Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich-
sam, wie vom Stapel, und war glücklich wie-
der flott geworden.

Nie habe ich einen erfreuteren Menschen
gesehen, als diesen Officier, sobald mein Stück
Arbeit gelungen war. Er herzte und küßte
mich; ich mußte ihm meinen Namen sagen,
den er sich in seine Schreibtafel zeichnete,
und zugleich schrieb er ein russisches Billet
an den General Romanzow, der damals in
Colberg befehligte, und das er mir zur treuen
Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als
ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ
er mir das Boot von seinem Vorrath an
Hirse, Mehl und Grütze dergestalt voll laden,
daß ich im Ernst zu sinken fürchtete und, da
kein Weigern und Verbitten etwas fruchten
wollte, zuletzt nur über Hals und Kopf auf
meine Abfahrt denken mußte. So erreichte
ich denn wieder mein Schiff, welches derweile
in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.

Ein paar Tage später langte ich in Col-
berg an, wo ich nicht säumte, mich dem
General Romanzow vorzustellen und mein
Billet zu überreichen. Es war kein Urias-
Brief gewesen: denn der edle Mann hatte
es kaum gelesen, als er mir unter herzlichem
Händedruck dankte, daß ich seinem Monarchen
Schiff und Ladung erhalten hätte. Er wollte
wissen, wie er mir wieder dienen könne, und

oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich-
ſam, wie vom Stapel, und war gluͤcklich wie-
der flott geworden.

Nie habe ich einen erfreuteren Menſchen
geſehen, als dieſen Officier, ſobald mein Stuͤck
Arbeit gelungen war. Er herzte und kuͤßte
mich; ich mußte ihm meinen Namen ſagen,
den er ſich in ſeine Schreibtafel zeichnete,
und zugleich ſchrieb er ein ruſſiſches Billet
an den General Romanzow, der damals in
Colberg befehligte, und das er mir zur treuen
Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als
ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ
er mir das Boot von ſeinem Vorrath an
Hirſe, Mehl und Gruͤtze dergeſtalt voll laden,
daß ich im Ernſt zu ſinken fuͤrchtete und, da
kein Weigern und Verbitten etwas fruchten
wollte, zuletzt nur uͤber Hals und Kopf auf
meine Abfahrt denken mußte. So erreichte
ich denn wieder mein Schiff, welches derweile
in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.

Ein paar Tage ſpaͤter langte ich in Col-
berg an, wo ich nicht ſaͤumte, mich dem
General Romanzow vorzuſtellen und mein
Billet zu uͤberreichen. Es war kein Urias-
Brief geweſen: denn der edle Mann hatte
es kaum geleſen, als er mir unter herzlichem
Haͤndedruck dankte, daß ich ſeinem Monarchen
Schiff und Ladung erhalten haͤtte. Er wollte
wiſſen, wie er mir wieder dienen koͤnne, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="142"/>
oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich-<lb/>
&#x017F;am, wie vom Stapel, und war glu&#x0364;cklich wie-<lb/>
der flott geworden.</p><lb/>
        <p>Nie habe ich einen erfreuteren Men&#x017F;chen<lb/>
ge&#x017F;ehen, als die&#x017F;en Officier, &#x017F;obald mein Stu&#x0364;ck<lb/>
Arbeit gelungen war. Er herzte und ku&#x0364;ßte<lb/>
mich; ich mußte ihm meinen Namen &#x017F;agen,<lb/>
den er &#x017F;ich in &#x017F;eine Schreibtafel zeichnete,<lb/>
und zugleich &#x017F;chrieb er ein ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ches Billet<lb/>
an den General Romanzow, der damals in<lb/>
Colberg befehligte, und das er mir zur treuen<lb/>
Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als<lb/>
ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ<lb/>
er mir das Boot von &#x017F;einem Vorrath an<lb/>
Hir&#x017F;e, Mehl und Gru&#x0364;tze derge&#x017F;talt voll laden,<lb/>
daß ich im Ern&#x017F;t zu &#x017F;inken fu&#x0364;rchtete und, da<lb/>
kein Weigern und Verbitten etwas fruchten<lb/>
wollte, zuletzt nur u&#x0364;ber Hals und Kopf auf<lb/>
meine Abfahrt denken mußte. So erreichte<lb/>
ich denn wieder mein Schiff, welches derweile<lb/>
in einiger Entfernung Anker geworfen hatte.</p><lb/>
        <p>Ein paar Tage &#x017F;pa&#x0364;ter langte ich in Col-<lb/>
berg an, wo ich nicht &#x017F;a&#x0364;umte, mich dem<lb/>
General Romanzow vorzu&#x017F;tellen und mein<lb/>
Billet zu u&#x0364;berreichen. Es war kein Urias-<lb/>
Brief gewe&#x017F;en: denn der edle Mann hatte<lb/>
es kaum gele&#x017F;en, als er mir unter herzlichem<lb/>
Ha&#x0364;ndedruck dankte, daß ich &#x017F;einem Monarchen<lb/>
Schiff und Ladung erhalten ha&#x0364;tte. Er wollte<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, wie er mir wieder dienen ko&#x0364;nne, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0158] oder 3 Stunden Arbeit lief das Schiff gleich- ſam, wie vom Stapel, und war gluͤcklich wie- der flott geworden. Nie habe ich einen erfreuteren Menſchen geſehen, als dieſen Officier, ſobald mein Stuͤck Arbeit gelungen war. Er herzte und kuͤßte mich; ich mußte ihm meinen Namen ſagen, den er ſich in ſeine Schreibtafel zeichnete, und zugleich ſchrieb er ein ruſſiſches Billet an den General Romanzow, der damals in Colberg befehligte, und das er mir zur treuen Abgabe bei meiner Ankunft anempfahl. Als ich mich endlich wieder entfernen wollte, ließ er mir das Boot von ſeinem Vorrath an Hirſe, Mehl und Gruͤtze dergeſtalt voll laden, daß ich im Ernſt zu ſinken fuͤrchtete und, da kein Weigern und Verbitten etwas fruchten wollte, zuletzt nur uͤber Hals und Kopf auf meine Abfahrt denken mußte. So erreichte ich denn wieder mein Schiff, welches derweile in einiger Entfernung Anker geworfen hatte. Ein paar Tage ſpaͤter langte ich in Col- berg an, wo ich nicht ſaͤumte, mich dem General Romanzow vorzuſtellen und mein Billet zu uͤberreichen. Es war kein Urias- Brief geweſen: denn der edle Mann hatte es kaum geleſen, als er mir unter herzlichem Haͤndedruck dankte, daß ich ſeinem Monarchen Schiff und Ladung erhalten haͤtte. Er wollte wiſſen, wie er mir wieder dienen koͤnne, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/158
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/158>, abgerufen am 24.11.2024.