Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

Dame, sobald sie sich zeigen würde, gebüh-
rend zu empfangen und ihr mit Kaffee, oder
was sie sonst fordern möchte, fein höflich an
die Hand zu gehen. So schieden wir, und
ich ging meines Weges ruhig nach Hause.

Gleich nach Mitternacht aber erlitt diese
Ruhe einen gewaltigen Stoß, da sich plötz-
lich auf der Gasse ein Lärm, wie von einer
Menge zusammengelaufener Menschen, erhob,
die an meine Hausthüre und Fensterladen
pochten und laut und wiederholt meinen Namen
riefen. Schnell fuhr ich aus dem Bette
empor; aber nicht gemeynt, in einer so be-
denklichen Zeit, als wir damals erlebten,
mein Haus dem Ersten dem Besten zu öffnen,
wollt' ich zuvor, daß die Polterer sich namen-
kündig geben sollten. So meldete sich denn
der Licent-Buchhalter, den ich an der Stimme
kannte, mit der räthselhaften Nachricht, daß
es auf meinem Schiffe unklar sey und ich
hurtig zum Rechten sehen möchte.

Jch erschrack von Herzen. "Mein Gott!"
dacht' ich -- "Jst mein Schiff gesunken?
oder steht es im Brande?" -- Jch weiß nicht,
wie ich in die Kleider und auf die Gasse kam.
Hier endlich eröffnete mir der Buchhalter
das Verständniß. "Sie haben die Madam
W. *) am Borde;" sagte er -- "und nach

*) Der Rame soll hier nur mit dem ersten Buch-
staben angedeutet werden, da es leicht mög-

Dame, ſobald ſie ſich zeigen wuͤrde, gebuͤh-
rend zu empfangen und ihr mit Kaffee, oder
was ſie ſonſt fordern moͤchte, fein hoͤflich an
die Hand zu gehen. So ſchieden wir, und
ich ging meines Weges ruhig nach Hauſe.

Gleich nach Mitternacht aber erlitt dieſe
Ruhe einen gewaltigen Stoß, da ſich ploͤtz-
lich auf der Gaſſe ein Laͤrm, wie von einer
Menge zuſammengelaufener Menſchen, erhob,
die an meine Hausthuͤre und Fenſterladen
pochten und laut und wiederholt meinen Namen
riefen. Schnell fuhr ich aus dem Bette
empor; aber nicht gemeynt, in einer ſo be-
denklichen Zeit, als wir damals erlebten,
mein Haus dem Erſten dem Beſten zu oͤffnen,
wollt’ ich zuvor, daß die Polterer ſich namen-
kuͤndig geben ſollten. So meldete ſich denn
der Licent-Buchhalter, den ich an der Stimme
kannte, mit der raͤthſelhaften Nachricht, daß
es auf meinem Schiffe unklar ſey und ich
hurtig zum Rechten ſehen moͤchte.

Jch erſchrack von Herzen. „Mein Gott!‟
dacht’ ich — „Jſt mein Schiff geſunken?
oder ſteht es im Brande?‟ — Jch weiß nicht,
wie ich in die Kleider und auf die Gaſſe kam.
Hier endlich eroͤffnete mir der Buchhalter
das Verſtaͤndniß. „Sie haben die Madam
W. *) am Borde;‟ ſagte er — „und nach

