Leuten, daß sie ihn so feigherzig im Stiche gelassen. Wiewohl er sich nun endlich be- ruhigte, so nahm doch am nächsten Morgen an seinem Beispiel auch Madame den Muth, mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar- tung gegeben war, unsäuberlich zu verfah- ren. Bald hatt' er das Bette nicht gut ge- macht, bald die Teller nicht gehörig gescheuert, bald etwas noch Schlimmeres versehen, und endlich lief auch ihr die Galle dermaassen über, daß sie dem armen ungeschickten Kerl mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul- schelle zutheilte. Allein diese Keckheit bekam ihr übler, als sie wohl gedacht hatte. Der ganze Trupp fühlte sich durch diese Miß- handlung eines Kameraden von unberufenen Fäusten an seiner militairischen Ehre gekränkt; Alles spie Feuer und Flamme, drang auf den Lieutenant ein, und bestand auf der bün- digsten Genugthuung. Um den furchtbaren Lärm zu stillen und noch derbere Ausbrüche einer rohen Gewalt zu verhüten, blieb dem edlen Ritter zuletzt nichts übrig, als die Schöne unter seine eigene Fuchtel zu nehmen; und das that er denn, seiner Zärtlichkeit unbe- schadet, auch so herzhaft und nachdrücklich, daß endlich die lautesten Schreier selbst sich für befriedigt erklärten. Nur Madame W. schien von dieser fühlbaren Liebesprobe schlecht erbaut zu seyn und legte so wenig ihrer
1. Bändchen. (11)
Leuten, daß ſie ihn ſo feigherzig im Stiche gelaſſen. Wiewohl er ſich nun endlich be- ruhigte, ſo nahm doch am naͤchſten Morgen an ſeinem Beiſpiel auch Madame den Muth, mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar- tung gegeben war, unſaͤuberlich zu verfah- ren. Bald hatt’ er das Bette nicht gut ge- macht, bald die Teller nicht gehoͤrig geſcheuert, bald etwas noch Schlimmeres verſehen, und endlich lief auch ihr die Galle dermaaſſen uͤber, daß ſie dem armen ungeſchickten Kerl mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul- ſchelle zutheilte. Allein dieſe Keckheit bekam ihr uͤbler, als ſie wohl gedacht hatte. Der ganze Trupp fuͤhlte ſich durch dieſe Miß- handlung eines Kameraden von unberufenen Faͤuſten an ſeiner militairiſchen Ehre gekraͤnkt; Alles ſpie Feuer und Flamme, drang auf den Lieutenant ein, und beſtand auf der buͤn- digſten Genugthuung. Um den furchtbaren Laͤrm zu ſtillen und noch derbere Ausbruͤche einer rohen Gewalt zu verhuͤten, blieb dem edlen Ritter zuletzt nichts uͤbrig, als die Schoͤne unter ſeine eigene Fuchtel zu nehmen; und das that er denn, ſeiner Zaͤrtlichkeit unbe- ſchadet, auch ſo herzhaft und nachdruͤcklich, daß endlich die lauteſten Schreier ſelbſt ſich fuͤr befriedigt erklaͤrten. Nur Madame W. ſchien von dieſer fuͤhlbaren Liebesprobe ſchlecht erbaut zu ſeyn und legte ſo wenig ihrer
1. Bändchen. (11)
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Leuten, daß ſie ihn ſo feigherzig im Stiche
gelaſſen. Wiewohl er ſich nun endlich be-
ruhigte, ſo nahm doch am naͤchſten Morgen
an ſeinem Beiſpiel auch Madame den Muth,
mit dem Soldaten, der ihr zur Aufwar-
tung gegeben war, unſaͤuberlich zu verfah-
ren. Bald hatt’ er das Bette nicht gut ge-
macht, bald die Teller nicht gehoͤrig geſcheuert,
bald etwas noch Schlimmeres verſehen, und
endlich lief auch ihr die Galle dermaaſſen
uͤber, daß ſie dem armen ungeſchickten Kerl
mit eigner hoher Hand eine gewichtige Maul-
ſchelle zutheilte. Allein dieſe Keckheit bekam
ihr uͤbler, als ſie wohl gedacht hatte. Der
ganze Trupp fuͤhlte ſich durch dieſe Miß-
handlung eines Kameraden von unberufenen
Faͤuſten an ſeiner militairiſchen Ehre gekraͤnkt;
Alles ſpie Feuer und Flamme, drang auf
den Lieutenant ein, und beſtand auf der buͤn-
digſten Genugthuung. Um den furchtbaren
Laͤrm zu ſtillen und noch derbere Ausbruͤche
einer rohen Gewalt zu verhuͤten, blieb dem
edlen Ritter zuletzt nichts uͤbrig, als die Schoͤne
unter ſeine eigene Fuchtel zu nehmen; und
das that er denn, ſeiner Zaͤrtlichkeit unbe-
ſchadet, auch ſo herzhaft und nachdruͤcklich,
daß endlich die lauteſten Schreier ſelbſt ſich
fuͤr befriedigt erklaͤrten. Nur Madame W.
ſchien von dieſer fuͤhlbaren Liebesprobe ſchlecht
erbaut zu ſeyn und legte ſo wenig ihrer
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/177>, abgerufen am 16.02.2025.
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