Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

vergessen; der Verfolgungsgeist schweb um
sie wie ihr Schatten, sie führ ihn aber nur
incognito mit sich herum, und er dürf sich
nicht aus helle Tageslicht wagen, weil die
Gewaltigen auf Erden keiner Art von Enthu-
siasmus mehr, wie vor Zeiten gar oft ge-
schah, ihr brachium saeculare leihen möch-
ten. Denn wenn nur ein kleiner Stadt-
magistrat sein Quintlein Gewalt aus der
Hand geben wollt', so würd' der ehrliche
Mag. Grattus unfehlbar das Märtyrer-
thum des philanthropinischen Enthusiasmus
davon tragen, wie der selge Pastor Alberti,
der sogar ohne Zuthun des weltlichen Arms
allein durch den Bannstrahl des orthodoren
Fanatismus auf gewisse Art die Märtyrer-
kron' erlangt hätte. Könn' auch noch der
selge Mann in der Erde nicht Ruh haben;
denn der Ritter Götz, von einigen zubenahmt
mit der streitbaren Hand, hab ihm unlängst
im Sarge noch den lezten Stoß gegeben.

Dem
H 2

vergeſſen; der Verfolgungsgeiſt ſchweb um
ſie wie ihr Schatten, ſie fuͤhr ihn aber nur
incognito mit ſich herum, und er duͤrf ſich
nicht aus helle Tageslicht wagen, weil die
Gewaltigen auf Erden keiner Art von Enthu-
ſiaſmus mehr, wie vor Zeiten gar oft ge-
ſchah, ihr brachium ſaeculare leihen moͤch-
ten. Denn wenn nur ein kleiner Stadt-
magiſtrat ſein Quintlein Gewalt aus der
Hand geben wollt’, ſo wuͤrd’ der ehrliche
Mag. Grattus unfehlbar das Maͤrtyrer-
thum des philanthropiniſchen Enthuſiaſmus
davon tragen, wie der ſelge Paſtor Alberti,
der ſogar ohne Zuthun des weltlichen Arms
allein durch den Bannſtrahl des orthodoren
Fanatiſmus auf gewiſſe Art die Maͤrtyrer-
kron’ erlangt haͤtte. Koͤnn’ auch noch der
ſelge Mann in der Erde nicht Ruh haben;
denn der Ritter Goͤtz, von einigen zubenahmt
mit der ſtreitbaren Hand, hab ihm unlaͤngſt
im Sarge noch den lezten Stoß gegeben.

Dem
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="115"/>
verge&#x017F;&#x017F;en; der Verfolgungsgei&#x017F;t &#x017F;chweb um<lb/>
&#x017F;ie wie ihr Schatten, &#x017F;ie fu&#x0364;hr ihn aber nur<lb/><hi rendition="#aq">incognito</hi> mit &#x017F;ich herum, und er du&#x0364;rf &#x017F;ich<lb/>
nicht aus helle Tageslicht wagen, weil die<lb/>
Gewaltigen auf Erden keiner Art von Enthu-<lb/>
&#x017F;ia&#x017F;mus mehr, wie vor Zeiten gar oft ge-<lb/>
&#x017F;chah, ihr <hi rendition="#aq">brachium &#x017F;aeculare</hi> leihen mo&#x0364;ch-<lb/>
ten. Denn wenn nur ein kleiner Stadt-<lb/>
magi&#x017F;trat &#x017F;ein Quintlein Gewalt aus der<lb/>
Hand geben wollt&#x2019;, &#x017F;o wu&#x0364;rd&#x2019; der ehrliche<lb/>
Mag. Grattus unfehlbar das Ma&#x0364;rtyrer-<lb/>
thum des philanthropini&#x017F;chen Enthu&#x017F;ia&#x017F;mus<lb/>
davon tragen, wie der &#x017F;elge Pa&#x017F;tor Alberti,<lb/>
der &#x017F;ogar ohne Zuthun des weltlichen Arms<lb/>
allein durch den Bann&#x017F;trahl des orthodoren<lb/>
Fanati&#x017F;mus auf gewi&#x017F;&#x017F;e Art die Ma&#x0364;rtyrer-<lb/>
kron&#x2019; erlangt ha&#x0364;tte. Ko&#x0364;nn&#x2019; auch noch der<lb/>
&#x017F;elge Mann in der Erde nicht Ruh haben;<lb/>
denn der Ritter Go&#x0364;tz, von einigen zubenahmt<lb/>
mit der &#x017F;treitbaren Hand, hab ihm unla&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
im Sarge noch den lezten Stoß gegeben.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0115] vergeſſen; der Verfolgungsgeiſt ſchweb um ſie wie ihr Schatten, ſie fuͤhr ihn aber nur incognito mit ſich herum, und er duͤrf ſich nicht aus helle Tageslicht wagen, weil die Gewaltigen auf Erden keiner Art von Enthu- ſiaſmus mehr, wie vor Zeiten gar oft ge- ſchah, ihr brachium ſaeculare leihen moͤch- ten. Denn wenn nur ein kleiner Stadt- magiſtrat ſein Quintlein Gewalt aus der Hand geben wollt’, ſo wuͤrd’ der ehrliche Mag. Grattus unfehlbar das Maͤrtyrer- thum des philanthropiniſchen Enthuſiaſmus davon tragen, wie der ſelge Paſtor Alberti, der ſogar ohne Zuthun des weltlichen Arms allein durch den Bannſtrahl des orthodoren Fanatiſmus auf gewiſſe Art die Maͤrtyrer- kron’ erlangt haͤtte. Koͤnn’ auch noch der ſelge Mann in der Erde nicht Ruh haben; denn der Ritter Goͤtz, von einigen zubenahmt mit der ſtreitbaren Hand, hab ihm unlaͤngſt im Sarge noch den lezten Stoß gegeben. Dem H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/115
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/115>, abgerufen am 17.05.2024.