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Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727.

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Das V. Capitel.
barte, ihr andächtiges und von Göttlicher Liebe brennendes doch nicht ver-
zehrendes, Hertze. An der Seite liegt bey ihr ein Lamm-Fell, ihre reine
weisse Unschuld und Jungfrauschafft anzeigende. Jhr Proviant-Korb bey
ihr stehend soll andeuten, daß, ob sie gleich GOttes Sohn zur Welt geboh-
ren, sie dennoch, wie ein ander Mensch, ihrer leiblichen Nothdurfft bedürfftig
gewesen sey. Der vor der Thür zu GOtt betende Engel, über dessen Haupt
der Heil. Geist in Gestalt einer Taube schwebet, bedeutet erstlich die sichere
Behütung und Bewahrung der Auserwählten, zum andern, durch den in
des Engels Hand befindlichen Lilien-Zweig, die rechte reine Religion und
wahren Glauben, und überhaupt stellet der kniend-betende Engel vor die
heilige Andacht in der Würckung des darüber schwebenden Heil. Geistes.
Die 4. verfolgende und ängstende Hunde aber bedeuten etwan die Sünde,
den Teufel, die Anfechtung und Verzweiflung. Jch rede auf Papistische
Art, weil dieses Epitaphium noch aus dem Römisch-Catholischen Alter-
thum herrühret. Diß ist meine Meynung von diesem Epitaphio, ein ande-
rer glaube und dencke davon, was ihm beliebet. Es sind hier noch sehens-
würdig die alabasterne Tauffe, und das wohl gebauete Altar.

Jn der vierten Haupt-Kirche S. Jacobi

Siehet man eine ziemlich-grosse, neue, vollkommene Orgel, inglei-
chen den auf Unkosten des Hrn. Michael Wilckens, eines Mit-Glieds des
Raths, neu-erbauten köstlichen Altar, nach dem Modell des zu S. Nicolai
befindlichen verfertiget: Uber dem admiriret man hier viele Gemählde und
ausgehauene Epitaphia. Auf dem Thurm kan man von einer hohen Gal-
lerie,
so um denselben gehet, plaisirlich die umliegende Gegend weit und breit
beschauen.

Die fünffte Haupt-Kirche ist die S. Michaelis,
in der Neustadt.

Dieses neue Gebäue ist Ao. 1649. den 26. Aprilis angefangen, und
in 12. Jahren, nemlich 1661. den 14. Martii vollzogen; der Thurm
aber allererst 1669. zum Stande gebracht worden. Die zierlich-erbaute
Orgel und Altar, neu-inventionirte Tauffe und Chor, geben einem Cu-
riös
en, diese Kirche nebst denen darinn befindlichen Gemählden und Epita-
phi
en zu besichtigen, Ursach, nicht weniger ziehet das curiöse gegypste Ge-
wölb
und zierlich doch hoch-erbaute Thurm, die, so solches bsichtigen, zur
Bewunderung.

Die alte Ertz-Stiffts-Kirche, der Dom

Jst für einen Liebhaber der Antiquität ein schöner Ort, weil er solche

in
G

Das V. Capitel.
barte, ihr andaͤchtiges und von Goͤttlicher Liebe brennendes doch nicht ver-
zehrendes, Hertze. An der Seite liegt bey ihr ein Lamm-Fell, ihre reine
weiſſe Unſchuld und Jungfrauſchafft anzeigende. Jhr Proviant-Korb bey
ihr ſtehend ſoll andeuten, daß, ob ſie gleich GOttes Sohn zur Welt geboh-
ren, ſie dennoch, wie ein ander Menſch, ihrer leiblichen Nothdurfft beduͤrfftig
geweſen ſey. Der vor der Thuͤr zu GOtt betende Engel, uͤber deſſen Haupt
der Heil. Geiſt in Geſtalt einer Taube ſchwebet, bedeutet erſtlich die ſichere
Behuͤtung und Bewahrung der Auserwaͤhlten, zum andern, durch den in
des Engels Hand befindlichen Lilien-Zweig, die rechte reine Religion und
wahren Glauben, und uͤberhaupt ſtellet der kniend-betende Engel vor die
heilige Andacht in der Wuͤrckung des daruͤber ſchwebenden Heil. Geiſtes.
Die 4. verfolgende und aͤngſtende Hunde aber bedeuten etwan die Suͤnde,
den Teufel, die Anfechtung und Verzweiflung. Jch rede auf Papiſtiſche
Art, weil dieſes Epitaphium noch aus dem Roͤmiſch-Catholiſchen Alter-
thum herruͤhret. Diß iſt meine Meynung von dieſem Epitaphio, ein ande-
rer glaube und dencke davon, was ihm beliebet. Es ſind hier noch ſehens-
wuͤrdig die alabaſterne Tauffe, und das wohl gebauete Altar.

