Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

meynt ich, lägen die Würfel auf dem Tisch;
würde das Spiel schon anheben. Wenn
die Herren Antiphysiognostiker wären, wür-
den sie ihre Gegenargumente auf mich
loßdonnern, und da würde sich bald zeigen,
wer den andern niederdisputirt, ich nahms
mit jedem auf. Auch diese Bravade war
ohne Wirkung, ließ sich keiner aus seinem
Hinterhalt ins freye Feld locken. Einer
nahm einmal ums andre eine Prise, um
mir gelegentlich seine goldne Dose zu zeigen,
ein Andrer sah an die Uhr und rückte mäch-
tig auf dem Stuhl herum als wenn er mit
Feigwarzen geplagt wär, und so gings
überall, daß mir keiner zur Red stehen
wollt. Das war mir gar nicht zu Sinn,
kam daher ganz unlustig wieder in meine
Herberg. 'S ging mir bald so wie dem
ehrlichen Tyroler, der vor etlichen Jahren
mit kurzer Waar auf meinem Hof kam,
mocht' auch wohl des Hausirers erste Aus-

flucht
C

meynt ich, laͤgen die Wuͤrfel auf dem Tiſch;
wuͤrde das Spiel ſchon anheben. Wenn
die Herren Antiphyſiognoſtiker waͤren, wuͤr-
den ſie ihre Gegenargumente auf mich
loßdonnern, und da wuͤrde ſich bald zeigen,
wer den andern niederdiſputirt, ich nahms
mit jedem auf. Auch dieſe Bravade war
ohne Wirkung, ließ ſich keiner aus ſeinem
Hinterhalt ins freye Feld locken. Einer
nahm einmal ums andre eine Priſe, um
mir gelegentlich ſeine goldne Doſe zu zeigen,
ein Andrer ſah an die Uhr und ruͤckte maͤch-
tig auf dem Stuhl herum als wenn er mit
Feigwarzen geplagt waͤr, und ſo gings
uͤberall, daß mir keiner zur Red ſtehen
wollt. Das war mir gar nicht zu Sinn,
kam daher ganz unluſtig wieder in meine
Herberg. ’S ging mir bald ſo wie dem
ehrlichen Tyroler, der vor etlichen Jahren
mit kurzer Waar auf meinem Hof kam,
mocht’ auch wohl des Hauſirers erſte Aus-

flucht
C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="33"/>
meynt ich, la&#x0364;gen die Wu&#x0364;rfel auf dem Ti&#x017F;ch;<lb/>
wu&#x0364;rde das Spiel &#x017F;chon anheben. Wenn<lb/>
die Herren Antiphy&#x017F;iogno&#x017F;tiker wa&#x0364;ren, wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ie ihre Gegenargumente auf mich<lb/>
loßdonnern, und da wu&#x0364;rde &#x017F;ich bald zeigen,<lb/>
wer den andern niederdi&#x017F;putirt, ich nahms<lb/>
mit jedem auf. Auch die&#x017F;e Bravade war<lb/>
ohne Wirkung, ließ &#x017F;ich keiner aus &#x017F;einem<lb/>
Hinterhalt ins freye Feld locken. Einer<lb/>
nahm einmal ums andre eine Pri&#x017F;e, um<lb/>
mir gelegentlich &#x017F;eine goldne Do&#x017F;e zu zeigen,<lb/>
ein Andrer &#x017F;ah an die Uhr und ru&#x0364;ckte ma&#x0364;ch-<lb/>
tig auf dem Stuhl herum als wenn er mit<lb/>
Feigwarzen geplagt wa&#x0364;r, und &#x017F;o gings<lb/>
u&#x0364;berall, daß mir keiner zur Red &#x017F;tehen<lb/>
wollt. Das war mir gar nicht zu Sinn,<lb/>
kam daher ganz unlu&#x017F;tig wieder in meine<lb/>
Herberg. &#x2019;S ging mir bald &#x017F;o wie dem<lb/>
ehrlichen Tyroler, der vor etlichen Jahren<lb/>
mit kurzer Waar auf meinem Hof kam,<lb/>
mocht&#x2019; auch wohl des Hau&#x017F;irers er&#x017F;te Aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">flucht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0033] meynt ich, laͤgen die Wuͤrfel auf dem Tiſch; wuͤrde das Spiel ſchon anheben. Wenn die Herren Antiphyſiognoſtiker waͤren, wuͤr- den ſie ihre Gegenargumente auf mich loßdonnern, und da wuͤrde ſich bald zeigen, wer den andern niederdiſputirt, ich nahms mit jedem auf. Auch dieſe Bravade war ohne Wirkung, ließ ſich keiner aus ſeinem Hinterhalt ins freye Feld locken. Einer nahm einmal ums andre eine Priſe, um mir gelegentlich ſeine goldne Doſe zu zeigen, ein Andrer ſah an die Uhr und ruͤckte maͤch- tig auf dem Stuhl herum als wenn er mit Feigwarzen geplagt waͤr, und ſo gings uͤberall, daß mir keiner zur Red ſtehen wollt. Das war mir gar nicht zu Sinn, kam daher ganz unluſtig wieder in meine Herberg. ’S ging mir bald ſo wie dem ehrlichen Tyroler, der vor etlichen Jahren mit kurzer Waar auf meinem Hof kam, mocht’ auch wohl des Hauſirers erſte Aus- flucht C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/33
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/33>, abgerufen am 30.04.2024.