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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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spiel, und jedes geht an seine Geschäfte. --
Um den Genuß dieser empfindsamen Stunde
auch abwesend nicht zu verlieren, hab ich
mich mit meiner Gattin vereinigt, uns
durch die Einbildungskraft einander zu ver-
gegenwärtigen. Jch kann sicher drauf rech-
nen, daß zu der verabredeten Zeit die
Meinigen nichts anders denken, als mich,
ihren Gatten und Vater; von nichts sich
unterreden, als von mir; nichts thun, das
nicht eine Beziehung auf mich haben sollte;
und sie sind eben so gewiß, daß zu der
nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei-
ner Seele schwebt, als der Gedanke von
ihnen. Aus dieser Ursache hab ich von ei-
ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die
so gut zu meinem Jdeal sich paßt. Jch
kann auf Reisen die Schattenbilder meiner
Lieben nicht bequemer betrachten, als an
meiner Mundtasse; und so wie meine Au-
gen unveränderlich in der bestimmten Zeit

dar-

ſpiel, und jedes geht an ſeine Geſchaͤfte. —
Um den Genuß dieſer empfindſamen Stunde
auch abweſend nicht zu verlieren, hab ich
mich mit meiner Gattin vereinigt, uns
durch die Einbildungskraft einander zu ver-
gegenwaͤrtigen. Jch kann ſicher drauf rech-
nen, daß zu der verabredeten Zeit die
Meinigen nichts anders denken, als mich,
ihren Gatten und Vater; von nichts ſich
unterreden, als von mir; nichts thun, das
nicht eine Beziehung auf mich haben ſollte;
und ſie ſind eben ſo gewiß, daß zu der
nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei-
ner Seele ſchwebt, als der Gedanke von
ihnen. Aus dieſer Urſache hab ich von ei-
ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die
ſo gut zu meinem Jdeal ſich paßt. Jch
kann auf Reiſen die Schattenbilder meiner
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[138/0138] ſpiel, und jedes geht an ſeine Geſchaͤfte. — Um den Genuß dieſer empfindſamen Stunde auch abweſend nicht zu verlieren, hab ich mich mit meiner Gattin vereinigt, uns durch die Einbildungskraft einander zu ver- gegenwaͤrtigen. Jch kann ſicher drauf rech- nen, daß zu der verabredeten Zeit die Meinigen nichts anders denken, als mich, ihren Gatten und Vater; von nichts ſich unterreden, als von mir; nichts thun, das nicht eine Beziehung auf mich haben ſollte; und ſie ſind eben ſo gewiß, daß zu der nemlichen Zeit kein andrer Gedanke in mei- ner Seele ſchwebt, als der Gedanke von ihnen. Aus dieſer Urſache hab ich von ei- ner Modeerfindung Gebrauch gemacht, die ſo gut zu meinem Jdeal ſich paßt. Jch kann auf Reiſen die Schattenbilder meiner Lieben nicht bequemer betrachten, als an meiner Mundtaſſe; und ſo wie meine Au- gen unveraͤnderlich in der beſtimmten Zeit dar-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/138>, abgerufen am 25.11.2024.