Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

denen, die mich annahmen, mußt ich mich
durch ein Geschwader Umständlichkeiten
durchhauen, eh ich sie auf den rechten Trich-
ter bracht, daß die Zeit unnütz drüber verlief.
Jch lauert' auf ein Wort aus der Fülle des
Herzens, auf einen Blick, der Herzen zu
Herzen reißt, auf ein warmes sympatheti-
sches Gefühl -- Vergebens! war alles
eiskalt und tod um mich her. Jch griff
mehr als einmal in meinen Busen, wollt'
fühlen, ob sich da was rege; doch hier stund
die Fahn' auch aus Norden her, deutet' auf
kalte schauerhafte Witterung.

Wenn's practice nicht geht, dacht ich,
so geht's vielleicht theoretice, ein Weg muß
doch ins Holz führen. Drauf hub ich mei-
nen Spruch von Physiognomik an, redet
vorerst von ihrem Wesen, Form und Ge-
stalt, hernach von ihrer Frucht und Nutzen,
und beschloß mit einem treuherzigen Be-
kenntniß meines Glaubens daran. Nun

meynt

denen, die mich annahmen, mußt ich mich
durch ein Geſchwader Umſtaͤndlichkeiten
durchhauen, eh ich ſie auf den rechten Trich-
ter bracht, daß die Zeit unnuͤtz druͤber verlief.
Jch lauert’ auf ein Wort aus der Fuͤlle des
Herzens, auf einen Blick, der Herzen zu
Herzen reißt, auf ein warmes ſympatheti-
ſches Gefuͤhl — Vergebens! war alles
eiskalt und tod um mich her. Jch griff
mehr als einmal in meinen Buſen, wollt’
fuͤhlen, ob ſich da was rege; doch hier ſtund
die Fahn’ auch aus Norden her, deutet’ auf
kalte ſchauerhafte Witterung.

Wenn’s practice nicht geht, dacht ich,
ſo geht’s vielleicht theoretice, ein Weg muß
doch ins Holz fuͤhren. Drauf hub ich mei-
nen Spruch von Phyſiognomik an, redet
vorerſt von ihrem Weſen, Form und Ge-
ſtalt, hernach von ihrer Frucht und Nutzen,
und beſchloß mit einem treuherzigen Be-
kenntniß meines Glaubens daran. Nun

meynt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="32"/>
denen, die mich annahmen, mußt ich mich<lb/>
durch ein Ge&#x017F;chwader Um&#x017F;ta&#x0364;ndlichkeiten<lb/>
durchhauen, eh ich &#x017F;ie auf den rechten Trich-<lb/>
ter bracht, daß die Zeit unnu&#x0364;tz dru&#x0364;ber verlief.<lb/>
Jch lauert&#x2019; auf ein Wort aus der Fu&#x0364;lle des<lb/>
Herzens, auf einen Blick, der Herzen zu<lb/>
Herzen reißt, auf ein warmes &#x017F;ympatheti-<lb/>
&#x017F;ches Gefu&#x0364;hl &#x2014; Vergebens! war alles<lb/>
eiskalt und tod um mich her. Jch griff<lb/>
mehr als einmal in meinen Bu&#x017F;en, wollt&#x2019;<lb/>
fu&#x0364;hlen, ob &#x017F;ich da was rege; doch hier &#x017F;tund<lb/>
die Fahn&#x2019; auch aus Norden her, deutet&#x2019; auf<lb/>
kalte &#x017F;chauerhafte Witterung.</p><lb/>
        <p>Wenn&#x2019;s <hi rendition="#aq">practice</hi> nicht geht, dacht ich,<lb/>
&#x017F;o geht&#x2019;s vielleicht <hi rendition="#aq">theoretice,</hi> ein Weg muß<lb/>
doch ins Holz fu&#x0364;hren. Drauf hub ich mei-<lb/>
nen Spruch von Phy&#x017F;iognomik an, redet<lb/>
vorer&#x017F;t von ihrem We&#x017F;en, Form und Ge-<lb/>
&#x017F;talt, hernach von ihrer Frucht und Nutzen,<lb/>
und be&#x017F;chloß mit einem treuherzigen Be-<lb/>
kenntniß meines Glaubens daran. Nun<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">meynt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0032] denen, die mich annahmen, mußt ich mich durch ein Geſchwader Umſtaͤndlichkeiten durchhauen, eh ich ſie auf den rechten Trich- ter bracht, daß die Zeit unnuͤtz druͤber verlief. Jch lauert’ auf ein Wort aus der Fuͤlle des Herzens, auf einen Blick, der Herzen zu Herzen reißt, auf ein warmes ſympatheti- ſches Gefuͤhl — Vergebens! war alles eiskalt und tod um mich her. Jch griff mehr als einmal in meinen Buſen, wollt’ fuͤhlen, ob ſich da was rege; doch hier ſtund die Fahn’ auch aus Norden her, deutet’ auf kalte ſchauerhafte Witterung. Wenn’s practice nicht geht, dacht ich, ſo geht’s vielleicht theoretice, ein Weg muß doch ins Holz fuͤhren. Drauf hub ich mei- nen Spruch von Phyſiognomik an, redet vorerſt von ihrem Weſen, Form und Ge- ſtalt, hernach von ihrer Frucht und Nutzen, und beſchloß mit einem treuherzigen Be- kenntniß meines Glaubens daran. Nun meynt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/32
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/32>, abgerufen am 23.11.2024.