pante drunter; aber die eine zog all mein' Aufmerksamkeit auf sich. Stund ein etwas kurzer stämmiger Mann beym Ofen, dessen Gesicht der ganzen physiognomischen Kunst Hohn sprach, daß ich ihm keinen festen be- deutsamen Zug abgewinnen konnt, ob ich gleich einigemal hart an ihn sezt. Fand, daß Sasto gar recht gesagt hatte, je weni- ger einer von einer Sach begreift, desto mehr macht er sich damit zu schaffen; ich sann und sann, meine Spähkraft fruchtet' nichts, und der physiognomische Magnetis- mus blieb unwirksam, nicht anders als wenn der Mann einen verborgnen Talis- mann an sich trüg. Weil ich nichts posi- tives heraus bringen konnt', wie's zuwei- len begegnet, mußt ich Lehrlingsarbeit thun und mich an die negative Deutung halten. Jn diesem Gesicht, sprach ich heimlich zu mir, find ich keine scharf und festgezeichne- ten noch tiefliegende Augen, auch keine Aug-
brau-
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pante drunter; aber die eine zog all mein’ Aufmerkſamkeit auf ſich. Stund ein etwas kurzer ſtaͤmmiger Mann beym Ofen, deſſen Geſicht der ganzen phyſiognomiſchen Kunſt Hohn ſprach, daß ich ihm keinen feſten be- deutſamen Zug abgewinnen konnt, ob ich gleich einigemal hart an ihn ſezt. Fand, daß Saſto gar recht geſagt hatte, je weni- ger einer von einer Sach begreift, deſto mehr macht er ſich damit zu ſchaffen; ich ſann und ſann, meine Spaͤhkraft fruchtet’ nichts, und der phyſiognomiſche Magnetiſ- mus blieb unwirkſam, nicht anders als wenn der Mann einen verborgnen Talis- mann an ſich truͤg. Weil ich nichts poſi- tives heraus bringen konnt’, wie’s zuwei- len begegnet, mußt ich Lehrlingsarbeit thun und mich an die negative Deutung halten. Jn dieſem Geſicht, ſprach ich heimlich zu mir, find ich keine ſcharf und feſtgezeichne- ten noch tiefliegende Augen, auch keine Aug-
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pante drunter; aber die eine zog all mein’
Aufmerkſamkeit auf ſich. Stund ein etwas
kurzer ſtaͤmmiger Mann beym Ofen, deſſen
Geſicht der ganzen phyſiognomiſchen Kunſt
Hohn ſprach, daß ich ihm keinen feſten be-
deutſamen Zug abgewinnen konnt, ob ich
gleich einigemal hart an ihn ſezt. Fand,
daß Saſto gar recht geſagt hatte, je weni-
ger einer von einer Sach begreift, deſto
mehr macht er ſich damit zu ſchaffen; ich
ſann und ſann, meine Spaͤhkraft fruchtet’
nichts, und der phyſiognomiſche Magnetiſ-
mus blieb unwirkſam, nicht anders als
wenn der Mann einen verborgnen Talis-
mann an ſich truͤg. Weil ich nichts poſi-
tives heraus bringen konnt’, wie’s zuwei-
len begegnet, mußt ich Lehrlingsarbeit thun
und mich an die negative Deutung halten.
Jn dieſem Geſicht, ſprach ich heimlich zu
mir, find ich keine ſcharf und feſtgezeichne-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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