.</p><lb/> <p>Eines Tages kam ich mit einem deutſchen theologiſch-<lb/> belletriſtiſchen Schriftſteller dahin, um ihm den Daibutſu<lb/> (<hi rendition="#aq">dai</hi> = groß, <hi rendition="#aq">Butsu</hi> = Buddha) von Kamakura zu<lb/> zeigen. Am Eingang des Tempelgrundes iſt eine Tafel<lb/> angebracht, auf welcher in engliſcher Sprache geſchrieben<lb/> ſteht: „Fremdling, mit Ehrfurcht betrete dieſen Ort!“<lb/> Gerade als wir an dieſer Tafel vorübergingen, kam uns<lb/> der Daibutſu zu Geſicht. Mein Begleiter hatte bei<lb/> ſeinem Anblick nichts Eiligeres zu thun als auszurufen:<lb/> „Welch ein Scheuſal!“ Nun iſt der Daibutſu für unſern<lb/> Geſchmack allerdings nicht das Ideal der Schönheit;<lb/> aber die Worte wirkten doch verletzend, und als un-<lb/> mittelbar darauf eine Herde von Wagenziehern auf uns<lb/> losſtürmte und unter den Zeichen ausgelaſſenſter Freude<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[217]/0231]
VIII. Der Buddhismus.
Wenige Meilen ſüdweſtlich von Yokohama liegt
Kamakura. Im Mittelalter war es die blühende Reſi-
denz der Shogune, deren Einwohnerzahl auf über eine
Million geſchätzt wurde, heute iſt es ein elendes Fiſcher-
dorf. Unter den wenigen Zeugen einer längſt ent-
ſchwundenen Pracht befindet ſich eine Rieſenſtatue des
Buddha 1). Dieſelbe wurde um das Jahr 1250 aus
Kupferbronze gefertigt. Mehr als einmal bin ich in
ihrem Innern in die Höhe geſtiegen und habe durch
das Auge des erleuchteten Weiſen hinausgeſchaut in
die Weite.
Eines Tages kam ich mit einem deutſchen theologiſch-
belletriſtiſchen Schriftſteller dahin, um ihm den Daibutſu
(dai = groß, Butsu = Buddha) von Kamakura zu
zeigen. Am Eingang des Tempelgrundes iſt eine Tafel
angebracht, auf welcher in engliſcher Sprache geſchrieben
ſteht: „Fremdling, mit Ehrfurcht betrete dieſen Ort!“
Gerade als wir an dieſer Tafel vorübergingen, kam uns
der Daibutſu zu Geſicht. Mein Begleiter hatte bei
ſeinem Anblick nichts Eiligeres zu thun als auszurufen:
„Welch ein Scheuſal!“ Nun iſt der Daibutſu für unſern
Geſchmack allerdings nicht das Ideal der Schönheit;
aber die Worte wirkten doch verletzend, und als un-
mittelbar darauf eine Herde von Wagenziehern auf uns
losſtürmte und unter den Zeichen ausgelaſſenſter Freude
1) Buddha = der Erkennende; Sakiyamuni = der Weiſe
aus dem Geſchlecht der Sakiya; Gautama = der Entſagende.
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