*) Der Rame ſoll hier nur mit dem erſten Buch-
ſtaben angedeutet werden, da es leicht moͤg-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="154"/>
Dame, &#x017F;obald &#x017F;ie &#x017F;ich zeigen wu&#x0364;rde, gebu&#x0364;h-<lb/>
rend zu empfangen und ihr mit Kaffee, oder<lb/>
was &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t fordern mo&#x0364;chte, fein ho&#x0364;flich an<lb/>
die Hand zu gehen. So &#x017F;chieden wir, und<lb/>
ich ging meines Weges ruhig nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Gleich nach Mitternacht aber erlitt die&#x017F;e<lb/>
Ruhe einen gewaltigen Stoß, da &#x017F;ich plo&#x0364;tz-<lb/>
lich auf der Ga&#x017F;&#x017F;e ein La&#x0364;rm, wie von einer<lb/>
Menge zu&#x017F;ammengelaufener Men&#x017F;chen, erhob,<lb/>
die an meine Hausthu&#x0364;re und Fen&#x017F;terladen<lb/>
pochten und laut und wiederholt meinen Namen<lb/>
riefen. Schnell fuhr ich aus dem Bette<lb/>
empor; aber nicht gemeynt, in einer &#x017F;o be-<lb/>
denklichen Zeit, als wir damals erlebten,<lb/>
mein Haus dem Er&#x017F;ten dem Be&#x017F;ten zu o&#x0364;ffnen,<lb/>
wollt&#x2019; ich zuvor, daß die Polterer &#x017F;ich namen-<lb/>
ku&#x0364;ndig geben &#x017F;ollten. So meldete &#x017F;ich denn<lb/>
der Licent-Buchhalter, den ich an der Stimme<lb/>
kannte, mit der ra&#x0364;th&#x017F;elhaften Nachricht, daß<lb/>
es auf meinem Schiffe unklar &#x017F;ey und ich<lb/>
hurtig zum Rechten &#x017F;ehen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
        <p>Jch er&#x017F;chrack von Herzen. &#x201E;Mein Gott!&#x201F;<lb/>
dacht&#x2019; ich &#x2014; &#x201E;J&#x017F;t mein Schiff ge&#x017F;unken?<lb/>
oder &#x017F;teht es im Brande?&#x201F; &#x2014; Jch weiß nicht,<lb/>
wie ich in die Kleider und auf die Ga&#x017F;&#x017F;e kam.<lb/>
Hier endlich ero&#x0364;ffnete mir der Buchhalter<lb/>
das Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß. &#x201E;Sie haben die Madam<lb/>
W. <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Der Rame &#x017F;oll hier nur mit dem er&#x017F;ten Buch-<lb/>
&#x017F;taben angedeutet werden, da es leicht mo&#x0364;g-</note> am Borde;&#x201F; &#x017F;agte er &#x2014; &#x201E;und nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0170] Dame, ſobald ſie ſich zeigen wuͤrde, gebuͤh- rend zu empfangen und ihr mit Kaffee, oder was ſie ſonſt fordern moͤchte, fein hoͤflich an die Hand zu gehen. So ſchieden wir, und ich ging meines Weges ruhig nach Hauſe. Gleich nach Mitternacht aber erlitt dieſe Ruhe einen gewaltigen Stoß, da ſich ploͤtz- lich auf der Gaſſe ein Laͤrm, wie von einer Menge zuſammengelaufener Menſchen, erhob, die an meine Hausthuͤre und Fenſterladen pochten und laut und wiederholt meinen Namen riefen. Schnell fuhr ich aus dem Bette empor; aber nicht gemeynt, in einer ſo be- denklichen Zeit, als wir damals erlebten, mein Haus dem Erſten dem Beſten zu oͤffnen, wollt’ ich zuvor, daß die Polterer ſich namen- kuͤndig geben ſollten. So meldete ſich denn der Licent-Buchhalter, den ich an der Stimme kannte, mit der raͤthſelhaften Nachricht, daß es auf meinem Schiffe unklar ſey und ich hurtig zum Rechten ſehen moͤchte. Jch erſchrack von Herzen. „Mein Gott!‟ dacht’ ich — „Jſt mein Schiff geſunken? oder ſteht es im Brande?‟ — Jch weiß nicht, wie ich in die Kleider und auf die Gaſſe kam. Hier endlich eroͤffnete mir der Buchhalter das Verſtaͤndniß. „Sie haben die Madam W. *) am Borde;‟ ſagte er — „und nach *) Der Rame ſoll hier nur mit dem erſten Buch- ſtaben angedeutet werden, da es leicht moͤg-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/170
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/170>, abgerufen am 21.11.2024.