Jn der vierten Haupt-Kirche S. Jacobi

Siehet man eine ziemlich-groſſe, neue, vollkommene Orgel, inglei-
chen den auf Unkoſten des Hrn. Michaël Wilckens, eines Mit-Glieds des
Raths, neu-erbauten koͤſtlichen Altar, nach dem Modell des zu S. Nicolai
befindlichen verfertiget: Uber dem admiriret man hier viele Gemaͤhlde und
ausgehauene Epitaphia. Auf dem Thurm kan man von einer hohen Gal-
lerie,
ſo um denſelben gehet, plaiſirlich die umliegende Gegend weit und breit
beſchauen.

Die fuͤnffte Haupt-Kirche iſt die S. Michaëlis,
in der Neuſtadt.

Dieſes neue Gebaͤue iſt Ao. 1649. den 26. Aprilis angefangen, und
in 12. Jahren, nemlich 1661. den 14. Martii vollzogen; der Thurm
aber allererſt 1669. zum Stande gebracht worden. Die zierlich-erbaute
Orgel und Altar, neu-inventionirte Tauffe und Chor, geben einem Cu-
riöſ
en, dieſe Kirche nebſt denen darinn befindlichen Gemaͤhlden und Epita-
phi
en zu beſichtigen, Urſach, nicht weniger ziehet das curiöſe gegypste Ge-
woͤlb
und zierlich doch hoch-erbaute Thurm, die, ſo ſolches bſichtigen, zur
Bewunderung.

Die alte Ertz-Stiffts-Kirche, der Dom

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[49/0077] Das V. Capitel. barte, ihr andaͤchtiges und von Goͤttlicher Liebe brennendes doch nicht ver- zehrendes, Hertze. An der Seite liegt bey ihr ein Lamm-Fell, ihre reine weiſſe Unſchuld und Jungfrauſchafft anzeigende. Jhr Proviant-Korb bey ihr ſtehend ſoll andeuten, daß, ob ſie gleich GOttes Sohn zur Welt geboh- ren, ſie dennoch, wie ein ander Menſch, ihrer leiblichen Nothdurfft beduͤrfftig geweſen ſey. Der vor der Thuͤr zu GOtt betende Engel, uͤber deſſen Haupt der Heil. Geiſt in Geſtalt einer Taube ſchwebet, bedeutet erſtlich die ſichere Behuͤtung und Bewahrung der Auserwaͤhlten, zum andern, durch den in des Engels Hand befindlichen Lilien-Zweig, die rechte reine Religion und wahren Glauben, und uͤberhaupt ſtellet der kniend-betende Engel vor die heilige Andacht in der Wuͤrckung des daruͤber ſchwebenden Heil. Geiſtes. Die 4. verfolgende und aͤngſtende Hunde aber bedeuten etwan die Suͤnde, den Teufel, die Anfechtung und Verzweiflung. Jch rede auf Papiſtiſche Art, weil dieſes Epitaphium noch aus dem Roͤmiſch-Catholiſchen Alter- thum herruͤhret. Diß iſt meine Meynung von dieſem Epitaphio, ein ande- rer glaube und dencke davon, was ihm beliebet. Es ſind hier noch ſehens- wuͤrdig die alabaſterne Tauffe, und das wohl gebauete Altar. Jn der vierten Haupt-Kirche S. Jacobi Siehet man eine ziemlich-groſſe, neue, vollkommene Orgel, inglei- chen den auf Unkoſten des Hrn. Michaël Wilckens, eines Mit-Glieds des Raths, neu-erbauten koͤſtlichen Altar, nach dem Modell des zu S. Nicolai befindlichen verfertiget: Uber dem admiriret man hier viele Gemaͤhlde und ausgehauene Epitaphia. Auf dem Thurm kan man von einer hohen Gal- lerie, ſo um denſelben gehet, plaiſirlich die umliegende Gegend weit und breit beſchauen. Die fuͤnffte Haupt-Kirche iſt die S. Michaëlis, in der Neuſtadt. Dieſes neue Gebaͤue iſt Ao. 1649. den 26. Aprilis angefangen, und in 12. Jahren, nemlich 1661. den 14. Martii vollzogen; der Thurm aber allererſt 1669. zum Stande gebracht worden. Die zierlich-erbaute Orgel und Altar, neu-inventionirte Tauffe und Chor, geben einem Cu- riöſen, dieſe Kirche nebſt denen darinn befindlichen Gemaͤhlden und Epita- phien zu beſichtigen, Urſach, nicht weniger ziehet das curiöſe gegypste Ge- woͤlb und zierlich doch hoch-erbaute Thurm, die, ſo ſolches bſichtigen, zur Bewunderung. Die alte Ertz-Stiffts-Kirche, der Dom Jſt fuͤr einen Liebhaber der Antiquität ein ſchoͤner Ort, weil er ſolche in G

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Zitationshilfe: Neickel, Kaspar Friedrich [i. e. Jencquel, Kaspar Friedrich]; Kanold, Johann: Museographia oder Anleitung zum rechten Begriff und nützlicher Anlegung der Museorum, oder Raritäten-Kammern. Leipzig u. a., 1727, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neickel_museographia_1727/77>, abgerufen am 10.05.2024.