Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

man voraussetzen, daß das Schicksal allen
Neger-Sklaven in den Colonieen einen so
menschlich-denkenden Gebieter zutheilte, so
würde das so laut erhobene Geschrei über
die himmelschreiende Ungerechtigkeit des mit
ihnen betriebenen Handels viel von seinem
Nachdruck verlieren.

Sobald wir unter Segel gegangen waren,
ersuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk
bekannt zu machen, daß er demjenigen, der
ihm zuerst ansagen könne: Er sehe europäi-
sche Erde -- ein Geschenk von 50 Dukaten
zugedacht habe. Diese Nachricht verbreitete
unter Allen eine gespannte Aufmerksamkeit;
und der Wetteifer, eine so leicht zu verdie-
nende Belohnung vor den Uebrigen davon-
zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns
unserm heimatlichen Erdtheile näher brachte.
Selbst als wir, in der achten Woche unsrer
Fahrt, unsrer Schiffsrechnung nach, dieses
Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb
dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend
Meilen übrig, da, wie bekannt, in jenen Zei-
ten die genaue Bestimmung der zurückgeleg-
teu Längen-Grade mehr auf einer muthmaaß-
lichen Schätzung, als auf astronomischen Be-
rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh-
ren, beruhte.

Jetzt wimmelte es schon seit einigen Ta-
gen auf unsern Masten und Stengen von Men-

man vorausſetzen, daß das Schickſal allen
Neger-Sklaven in den Colonieen einen ſo
menſchlich-denkenden Gebieter zutheilte, ſo
wuͤrde das ſo laut erhobene Geſchrei uͤber
die himmelſchreiende Ungerechtigkeit des mit
ihnen betriebenen Handels viel von ſeinem
Nachdruck verlieren.

Sobald wir unter Segel gegangen waren,
erſuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk
bekannt zu machen, daß er demjenigen, der
ihm zuerſt anſagen koͤnne: Er ſehe europaͤi-
ſche Erde — ein Geſchenk von 50 Dukaten
zugedacht habe. Dieſe Nachricht verbreitete
unter Allen eine geſpannte Aufmerkſamkeit;
und der Wetteifer, eine ſo leicht zu verdie-
nende Belohnung vor den Uebrigen davon-
zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns
unſerm heimatlichen Erdtheile naͤher brachte.
Selbſt als wir, in der achten Woche unſrer
Fahrt, unſrer Schiffsrechnung nach, dieſes
Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb
dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend
Meilen uͤbrig, da, wie bekannt, in jenen Zei-
ten die genaue Beſtimmung der zuruͤckgeleg-
teu Laͤngen-Grade mehr auf einer muthmaaß-
lichen Schaͤtzung, als auf aſtronomiſchen Be-
rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh-
ren, beruhte.

Jetzt wimmelte es ſchon ſeit einigen Ta-
gen auf unſern Maſten und Stengen von Men-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="109"/>
man voraus&#x017F;etzen, daß das Schick&#x017F;al <hi rendition="#g">allen</hi><lb/>
Neger-Sklaven in den Colonieen einen &#x017F;o<lb/>
men&#x017F;chlich-denkenden Gebieter zutheilte, &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rde das &#x017F;o laut erhobene Ge&#x017F;chrei u&#x0364;ber<lb/>
die himmel&#x017F;chreiende Ungerechtigkeit des mit<lb/>
ihnen betriebenen Handels viel von &#x017F;einem<lb/>
Nachdruck verlieren.</p><lb/>
        <p>Sobald wir unter Segel gegangen waren,<lb/>
er&#x017F;uchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk<lb/>
bekannt zu machen, daß er demjenigen, der<lb/>
ihm zuer&#x017F;t an&#x017F;agen ko&#x0364;nne: Er &#x017F;ehe europa&#x0364;i-<lb/>
&#x017F;che Erde &#x2014; ein Ge&#x017F;chenk von 50 Dukaten<lb/>
zugedacht habe. Die&#x017F;e Nachricht verbreitete<lb/>
unter Allen eine ge&#x017F;pannte Aufmerk&#x017F;amkeit;<lb/>
und der Wetteifer, eine &#x017F;o leicht zu verdie-<lb/>
nende Belohnung vor den Uebrigen davon-<lb/>
zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns<lb/>
un&#x017F;erm heimatlichen Erdtheile na&#x0364;her brachte.<lb/>
Selb&#x017F;t als wir, in der achten Woche un&#x017F;rer<lb/>
Fahrt, un&#x017F;rer Schiffsrechnung nach, die&#x017F;es<lb/>
Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb<lb/>
dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend<lb/>
Meilen u&#x0364;brig, da, wie bekannt, in jenen Zei-<lb/>
ten die genaue Be&#x017F;timmung der zuru&#x0364;ckgeleg-<lb/>
teu La&#x0364;ngen-Grade mehr auf einer muthmaaß-<lb/>
lichen Scha&#x0364;tzung, als auf a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Be-<lb/>
rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh-<lb/>
ren, beruhte.</p><lb/>
        <p>Jetzt wimmelte es &#x017F;chon &#x017F;eit einigen Ta-<lb/>
gen auf un&#x017F;ern Ma&#x017F;ten und Stengen von Men-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0125] man vorausſetzen, daß das Schickſal allen Neger-Sklaven in den Colonieen einen ſo menſchlich-denkenden Gebieter zutheilte, ſo wuͤrde das ſo laut erhobene Geſchrei uͤber die himmelſchreiende Ungerechtigkeit des mit ihnen betriebenen Handels viel von ſeinem Nachdruck verlieren. Sobald wir unter Segel gegangen waren, erſuchte uns Herr Polack, dem Schiffsvolk bekannt zu machen, daß er demjenigen, der ihm zuerſt anſagen koͤnne: Er ſehe europaͤi- ſche Erde — ein Geſchenk von 50 Dukaten zugedacht habe. Dieſe Nachricht verbreitete unter Allen eine geſpannte Aufmerkſamkeit; und der Wetteifer, eine ſo leicht zu verdie- nende Belohnung vor den Uebrigen davon- zutragen, wuchs mit jedem Tage, der uns unſerm heimatlichen Erdtheile naͤher brachte. Selbſt als wir, in der achten Woche unſrer Fahrt, unſrer Schiffsrechnung nach, dieſes Ziel erreicht zu haben glauben durften, blieb dennoch eine Ungewißheit von einem Dutzend Meilen uͤbrig, da, wie bekannt, in jenen Zei- ten die genaue Beſtimmung der zuruͤckgeleg- teu Laͤngen-Grade mehr auf einer muthmaaß- lichen Schaͤtzung, als auf aſtronomiſchen Be- rechnungen oder der Sicherheit der See-Uh- ren, beruhte. Jetzt wimmelte es ſchon ſeit einigen Ta- gen auf unſern Maſten und Stengen von Men-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/125
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/125>, abgerufen am 21.11.2024.