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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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gings so still her, als bey einem Leichessen;
alle Versuche, dem Fremdling die Zung zu
lösen, waren vergebens. Wollt' nichts
heraus; dafür aber gings einwärts desto
besser. Jch merkt', daß das eine Virtuo-
senlaune sey, beschloß daher, mit Fragen
nicht in ihn zu dringen, sondern nur zu-
weilen einen physiognomischen Akkord an-
zuschlagen, um seinen Geist dadurch zu er-
wecken. Das gelang nicht eher als gegen
Sonnenuntergang, da wir vor dem Haus
unter einem Lindenbaum saßen. Kam ein
bejahrter Mann angeritten, der vor den
Wirthshaus anhielt, einen Trunk begehrt,
und darauf seines Weges fortritt.

Das war zuverläßig, fieng ich an, ein
Accißeinnehmer, Rechnungsbeamter, oder
einer, der in Ziffern und Gelde wühlt,
solches ordnet, unterscheidet, in Fächer
sortirt und zu Buche bringt, eine ganz ta-
bellarische Seele. Sonst ein fein ehrlich

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N 4

gings ſo ſtill her, als bey einem Leicheſſen;
alle Verſuche, dem Fremdling die Zung zu
loͤſen, waren vergebens. Wollt’ nichts
heraus; dafuͤr aber gings einwaͤrts deſto
beſſer. Jch merkt’, daß das eine Virtuo-
ſenlaune ſey, beſchloß daher, mit Fragen
nicht in ihn zu dringen, ſondern nur zu-
weilen einen phyſiognomiſchen Akkord an-
zuſchlagen, um ſeinen Geiſt dadurch zu er-
wecken. Das gelang nicht eher als gegen
Sonnenuntergang, da wir vor dem Haus
unter einem Lindenbaum ſaßen. Kam ein
bejahrter Mann angeritten, der vor den
Wirthshaus anhielt, einen Trunk begehrt,
und darauf ſeines Weges fortritt.

Das war zuverlaͤßig, fieng ich an, ein
Accißeinnehmer, Rechnungsbeamter, oder
einer, der in Ziffern und Gelde wuͤhlt,
ſolches ordnet, unterſcheidet, in Faͤcher
ſortirt und zu Buche bringt, eine ganz ta-
bellariſche Seele. Sonſt ein fein ehrlich

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[199/0199] gings ſo ſtill her, als bey einem Leicheſſen; alle Verſuche, dem Fremdling die Zung zu loͤſen, waren vergebens. Wollt’ nichts heraus; dafuͤr aber gings einwaͤrts deſto beſſer. Jch merkt’, daß das eine Virtuo- ſenlaune ſey, beſchloß daher, mit Fragen nicht in ihn zu dringen, ſondern nur zu- weilen einen phyſiognomiſchen Akkord an- zuſchlagen, um ſeinen Geiſt dadurch zu er- wecken. Das gelang nicht eher als gegen Sonnenuntergang, da wir vor dem Haus unter einem Lindenbaum ſaßen. Kam ein bejahrter Mann angeritten, der vor den Wirthshaus anhielt, einen Trunk begehrt, und darauf ſeines Weges fortritt. Das war zuverlaͤßig, fieng ich an, ein Accißeinnehmer, Rechnungsbeamter, oder einer, der in Ziffern und Gelde wuͤhlt, ſolches ordnet, unterſcheidet, in Faͤcher ſortirt und zu Buche bringt, eine ganz ta- bellariſche Seele. Sonſt ein fein ehrlich Ge- N 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/199>, abgerufen am 21.11.2024.