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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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nahm, auf das erste leise Wort, nicht nur
meinem Vater die damals über alle Maas-
sen drückende Einquartierung ab, sondern er-
theilte mir auch die, nicht minder bedeutende
Vergünstigung, bei der Maykuhle und Bleiche
anlegen und dort meine Ladung löschen zu
dürfen. Da in jenem Zeitpunkt der Hafen
gepfropft von Schiffen voll lag, so, daß von
der Seemündung an, bis hinauf zu dem Ein-
flusse des Holzgrabens in die Persante, Bord
an Bord sich drängte und die in der Mitte
des Stromes nicht an's Bollwerk kommen
konnten, um ihre Fracht zu löschen: so muß-
ten Manche wohl etliche Wochen warten, ehe
sie dazu gelangten. Jch hingegen ward, ver-
möge jener besondern Erlaubniß, binnen zwei
Tagen ledig.

Ausser der erforderlichen Portion Ballast,
die ich hier einnahm, bestand meine Rück-
fracht nach Königsberg in etwa 60 Passagie-
ren -- den Frauen, Jungen, Mädchen und
kleinen Kindern eines preussischen Bataillons,
das, nach der Einnahme von Colberg, nach
Preussen abgeführt worden war, und wohin
nun Diese sich begaben, um ihre Gatten und
Väter wieder aufzusuchen. Eine bunte, aber
eben nicht angenehme Ladung!

Als ich mich in segelfertigem Stande be-
fand, gab es einen Sturm aus Westsüdwe-
sten, der mich auf meinem Wege trefflich ge-

nahm, auf das erſte leiſe Wort, nicht nur
meinem Vater die damals uͤber alle Maaſ-
ſen druͤckende Einquartierung ab, ſondern er-
theilte mir auch die, nicht minder bedeutende
Verguͤnſtigung, bei der Maykuhle und Bleiche
anlegen und dort meine Ladung loͤſchen zu
duͤrfen. Da in jenem Zeitpunkt der Hafen
gepfropft von Schiffen voll lag, ſo, daß von
der Seemuͤndung an, bis hinauf zu dem Ein-
fluſſe des Holzgrabens in die Perſante, Bord
an Bord ſich draͤngte und die in der Mitte
des Stromes nicht an’s Bollwerk kommen
konnten, um ihre Fracht zu loͤſchen: ſo muß-
ten Manche wohl etliche Wochen warten, ehe
ſie dazu gelangten. Jch hingegen ward, ver-
moͤge jener beſondern Erlaubniß, binnen zwei
Tagen ledig.

Auſſer der erforderlichen Portion Ballaſt,
die ich hier einnahm, beſtand meine Ruͤck-
fracht nach Koͤnigsberg in etwa 60 Paſſagie-
ren — den Frauen, Jungen, Maͤdchen und
kleinen Kindern eines preuſſiſchen Bataillons,
das, nach der Einnahme von Colberg, nach
Preuſſen abgefuͤhrt worden war, und wohin
nun Dieſe ſich begaben, um ihre Gatten und
Vaͤter wieder aufzuſuchen. Eine bunte, aber
eben nicht angenehme Ladung!

Als ich mich in ſegelfertigem Stande be-
fand, gab es einen Sturm aus Weſtſuͤdwe-
ſten, der mich auf meinem Wege trefflich ge-

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[143/0159] nahm, auf das erſte leiſe Wort, nicht nur meinem Vater die damals uͤber alle Maaſ- ſen druͤckende Einquartierung ab, ſondern er- theilte mir auch die, nicht minder bedeutende Verguͤnſtigung, bei der Maykuhle und Bleiche anlegen und dort meine Ladung loͤſchen zu duͤrfen. Da in jenem Zeitpunkt der Hafen gepfropft von Schiffen voll lag, ſo, daß von der Seemuͤndung an, bis hinauf zu dem Ein- fluſſe des Holzgrabens in die Perſante, Bord an Bord ſich draͤngte und die in der Mitte des Stromes nicht an’s Bollwerk kommen konnten, um ihre Fracht zu loͤſchen: ſo muß- ten Manche wohl etliche Wochen warten, ehe ſie dazu gelangten. Jch hingegen ward, ver- moͤge jener beſondern Erlaubniß, binnen zwei Tagen ledig. Auſſer der erforderlichen Portion Ballaſt, die ich hier einnahm, beſtand meine Ruͤck- fracht nach Koͤnigsberg in etwa 60 Paſſagie- ren — den Frauen, Jungen, Maͤdchen und kleinen Kindern eines preuſſiſchen Bataillons, das, nach der Einnahme von Colberg, nach Preuſſen abgefuͤhrt worden war, und wohin nun Dieſe ſich begaben, um ihre Gatten und Vaͤter wieder aufzuſuchen. Eine bunte, aber eben nicht angenehme Ladung! Als ich mich in ſegelfertigem Stande be- fand, gab es einen Sturm aus Weſtſuͤdwe- ſten, der mich auf meinem Wege trefflich ge-

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/159>, abgerufen am 21.11.2024.