Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

einander, um das Verlöschen zu verhindern.
Das war der Fall, in dem ich mich vor-
hin befand. Mit der Nachtmütze hat es
gleiche Bewandniß; ich kann Sie versichern,
daß ich meine Mütze gewiß in alle die La-
gen zu bringen pflege, in die Klopstock die
seinige faltet. Wenn ich bey meiner Ueber-
setzerarbeit einen Gedanken nicht gleich-
spitzen und körnen, oder einen Perioden
nicht füglich runden kann; so fliegt unwill-
kührlich die Mütze von einem Ohr aufs an-
dere; ich ziehe sie bald tief in die Augen,
bald weit über die Stirn zurück. Wenn
es mit der Uebersetzerarbeit nicht fort will,
werf ich sie zuweilen gar aus Verdruß ge-
gen die Wand. So laß ich meine Mütze
oft Uebersetzerlaunen entgelten, wie die
Klopstockische ausser Zweifel poetischen En-
thusiasmus entgilt, ohne dabey Stolz zu
manifestiren. Zum andern ist es unweis-
lich, augenblickliche Zufälligkeiten zu Cha-

rakter-

einander, um das Verloͤſchen zu verhindern.
Das war der Fall, in dem ich mich vor-
hin befand. Mit der Nachtmuͤtze hat es
gleiche Bewandniß; ich kann Sie verſichern,
daß ich meine Muͤtze gewiß in alle die La-
gen zu bringen pflege, in die Klopſtock die
ſeinige faltet. Wenn ich bey meiner Ueber-
ſetzerarbeit einen Gedanken nicht gleich-
ſpitzen und koͤrnen, oder einen Perioden
nicht fuͤglich runden kann; ſo fliegt unwill-
kuͤhrlich die Muͤtze von einem Ohr aufs an-
dere; ich ziehe ſie bald tief in die Augen,
bald weit uͤber die Stirn zuruͤck. Wenn
es mit der Ueberſetzerarbeit nicht fort will,
werf ich ſie zuweilen gar aus Verdruß ge-
gen die Wand. So laß ich meine Muͤtze
oft Ueberſetzerlaunen entgelten, wie die
Klopſtockiſche auſſer Zweifel poetiſchen En-
thuſiaſmus entgilt, ohne dabey Stolz zu
manifeſtiren. Zum andern iſt es unweis-
lich, augenblickliche Zufaͤlligkeiten zu Cha-

rakter-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="75"/>
einander, um das Verlo&#x0364;&#x017F;chen zu verhindern.<lb/>
Das war der Fall, in dem ich mich vor-<lb/>
hin befand. Mit der Nachtmu&#x0364;tze hat es<lb/>
gleiche Bewandniß; ich kann Sie ver&#x017F;ichern,<lb/>
daß ich meine Mu&#x0364;tze gewiß in alle die La-<lb/>
gen zu bringen pflege, in die Klop&#x017F;tock die<lb/>
&#x017F;einige faltet. Wenn ich bey meiner Ueber-<lb/>
&#x017F;etzerarbeit einen Gedanken nicht gleich-<lb/>
&#x017F;pitzen und ko&#x0364;rnen, oder einen Perioden<lb/>
nicht fu&#x0364;glich runden kann; &#x017F;o fliegt unwill-<lb/>
ku&#x0364;hrlich die Mu&#x0364;tze von einem Ohr aufs an-<lb/>
dere; ich ziehe &#x017F;ie bald tief in die Augen,<lb/>
bald weit u&#x0364;ber die Stirn zuru&#x0364;ck. Wenn<lb/>
es mit der Ueber&#x017F;etzerarbeit nicht fort will,<lb/>
werf ich &#x017F;ie zuweilen gar aus Verdruß ge-<lb/>
gen die Wand. So laß ich meine Mu&#x0364;tze<lb/>
oft Ueber&#x017F;etzerlaunen entgelten, wie die<lb/>
Klop&#x017F;tocki&#x017F;che au&#x017F;&#x017F;er Zweifel poeti&#x017F;chen En-<lb/>
thu&#x017F;ia&#x017F;mus entgilt, ohne dabey Stolz zu<lb/>
manife&#x017F;tiren. Zum andern i&#x017F;t es unweis-<lb/>
lich, augenblickliche Zufa&#x0364;lligkeiten zu Cha-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rakter-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0075] einander, um das Verloͤſchen zu verhindern. Das war der Fall, in dem ich mich vor- hin befand. Mit der Nachtmuͤtze hat es gleiche Bewandniß; ich kann Sie verſichern, daß ich meine Muͤtze gewiß in alle die La- gen zu bringen pflege, in die Klopſtock die ſeinige faltet. Wenn ich bey meiner Ueber- ſetzerarbeit einen Gedanken nicht gleich- ſpitzen und koͤrnen, oder einen Perioden nicht fuͤglich runden kann; ſo fliegt unwill- kuͤhrlich die Muͤtze von einem Ohr aufs an- dere; ich ziehe ſie bald tief in die Augen, bald weit uͤber die Stirn zuruͤck. Wenn es mit der Ueberſetzerarbeit nicht fort will, werf ich ſie zuweilen gar aus Verdruß ge- gen die Wand. So laß ich meine Muͤtze oft Ueberſetzerlaunen entgelten, wie die Klopſtockiſche auſſer Zweifel poetiſchen En- thuſiaſmus entgilt, ohne dabey Stolz zu manifeſtiren. Zum andern iſt es unweis- lich, augenblickliche Zufaͤlligkeiten zu Cha- rakter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/75
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/75>, abgerufen am 04.12.2024.