und vielleicht in einem schlichteren und wahreren Sinn als dies Schlagwort oft verwendet wird. Durch diesen universalen Charakter eignet sich der sprachliche Unterricht dann auch zur Anknüpfung vieles Sachlichen, das nicht in eigenen Fächern vertreten ist, so auch der philosophischen oder zur Philosophie wenigstens vorbereitenden Elemente, die schon im Unterricht der mittleren Stufe ihre Stelle haben; wovon weiterhin noch zu reden sein wird.
Vorzüglich aber bildet die Sprache den natürlichen Kon- zentrationspunkt alles aufs Kultürliche und folglich Geschicht- liche bezüglichen Unterrichts. Doch wäre es falsch, sie darum ganz dem Gesichtspunkte der geschichtlichen Bildung zu unter- stellen, wie hier und da eine Neigung sich verrät. Die Sprache ist ein historisches Produkt und eines der wichtigsten; sie ist andrerseits der Träger aller oder fast aller geschichtlichen Ueberlieferung. Allein sie ist noch etwas mehr als bloss ein Medium und wiederum ein Gegenstand der Ueberlieferung; sie ist über das alles und vor dem allen der unmittelbare Träger des gegenwärtigsten, und wiederum des zeit- und geschichts- losesten Inhalts des menschlichen Bewusstseins. Sie enthält, wiewohl unabgesondert, Elemente rein rationaler Ordnung: logische, ethische, ästhetische; und diese nicht bloss als ge- schichtlich überkommene, sondern vollkommen so, wie wir dies alles überhaupt geistig besitzen. Denn man besitzt und be- herrscht geistig nur, was man aussprechen, was man wenigstens in Gedanken, in der Fiktion (s. o. S. 75) mitteilen kann. Der Mensch ist Produkt seiner Vergangenheit, aber er ist auch Erzeuger seiner Zukunft. In aller eigentlich produktiven geistigen Thätigkeit steht er seinem Gegenstand, dessen Schöpfer er sich weiss, gegenüber, fast als ob es keine Vergangenheit gäbe. Vielleicht wendet man ein, wenigstens das Kind habe vorerst nur reproduktiv den Erkenntniserwerb der Vergangen- heit sich zu eigen zu machen. Aber im Gegenteil, gerade die ungeschichtliche Haltung ist die naive, also dem Kinde an- gemessenste. Geschichtsverständnis setzt eine lange voraus- gegangene, sozusagen geschichtslose Entwicklung voraus. Erst der schon weit Entwickelte kann sich die Aufgabe stellen,
und vielleicht in einem schlichteren und wahreren Sinn als dies Schlagwort oft verwendet wird. Durch diesen universalen Charakter eignet sich der sprachliche Unterricht dann auch zur Anknüpfung vieles Sachlichen, das nicht in eigenen Fächern vertreten ist, so auch der philosophischen oder zur Philosophie wenigstens vorbereitenden Elemente, die schon im Unterricht der mittleren Stufe ihre Stelle haben; wovon weiterhin noch zu reden sein wird.
