Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.sich, als Wirthin etwas zu sagen, und dann wußte Günther hatte sich nicht besinnungslos getrunken, ſich, als Wirthin etwas zu ſagen, und dann wußte Günther hatte ſich nicht beſinnungslos getrunken, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0100" n="94"/> ſich, als Wirthin etwas zu ſagen, und dann wußte<lb/> ſie, daß Günther in ſolchen Dingen ſich nichts ſagen<lb/> ließ. Die Herrengeſellſchaft ward immer lauter, die<lb/> Frauen ſahen ſich bedenklich an. Klärchen klagte, daß<lb/> ihr Mann ſchon ſeit einigen Tagen unwohl ſei und<lb/> daß ihm der Wein ſehr ſchlecht bekommen würde. Er<lb/> ward auch immer bleicher, ſeine Hände zitterten auf¬<lb/> fallend, ſeine Zunge lallte. Doch war er nicht der<lb/> Schlimmſte. In der Ecke des Mahagoniſopha's ſchlum¬<lb/> merte der Rendant, und einer von den jungen Kauf¬<lb/> mannsdienern hatte ſich ſchon entfernt. Die Frauen<lb/> drangen jetzt auf die Auflöſung der Geſellſchaft. Das<lb/> war mit den angetrunkenen Männern nicht leicht zu<lb/> bewerkſtelligen, aber es gelang ihnen endlich, und<lb/> Klärchen war mit dem Mann und der Mutter allein.</p><lb/> <p>Günther hatte ſich nicht beſinnungslos getrunken,<lb/> weil er viel vertragen konnte; er wußte, daß ihm<lb/> Schlafen jetzt das Beſte ſei und legte ſich zu Bett.<lb/> Die Mutter ging nach Haus, weil ſie nicht Luſt hatte,<lb/> Taſſen und Gläſer zu waſchen und aufzuräumen, und<lb/> Klärchen ſaß nun in der eleganten Stube allein. Sie<lb/> hatte aber auch nicht Luſt zum Aufräumen, ſie mußte<lb/> ſich erſt beſinnen von der vielen Unruhe, ſetzte ſich<lb/> auf den Sitz im Fenſter und ſchaute hinaus auf die<lb/> Straße. Der blaue Himmel und helle Sonnenſchein<lb/> lockte Spatziergänger in das Freie, auch vor dem Hotel<lb/> war es ſehr lebendig, Wagen fuhren, Wagen kamen,<lb/> und es war ganz unterhaltend, das anzuſehen. Ja<lb/> unterhaltend, aber nicht für Klärchen. Ihr Herz war<lb/> ſchwer, ohne daß ſie recht wußte, was ſie wollte. Sie<lb/> war nun am Ziel ihrer Wünſche, ſie konnte herrlich<lb/></p> </body> </text> </TEI> [94/0100]
ſich, als Wirthin etwas zu ſagen, und dann wußte
ſie, daß Günther in ſolchen Dingen ſich nichts ſagen
ließ. Die Herrengeſellſchaft ward immer lauter, die
Frauen ſahen ſich bedenklich an. Klärchen klagte, daß
ihr Mann ſchon ſeit einigen Tagen unwohl ſei und
daß ihm der Wein ſehr ſchlecht bekommen würde. Er
ward auch immer bleicher, ſeine Hände zitterten auf¬
fallend, ſeine Zunge lallte. Doch war er nicht der
Schlimmſte. In der Ecke des Mahagoniſopha's ſchlum¬
merte der Rendant, und einer von den jungen Kauf¬
mannsdienern hatte ſich ſchon entfernt. Die Frauen
drangen jetzt auf die Auflöſung der Geſellſchaft. Das
war mit den angetrunkenen Männern nicht leicht zu
bewerkſtelligen, aber es gelang ihnen endlich, und
Klärchen war mit dem Mann und der Mutter allein.
Günther hatte ſich nicht beſinnungslos getrunken,
weil er viel vertragen konnte; er wußte, daß ihm
Schlafen jetzt das Beſte ſei und legte ſich zu Bett.
Die Mutter ging nach Haus, weil ſie nicht Luſt hatte,
Taſſen und Gläſer zu waſchen und aufzuräumen, und
Klärchen ſaß nun in der eleganten Stube allein. Sie
hatte aber auch nicht Luſt zum Aufräumen, ſie mußte
ſich erſt beſinnen von der vielen Unruhe, ſetzte ſich
auf den Sitz im Fenſter und ſchaute hinaus auf die
Straße. Der blaue Himmel und helle Sonnenſchein
lockte Spatziergänger in das Freie, auch vor dem Hotel
war es ſehr lebendig, Wagen fuhren, Wagen kamen,
und es war ganz unterhaltend, das anzuſehen. Ja
unterhaltend, aber nicht für Klärchen. Ihr Herz war
ſchwer, ohne daß ſie recht wußte, was ſie wollte. Sie
war nun am Ziel ihrer Wünſche, ſie konnte herrlich
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