vollen Lauf dahin, und war schon lange vor mir zur Stelle. Während ich aber hier mei- nes Geschäftes wahrnahm, gieng auch der Liefländer an Land und nach dem hier postir- ten russischen Wachthause. Die Verständi- gung mit dem commandirenden Officier war die Sache eines Augenblicks; und so wie die Wache das Gewehr aufnahm und einige Kol- benstöße links und rechts austheilte, war auch der helle Haufe auseinander gesprengt und der Paß wieder eröffnet. Eine halbe Stunde später lag uns Königsberg bereits in weiter Ferne im Rücken.
Nun fing aber auch Madam W. an, auf ihre Weise zu wirthschaften. Es war zum Erstaunen, was sie in der kurzen Zeit an Bord zu schaffen gewußt hatte, und wie sie davon kochen und braten ließ, als ob auf dem Schiffe Hochzeit wäre. Wir langten in aller Lust und Herrlichkeit noch desselben Tages bei Pillau an; worauf wir am nächsten Morgen früh, bei stillem Wetter, in See giengen. Ehe wir noch aus dem Fahrwasser kamen, segelte dicht hinter uns eine russische Fre- gatte zugleich mit uns aus; und das Wetter war so still, daß man die Schiffe fast nicht aus- einander halten konnte, ohne daß es gleich- wohl Gefahr dabei gehabt hätte.
Mein Liefländer wurde durch all diesen schönen Anschein zum Uebermuth verleitet.
vollen Lauf dahin, und war ſchon lange vor mir zur Stelle. Waͤhrend ich aber hier mei- nes Geſchaͤftes wahrnahm, gieng auch der Lieflaͤnder an Land und nach dem hier poſtir- ten ruſſiſchen Wachthauſe. Die Verſtaͤndi- gung mit dem commandirenden Officier war die Sache eines Augenblicks; und ſo wie die Wache das Gewehr aufnahm und einige Kol- benſtoͤße links und rechts austheilte, war auch der helle Haufe auseinander geſprengt und der Paß wieder eroͤffnet. Eine halbe Stunde ſpaͤter lag uns Koͤnigsberg bereits in weiter Ferne im Ruͤcken.
Nun fing aber auch Madam W. an, auf ihre Weiſe zu wirthſchaften. Es war zum Erſtaunen, was ſie in der kurzen Zeit an Bord zu ſchaffen gewußt hatte, und wie ſie davon kochen und braten ließ, als ob auf dem Schiffe Hochzeit waͤre. Wir langten in aller Luſt und Herrlichkeit noch deſſelben Tages bei Pillau an; worauf wir am naͤchſten Morgen fruͤh, bei ſtillem Wetter, in See giengen. Ehe wir noch aus dem Fahrwaſſer kamen, ſegelte dicht hinter uns eine ruſſiſche Fre- gatte zugleich mit uns aus; und das Wetter war ſo ſtill, daß man die Schiffe faſt nicht aus- einander halten konnte, ohne daß es gleich- wohl Gefahr dabei gehabt haͤtte.
Mein Lieflaͤnder wurde durch all dieſen ſchoͤnen Anſchein zum Uebermuth verleitet.
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vollen Lauf dahin, und war ſchon lange vor
mir zur Stelle. Waͤhrend ich aber hier mei-
nes Geſchaͤftes wahrnahm, gieng auch der
Lieflaͤnder an Land und nach dem hier poſtir-
ten ruſſiſchen Wachthauſe. Die Verſtaͤndi-
gung mit dem commandirenden Officier war
die Sache eines Augenblicks; und ſo wie die
Wache das Gewehr aufnahm und einige Kol-
benſtoͤße links und rechts austheilte, war auch
der helle Haufe auseinander geſprengt und der
Paß wieder eroͤffnet. Eine halbe Stunde
ſpaͤter lag uns Koͤnigsberg bereits in weiter
Ferne im Ruͤcken.
Nun fing aber auch Madam W. an, auf
ihre Weiſe zu wirthſchaften. Es war zum
Erſtaunen, was ſie in der kurzen Zeit an
Bord zu ſchaffen gewußt hatte, und wie ſie
davon kochen und braten ließ, als ob auf dem
Schiffe Hochzeit waͤre. Wir langten in aller
Luſt und Herrlichkeit noch deſſelben Tages bei
Pillau an; worauf wir am naͤchſten Morgen
fruͤh, bei ſtillem Wetter, in See giengen.
Ehe wir noch aus dem Fahrwaſſer kamen,
ſegelte dicht hinter uns eine ruſſiſche Fre-
gatte zugleich mit uns aus; und das Wetter
war ſo ſtill, daß man die Schiffe faſt nicht aus-
einander halten konnte, ohne daß es gleich-
wohl Gefahr dabei gehabt haͤtte.
Mein Lieflaͤnder wurde durch all dieſen
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/174>, abgerufen am 16.02.2025.
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