Vorzüglich aber bildet die Sprache den natürlichen Kon- zentrationspunkt alles aufs Kultürliche und folglich Geschicht- liche bezüglichen Unterrichts. Doch wäre es falsch, sie darum ganz dem Gesichtspunkte der geschichtlichen Bildung zu unter- stellen, wie hier und da eine Neigung sich verrät. Die Sprache ist ein historisches Produkt und eines der wichtigsten; sie ist andrerseits der Träger aller oder fast aller geschichtlichen Ueberlieferung. Allein sie ist noch etwas mehr als bloss ein Medium und wiederum ein Gegenstand der Ueberlieferung; sie ist über das alles und vor dem allen der unmittelbare Träger des gegenwärtigsten, und wiederum des zeit- und geschichts- losesten Inhalts des menschlichen Bewusstseins. Sie enthält, wiewohl unabgesondert, Elemente rein rationaler Ordnung: logische, ethische, ästhetische; und diese nicht bloss als ge- schichtlich überkommene, sondern vollkommen so, wie wir dies alles überhaupt geistig besitzen. Denn man besitzt und be- herrscht geistig nur, was man aussprechen, was man wenigstens in Gedanken, in der Fiktion (s. o. S. 75) mitteilen kann. Der Mensch ist Produkt seiner Vergangenheit, aber er ist auch Erzeuger seiner Zukunft. In aller eigentlich produktiven geistigen Thätigkeit steht er seinem Gegenstand, dessen Schöpfer er sich weiss, gegenüber, fast als ob es keine Vergangenheit gäbe. Vielleicht wendet man ein, wenigstens das Kind habe vorerst nur reproduktiv den Erkenntniserwerb der Vergangen- heit sich zu eigen zu machen. Aber im Gegenteil, gerade die ungeschichtliche Haltung ist die naive, also dem Kinde an- gemessenste. Geschichtsverständnis setzt eine lange voraus- gegangene, sozusagen geschichtslose Entwicklung voraus. Erst der schon weit Entwickelte kann sich die Aufgabe stellen,
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und vielleicht in einem schlichteren und wahreren Sinn als
dies Schlagwort oft verwendet wird. Durch diesen universalen
Charakter eignet sich der sprachliche Unterricht dann auch
zur Anknüpfung vieles Sachlichen, das nicht in eigenen Fächern
vertreten ist, so auch der philosophischen oder zur Philosophie
wenigstens vorbereitenden Elemente, die schon im Unterricht
der mittleren Stufe ihre Stelle haben; wovon weiterhin noch
zu reden sein wird.
Vorzüglich aber bildet die Sprache den natürlichen Kon-
zentrationspunkt alles aufs Kultürliche und folglich Geschicht-
liche bezüglichen Unterrichts. Doch wäre es falsch, sie darum
ganz dem Gesichtspunkte der geschichtlichen Bildung zu unter-
stellen, wie hier und da eine Neigung sich verrät. Die Sprache
ist ein historisches Produkt und eines der wichtigsten; sie ist
andrerseits der Träger aller oder fast aller geschichtlichen
Ueberlieferung. Allein sie ist noch etwas mehr als bloss ein
Medium und wiederum ein Gegenstand der Ueberlieferung; sie
ist über das alles und vor dem allen der unmittelbare Träger
des gegenwärtigsten, und wiederum des zeit- und geschichts-
losesten Inhalts des menschlichen Bewusstseins. Sie enthält,
wiewohl unabgesondert, Elemente rein rationaler Ordnung:
logische, ethische, ästhetische; und diese nicht bloss als ge-
schichtlich überkommene, sondern vollkommen so, wie wir dies
alles überhaupt geistig besitzen. Denn man besitzt und be-
herrscht geistig nur, was man aussprechen, was man wenigstens
in Gedanken, in der Fiktion (s. o. S. 75) mitteilen kann. Der
Mensch ist Produkt seiner Vergangenheit, aber er ist auch
Erzeuger seiner Zukunft. In aller eigentlich produktiven
geistigen Thätigkeit steht er seinem Gegenstand, dessen Schöpfer
er sich weiss, gegenüber, fast als ob es keine Vergangenheit
gäbe. Vielleicht wendet man ein, wenigstens das Kind habe
vorerst nur reproduktiv den Erkenntniserwerb der Vergangen-
heit sich zu eigen zu machen. Aber im Gegenteil, gerade die
ungeschichtliche Haltung ist die naive, also dem Kinde an-
gemessenste. Geschichtsverständnis setzt eine lange voraus-
gegangene, sozusagen geschichtslose Entwicklung voraus. Erst
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Natorp, Paul: Sozialpädagogik. Stuttgart, 1899, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/natorp_sozialpaedagogik_1899/301>, abgerufen am 25.11.2024.
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