panischen Pastoren selbst stimmten eifrig mit ein in den Ruf "Japan für die Japaner", und aus diesem Ruf zogen sie die religiösen und kirchenpolitischen Konsequenzen. Die Doshisha, um dies hier vorauszunehmen, sollte zum Hauptexperimentierfeld dieser Bestrebungen werden. Im Januar 1890 war Nishima gestorben, ein schwerer Schlag für das junge Christentum in kritischer Zeit. Sein Nachfolger Kozaki, bis dahin Prediger an der eine Zeitlang durch Spinner mitbedienten Bancho- gemeinde zu Tokyo, war nicht stark genug, vielleicht auch nicht willig, den immer mächtiger werdenden Gegensatz gegen die Fremden zu dämmen.
Dazu kam, daß man auf Seite der Missionare durch schlimme Erfahrungen geängstigt war, die man schon anderswo gemacht hatte. So hatte die Tokwa- gakko, eine Art Gymnasium in Sendai, früher ganz unter dem Einfluß des American Board gestanden; aber eine feindliche Strömung im Schulvorstand brachte es 1892 fertig, daß sie ihres christlichen Charakters ent- kleidet wurde und daraufhin einging, nicht ohne die Mitschuld christlicher Lehrer. Ein Jahr darauf ent- standen Mißhelligkeiten zwischen dem American Board und seiner japanischen Schulverwaltung in Kumamoto. Da es nach den bestehenden Verträgen den Fremden nicht gestattet war, immobiles Eigentum zu erwerben, so hatten sich die Missionsgesellschaften genötigt gesehen, ihre Grundstücke und Gebäude auf die Namen japa- nischer Vertrauensmänner schreiben zu lassen. Die Regierung wußte darum, und niemand sah etwas Un- moralisches darin. Jetzt aber erklärte eine chauvinistische Volksstimmung diejenigen Japaner, welche sich dazu hergaben, für Verräter am Vaterland, und diese hatten nicht Rückgrat genug, dieser Stimmung zu widerstehen.
paniſchen Paſtoren ſelbſt ſtimmten eifrig mit ein in den Ruf „Japan für die Japaner“, und aus dieſem Ruf zogen ſie die religiöſen und kirchenpolitiſchen Konſequenzen. Die Doſhiſha, um dies hier vorauszunehmen, ſollte zum Hauptexperimentierfeld dieſer Beſtrebungen werden. Im Januar 1890 war Niſhima geſtorben, ein ſchwerer Schlag für das junge Chriſtentum in kritiſcher Zeit. Sein Nachfolger Kozaki, bis dahin Prediger an der eine Zeitlang durch Spinner mitbedienten Bancho- gemeinde zu Tokyo, war nicht ſtark genug, vielleicht auch nicht willig, den immer mächtiger werdenden Gegenſatz gegen die Fremden zu dämmen.
Dazu kam, daß man auf Seite der Miſſionare durch ſchlimme Erfahrungen geängſtigt war, die man ſchon anderswo gemacht hatte. So hatte die Tokwa- gakko, eine Art Gymnaſium in Sendai, früher ganz unter dem Einfluß des American Board geſtanden; aber eine feindliche Strömung im Schulvorſtand brachte es 1892 fertig, daß ſie ihres chriſtlichen Charakters ent- kleidet wurde und daraufhin einging, nicht ohne die Mitſchuld chriſtlicher Lehrer. Ein Jahr darauf ent- ſtanden Mißhelligkeiten zwiſchen dem American Board und ſeiner japaniſchen Schulverwaltung in Kumamoto. Da es nach den beſtehenden Verträgen den Fremden nicht geſtattet war, immobiles Eigentum zu erwerben, ſo hatten ſich die Miſſionsgeſellſchaften genötigt geſehen, ihre Grundſtücke und Gebäude auf die Namen japa- niſcher Vertrauensmänner ſchreiben zu laſſen. Die Regierung wußte darum, und niemand ſah etwas Un- moraliſches darin. Jetzt aber erklärte eine chauviniſtiſche Volksſtimmung diejenigen Japaner, welche ſich dazu hergaben, für Verräter am Vaterland, und dieſe hatten nicht Rückgrat genug, dieſer Stimmung zu widerſtehen.
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paniſchen Paſtoren ſelbſt ſtimmten eifrig mit ein in den
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Die Doſhiſha, um dies hier vorauszunehmen, ſollte zum
Hauptexperimentierfeld dieſer Beſtrebungen werden. Im
Januar 1890 war Niſhima geſtorben, ein ſchwerer
Schlag für das junge Chriſtentum in kritiſcher Zeit.
Sein Nachfolger Kozaki, bis dahin Prediger an der
eine Zeitlang durch Spinner mitbedienten Bancho-
gemeinde zu Tokyo, war nicht ſtark genug, vielleicht
auch nicht willig, den immer mächtiger werdenden
Gegenſatz gegen die Fremden zu dämmen.
Dazu kam, daß man auf Seite der Miſſionare
durch ſchlimme Erfahrungen geängſtigt war, die man
ſchon anderswo gemacht hatte. So hatte die Tokwa-
gakko, eine Art Gymnaſium in Sendai, früher ganz
unter dem Einfluß des American Board geſtanden; aber
eine feindliche Strömung im Schulvorſtand brachte es
1892 fertig, daß ſie ihres chriſtlichen Charakters ent-
kleidet wurde und daraufhin einging, nicht ohne die
Mitſchuld chriſtlicher Lehrer. Ein Jahr darauf ent-
ſtanden Mißhelligkeiten zwiſchen dem American Board
und ſeiner japaniſchen Schulverwaltung in Kumamoto.
Da es nach den beſtehenden Verträgen den Fremden
nicht geſtattet war, immobiles Eigentum zu erwerben,
ſo hatten ſich die Miſſionsgeſellſchaften genötigt geſehen,
ihre Grundſtücke und Gebäude auf die Namen japa-
niſcher Vertrauensmänner ſchreiben zu laſſen. Die
Regierung wußte darum, und niemand ſah etwas Un-
moraliſches darin. Jetzt aber erklärte eine chauviniſtiſche
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nicht Rückgrat genug, dieſer Stimmung zu widerſtehen.
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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