Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.Von Museis I. Theil den, wie denn auch die Schrifft in Regen und Wetter leicht ausgehet. Ge-lehrte und vernünfftige Leute, die es offt selber gesehen, sehen es für eine Ar- beit eines Copisten an, der sich die Mühe genommen, das Evangelium S. Marci abzucopien, um dadurch erstlich ein Manuscriptum, und durch obi- ge Procedur folglich das Alterthum zu erlangen: Ein ieder glaube indessen davon, was er will. Uber diesen geist- und weltlichen Schatz, ich meyne Reliquien und Edelgesteine, haben 2. Procuratores von S. Marco iederzeit die Administration; derohalben wird auch dasselbe niemalen, als aus be- sonderer Favenr, und in presence zum wenigsten einer dieser Herren geöff- net. Wir schliessen demnach hiemit das besehene Schatz-Haus wieder zu, und eröffnen hingegen Den Pallast S. Marci, worinnen der Doge seinen Hof und Residentz dem
Von Muſeis I. Theil den, wie denn auch die Schrifft in Regen und Wetter leicht ausgehet. Ge-lehrte und vernuͤnfftige Leute, die es offt ſelber geſehen, ſehen es fuͤr eine Ar- beit eines Copiſten an, der ſich die Muͤhe genommen, das Evangelium S. Marci abzucopien, um dadurch erſtlich ein Manuſcriptum, und durch obi- ge Procedur folglich das Alterthum zu erlangen: Ein ieder glaube indeſſen davon, was er will. Uber dieſen geiſt- und weltlichen Schatz, ich meyne Reliquien und Edelgeſteine, haben 2. Procuratores von S. Marco iederzeit die Adminiſtration; derohalben wird auch daſſelbe niemalen, als aus be- ſonderer Favenr, und in preſence zum wenigſten einer dieſer Herren geoͤff- net. Wir ſchlieſſen demnach hiemit das beſehene Schatz-Haus wieder zu, und eroͤffnen hingegen Den Pallaſt S. Marci, worinnen der Doge ſeinen Hof und Reſidentz dem
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Von Muſeis I. Theil
den, wie denn auch die Schrifft in Regen und Wetter leicht ausgehet. Ge-
lehrte und vernuͤnfftige Leute, die es offt ſelber geſehen, ſehen es fuͤr eine Ar-
beit eines Copiſten an, der ſich die Muͤhe genommen, das Evangelium S.
Marci abzucopien, um dadurch erſtlich ein Manuſcriptum, und durch obi-
ge Procedur folglich das Alterthum zu erlangen: Ein ieder glaube indeſſen
davon, was er will. Uber dieſen geiſt- und weltlichen Schatz, ich meyne
Reliquien und Edelgeſteine, haben 2. Procuratores von S. Marco iederzeit
die Adminiſtration; derohalben wird auch daſſelbe niemalen, als aus be-
ſonderer Favenr, und in preſence zum wenigſten einer dieſer Herren geoͤff-
net. Wir ſchlieſſen demnach hiemit das beſehene Schatz-Haus wieder
zu, und eroͤffnen hingegen
Den Pallaſt S. Marci, worinnen der Doge ſeinen Hof und Reſidentz
haͤlt. Wir uͤbergehen hier alle curieuſe Sachen, die hin und wieder in den
Gemaͤchern dieſes Pallaſtes haͤuffig zu beſehen ſeyn, und gehen gerades We-
ges nach dem groſſen Saal, Sala del Conſiglio de Diei genannt, allwo die
Regierung von Venedig ihren Conventum hat. Diß groſſe Gemach iſt
uͤber 60. Schritte lang, und 30. breit, und voller Seſſeln fuͤr die Venetiani-
ſchen Edelleute, deren bey 2000. ſeynd, die Macht haben in dieſem Rath zu
erſcheinen. Auf beyden Seiten iſt dieſer groſſe Saal von den kunſtreichſten
Mahlern, die iemals in Jtalien geweſen, bemahlet, und uͤberdiß hangen in
dieſen und andern Gemaͤchern die Contrefaits aller Dogen von Venedig;
der Doge ſitzet bey der Verſammlung hinten am Ende des Saals, uͤber deſ-
ſen Thron der gantze Raum obenher die Repræſentation des Himmels von
Tintoret in einer ſchoͤnen Geſtalt gemahlet iſt. Naͤchſt an dieſem groſſen
Gemach nun iſt das ſogenannte kleine Zeug-Haus vermittelſt einer Gallerie
angebauet. Die Urſache, warum man ein Rath- und Zeug-Haus ſo na-
he allhier bey einander hat, wird iederman bekandt ſeyn, daß nemlich ein ge-
wiſſer Verraͤther Bajamante Theopoli mit 800. ſeiner Cameraden ein ſolch
verraͤtheriſch Spiel vorgehabt, den gantzen ſitzenden Venetianiſchen Rath
in ihrer Verſammlung zu toͤdten, und ſich alſo Meiſter und Herr von dieſer
Stadt zu machen: Allein ein Weib, welche dieſen Boͤſewicht unter ihrem
Fenſter vorbey marchiren ſahe, warff ihm einen groſſen irdenen Blumen-
Topff von oben auf ſein verraͤtheriſch Haupt, daß er alſobald das Licht aus-
bließ; da denn ſein Anhang, wie ſie den Tod ihres Fuͤhrers geſehen, alſo-
bald auch das Reißaus genommen: Von der Zeit an hat die Signorie be-
ſchloſſen, dieſes kleine Arſenal bey dem Sala del Conſiglio anzulegen. So
offt nun in dieſem Saal Rath gehalten wird, leget man den Schluͤſſel von
dieſem Zeug-Haus vor des Dogen Fuͤſſen, in ſeiner Abweſenheit aber vor
dem
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