anderes darin war, so fragt er: "Wer war in diesem Zimmer?" Der Japaner aber fragt: "Kono heya ni haitta no wa dare desu?" wörtlich: "Der in dieses Zimmer Eingetretene ist wer?" In unserem deutschen Satz ist "wer" grammatisch das Subjekt, "war (ist ein- getreten)" ist das Prädikat. Dieses stimmt aber mit dem Sinn des Satzes keineswegs überein, d. h. es ist unlogisch. Logisch ist weder "wer" das Subjekt, noch "ist eingetreten" das Prädikat. Um das logische Ver- hältnis herauszubringen, brauchen wir nur zu fragen: "Um wen oder was handelt es sich?" Um wen handelt es sich also hier für den Fragenden? Doch um den, der das Zimmer betreten hat; ihn will er wissen; und um was handelt es sich weiter? Darum, wer er ist. Also ist logisch "der in das Zimmer Eingetretene" das Subjekt und "ist wer?" ist das Prädikat. Dieses logische Verhältnis bringt der japanische Satz klar und scharf zum Ausdruck.
Ebenso verhält es sich z. B mit dem Satz: "Wenige Menschen thun das Gute". Soll etwa von "wenige Menschen" etwas ausgesagt werden? Keineswegs. Viel- mehr soll von Gutes thuenden Menschen etwas konstatiert werden, und zwar, daß ihrer wenige sind. Also sagt der Japaner ganz richtig: "Das Gute thuen(de) Menschen sind wenige" (zen wo nasu hito ga sukunai).
Nehmen wir den Satz: "Das japanische Parlament zählt 300 Mitglieder". Dieser Satz giebt den logischen Sinn ganz unrichtig wieder. "Der japanische Reichs- tag" ist Subjekt, "zählt" ist Prädikat, und "300 Mit- glieder" ist Objekt. Was ist aber die Hauptsache? Um was handelt es sich? Um den "japanischen Reichs- tag?", um "zählt?", um "300 Mitglieder?" Nein, es handelt sich um "die Zahl der japanischen Parlaments-
anderes darin war, ſo fragt er: „Wer war in dieſem Zimmer?“ Der Japaner aber fragt: „Kono heya ni haitta no wa dare desu?“ wörtlich: „Der in dieſes Zimmer Eingetretene iſt wer?“ In unſerem deutſchen Satz iſt „wer“ grammatiſch das Subjekt, „war (iſt ein- getreten)“ iſt das Prädikat. Dieſes ſtimmt aber mit dem Sinn des Satzes keineswegs überein, d. h. es iſt unlogiſch. Logiſch iſt weder „wer“ das Subjekt, noch „iſt eingetreten“ das Prädikat. Um das logiſche Ver- hältnis herauszubringen, brauchen wir nur zu fragen: „Um wen oder was handelt es ſich?“ Um wen handelt es ſich alſo hier für den Fragenden? Doch um den, der das Zimmer betreten hat; ihn will er wiſſen; und um was handelt es ſich weiter? Darum, wer er iſt. Alſo iſt logiſch „der in das Zimmer Eingetretene“ das Subjekt und „iſt wer?“ iſt das Prädikat. Dieſes logiſche Verhältnis bringt der japaniſche Satz klar und ſcharf zum Ausdruck.
Ebenſo verhält es ſich z. B mit dem Satz: „Wenige Menſchen thun das Gute“. Soll etwa von „wenige Menſchen“ etwas ausgeſagt werden? Keineswegs. Viel- mehr ſoll von Gutes thuenden Menſchen etwas konſtatiert werden, und zwar, daß ihrer wenige ſind. Alſo ſagt der Japaner ganz richtig: „Das Gute thuen(de) Menſchen ſind wenige“ (zen wo nasu hito ga sukunai).
