Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

der Künstler nicht nachzubilden, oder doch
der Seher Lavater aus'm Bild nicht her-
aus zu finden; und wo's von Gott und
Rechtswegen nicht seyn darf, vermeint's
ein Kind zu sehen. -- Nun was hatte
der Herr noch auf dem Herzen?

"Nichts mehr als einen usum epanor-
thoticum.
"

Wie lautet der?

"Wenn doch unsre Malerakademisten,
deren wir jezt viel haben, physiognomische
und unphysiognomische, nicht so früh, ehe
sie den Pinsel zu führen wissen, sich an
schwere Köpfe wagen, sondern fein beym
hölzernen Gliedermann idealischer Charak-
tere bleiben wollten, den sie drehen und
schrauben können, wie sie wollen. Denn
schwere Originale vorzunehmen, und sie
mit bisarren Schwinglinien, die nur einem
Hogarth zu Gebothe stehen, zu karrikaturi-
ren; und wenn sie ihr Hornbildgen ohne

Sinn

der Kuͤnſtler nicht nachzubilden, oder doch
der Seher Lavater aus’m Bild nicht her-
aus zu finden; und wo’s von Gott und
Rechtswegen nicht ſeyn darf, vermeint’s
ein Kind zu ſehen. — Nun was hatte
der Herr noch auf dem Herzen?

„Nichts mehr als einen uſum epanor-
thoticum.

Wie lautet der?

„Wenn doch unſre Malerakademiſten,
deren wir jezt viel haben, phyſiognomiſche
und unphyſiognomiſche, nicht ſo fruͤh, ehe
ſie den Pinſel zu fuͤhren wiſſen, ſich an
ſchwere Koͤpfe wagen, ſondern fein beym
hoͤlzernen Gliedermann idealiſcher Charak-
tere bleiben wollten, den ſie drehen und
ſchrauben koͤnnen, wie ſie wollen. Denn
ſchwere Originale vorzunehmen, und ſie
mit biſarren Schwinglinien, die nur einem
Hogarth zu Gebothe ſtehen, zu karrikaturi-
ren; und wenn ſie ihr Hornbildgen ohne

Sinn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="80"/>
der Ku&#x0364;n&#x017F;tler nicht nachzubilden, oder doch<lb/>
der Seher Lavater aus&#x2019;m Bild nicht her-<lb/>
aus zu finden; und wo&#x2019;s von Gott und<lb/>
Rechtswegen nicht &#x017F;eyn darf, vermeint&#x2019;s<lb/>
ein Kind zu &#x017F;ehen. &#x2014; Nun was hatte<lb/>
der Herr noch auf dem Herzen?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts mehr als einen <hi rendition="#aq">u&#x017F;um epanor-<lb/>
thoticum.</hi>&#x201E;</p><lb/>
        <p>Wie lautet der?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn doch un&#x017F;re Malerakademi&#x017F;ten,<lb/>
deren wir jezt viel haben, phy&#x017F;iognomi&#x017F;che<lb/>
und unphy&#x017F;iognomi&#x017F;che, nicht &#x017F;o fru&#x0364;h, ehe<lb/>
&#x017F;ie den Pin&#x017F;el zu fu&#x0364;hren wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich an<lb/>
&#x017F;chwere Ko&#x0364;pfe wagen, &#x017F;ondern fein beym<lb/>
ho&#x0364;lzernen Gliedermann ideali&#x017F;cher Charak-<lb/>
tere bleiben wollten, den &#x017F;ie drehen und<lb/>
&#x017F;chrauben ko&#x0364;nnen, wie &#x017F;ie wollen. Denn<lb/>
&#x017F;chwere Originale vorzunehmen, und &#x017F;ie<lb/>
mit bi&#x017F;arren Schwinglinien, die nur einem<lb/>
Hogarth zu Gebothe &#x017F;tehen, zu karrikaturi-<lb/>
ren; und wenn &#x017F;ie ihr Hornbildgen ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sinn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0080] der Kuͤnſtler nicht nachzubilden, oder doch der Seher Lavater aus’m Bild nicht her- aus zu finden; und wo’s von Gott und Rechtswegen nicht ſeyn darf, vermeint’s ein Kind zu ſehen. — Nun was hatte der Herr noch auf dem Herzen? „Nichts mehr als einen uſum epanor- thoticum.„ Wie lautet der? „Wenn doch unſre Malerakademiſten, deren wir jezt viel haben, phyſiognomiſche und unphyſiognomiſche, nicht ſo fruͤh, ehe ſie den Pinſel zu fuͤhren wiſſen, ſich an ſchwere Koͤpfe wagen, ſondern fein beym hoͤlzernen Gliedermann idealiſcher Charak- tere bleiben wollten, den ſie drehen und ſchrauben koͤnnen, wie ſie wollen. Denn ſchwere Originale vorzunehmen, und ſie mit biſarren Schwinglinien, die nur einem Hogarth zu Gebothe ſtehen, zu karrikaturi- ren; und wenn ſie ihr Hornbildgen ohne Sinn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/80
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/80>, abgerufen am 17.05.2024.