Nehmen wir den Satz: „Das japaniſche Parlament zählt 300 Mitglieder“. Dieſer Satz giebt den logiſchen Sinn ganz unrichtig wieder. „Der japaniſche Reichs- tag“ iſt Subjekt, „zählt“ iſt Prädikat, und „300 Mit- glieder“ iſt Objekt. Was iſt aber die Hauptſache? Um was handelt es ſich? Um den „japaniſchen Reichs- tag?“, um „zählt?“, um „300 Mitglieder?“ Nein, es handelt ſich um „die Zahl der japaniſchen Parlaments-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="43"/>
anderes darin war, ſo fragt er: „Wer war in dieſem<lb/>
Zimmer?“ Der Japaner aber fragt: <hirendition="#aq">„Kono heya ni<lb/>
haitta no wa dare desu?“</hi> wörtlich: „Der in dieſes<lb/>
Zimmer Eingetretene iſt wer?“ In unſerem deutſchen<lb/>
Satz iſt „wer“ grammatiſch das Subjekt, „war (iſt ein-<lb/>
getreten)“ iſt das Prädikat. Dieſes ſtimmt aber mit<lb/>
dem Sinn des Satzes keineswegs überein, d. h. es iſt<lb/>
unlogiſch. Logiſch iſt weder „wer“ das Subjekt, noch<lb/>„iſt eingetreten“ das Prädikat. Um das logiſche Ver-<lb/>
hältnis herauszubringen, brauchen wir nur zu fragen:<lb/>„Um wen oder was handelt es ſich?“ Um wen handelt<lb/>
es ſich alſo hier für den Fragenden? Doch um den,<lb/>
der das Zimmer betreten hat; ihn will er wiſſen; und<lb/>
um was handelt es ſich weiter? Darum, wer er iſt.<lb/>
Alſo iſt logiſch „der in das Zimmer Eingetretene“ das<lb/>
Subjekt und „iſt wer?“ iſt das Prädikat. Dieſes<lb/>
logiſche Verhältnis bringt der japaniſche Satz klar und<lb/>ſcharf zum Ausdruck.</p><lb/><p>Ebenſo verhält es ſich z. B mit dem Satz: „Wenige<lb/>
Menſchen thun das Gute“. Soll etwa von „wenige<lb/>
Menſchen“ etwas ausgeſagt werden? Keineswegs. Viel-<lb/>
mehr ſoll von Gutes thuenden Menſchen etwas konſtatiert<lb/>
werden, und zwar, daß ihrer wenige ſind. Alſo ſagt<lb/>
der Japaner ganz richtig: „Das Gute thuen(de) Menſchen<lb/>ſind wenige“ (<hirendition="#aq">zen wo nasu hito ga sukunai</hi>).</p><lb/><p>Nehmen wir den Satz: „Das japaniſche Parlament<lb/>
zählt 300 Mitglieder“. Dieſer Satz giebt den logiſchen<lb/>
Sinn ganz unrichtig wieder. „Der japaniſche Reichs-<lb/>
tag“ iſt Subjekt, „zählt“ iſt Prädikat, und „300 Mit-<lb/>
glieder“ iſt Objekt. Was iſt aber die Hauptſache?<lb/>
Um was handelt es ſich? Um den „japaniſchen Reichs-<lb/>
tag?“, um „zählt?“, um „300 Mitglieder?“ Nein, es<lb/>
handelt ſich um „die Zahl der japaniſchen Parlaments-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[43/0057]
anderes darin war, ſo fragt er: „Wer war in dieſem
Zimmer?“ Der Japaner aber fragt: „Kono heya ni
haitta no wa dare desu?“ wörtlich: „Der in dieſes
Zimmer Eingetretene iſt wer?“ In unſerem deutſchen
Satz iſt „wer“ grammatiſch das Subjekt, „war (iſt ein-
getreten)“ iſt das Prädikat. Dieſes ſtimmt aber mit
dem Sinn des Satzes keineswegs überein, d. h. es iſt
unlogiſch. Logiſch iſt weder „wer“ das Subjekt, noch
„iſt eingetreten“ das Prädikat. Um das logiſche Ver-
hältnis herauszubringen, brauchen wir nur zu fragen:
„Um wen oder was handelt es ſich?“ Um wen handelt
es ſich alſo hier für den Fragenden? Doch um den,
der das Zimmer betreten hat; ihn will er wiſſen; und
um was handelt es ſich weiter? Darum, wer er iſt.
Alſo iſt logiſch „der in das Zimmer Eingetretene“ das
Subjekt und „iſt wer?“ iſt das Prädikat. Dieſes
logiſche Verhältnis bringt der japaniſche Satz klar und
ſcharf zum Ausdruck.
Ebenſo verhält es ſich z. B mit dem Satz: „Wenige
Menſchen thun das Gute“. Soll etwa von „wenige
Menſchen“ etwas ausgeſagt werden? Keineswegs. Viel-
mehr ſoll von Gutes thuenden Menſchen etwas konſtatiert
werden, und zwar, daß ihrer wenige ſind. Alſo ſagt
der Japaner ganz richtig: „Das Gute thuen(de) Menſchen
ſind wenige“ (zen wo nasu hito ga sukunai).
Nehmen wir den Satz: „Das japaniſche Parlament
zählt 300 Mitglieder“. Dieſer Satz giebt den logiſchen
Sinn ganz unrichtig wieder. „Der japaniſche Reichs-
tag“ iſt Subjekt, „zählt“ iſt Prädikat, und „300 Mit-
glieder“ iſt Objekt. Was iſt aber die Hauptſache?
Um was handelt es ſich? Um den „japaniſchen Reichs-
tag?“, um „zählt?“, um „300 Mitglieder?“ Nein, es
handelt ſich um „die Zahl der japaniſchen Parlaments-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/57>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.