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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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ben, trieben wir hiehin und dorthin, auf dem
unermessenen Raume des großen Oceans.
An eine Berechnung von unserm Kurs und
Distanzen war gar nicht mehr zu denken.
Zwar gaben mir meine Beobachtungen an
Sonne und Sternen zu Zeiten die Breiten-
Grade an, unter welchen wir uns befanden:
allein über unsre Länge war auch nicht ein-
mal eine ohngefähre Schätzung anzustellen,
noch weniger richtige Rechnung zu führen.
Es war aber sicher genug, daß wir uns
in weiter Entfernung von allen europäischen
Küsten befinden mußten, da die Winde meist
östlich und südlich waren. Auch erblickten
wir während dieses rathlosen Umhertreibens
nur Zweimal ein fremdes Segel; zuerst ein
englisches und demnächst ein schwedisches
Schiff, welche zwar Beide uns beizukommen
suchten, aber durch das schlechte Wetter daran
verhindert wurden. Sie gereichten uns also
zu keiner Hülfe, sondern mußten sich begnü-
gen uns durch das Sprachrohr zu beklagen
und besseres Glück zu wünschen. Doch ge-
währte uns dies Zusammentreffen den Trost,
daß sie uns ihre beobachtete Länge mittheil-
ten; so daß wir uns doch einigermaassen be-
lehrten, auf welchem Punkte des Erdballs
wir uns befänden.

Schon hatten wir, auf diese Weise, sechs
Wochen lang, eben so nutz- als hülflos, auf

ben, trieben wir hiehin und dorthin, auf dem
unermeſſenen Raume des großen Oceans.
An eine Berechnung von unſerm Kurs und
Diſtanzen war gar nicht mehr zu denken.
Zwar gaben mir meine Beobachtungen an
Sonne und Sternen zu Zeiten die Breiten-
Grade an, unter welchen wir uns befanden:
allein uͤber unſre Laͤnge war auch nicht ein-
mal eine ohngefaͤhre Schaͤtzung anzuſtellen,
noch weniger richtige Rechnung zu fuͤhren.
Es war aber ſicher genug, daß wir uns
in weiter Entfernung von allen europaͤiſchen
Kuͤſten befinden mußten, da die Winde meiſt
oͤſtlich und ſuͤdlich waren. Auch erblickten
wir waͤhrend dieſes rathloſen Umhertreibens
nur Zweimal ein fremdes Segel; zuerſt ein
engliſches und demnaͤchſt ein ſchwediſches
Schiff, welche zwar Beide uns beizukommen
ſuchten, aber durch das ſchlechte Wetter daran
verhindert wurden. Sie gereichten uns alſo
zu keiner Huͤlfe, ſondern mußten ſich begnuͤ-
gen uns durch das Sprachrohr zu beklagen
und beſſeres Gluͤck zu wuͤnſchen. Doch ge-
waͤhrte uns dies Zuſammentreffen den Troſt,
daß ſie uns ihre beobachtete Laͤnge mittheil-
ten; ſo daß wir uns doch einigermaaſſen be-
lehrten, auf welchem Punkte des Erdballs
wir uns befaͤnden.

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[229/0245] ben, trieben wir hiehin und dorthin, auf dem unermeſſenen Raume des großen Oceans. An eine Berechnung von unſerm Kurs und Diſtanzen war gar nicht mehr zu denken. Zwar gaben mir meine Beobachtungen an Sonne und Sternen zu Zeiten die Breiten- Grade an, unter welchen wir uns befanden: allein uͤber unſre Laͤnge war auch nicht ein- mal eine ohngefaͤhre Schaͤtzung anzuſtellen, noch weniger richtige Rechnung zu fuͤhren. Es war aber ſicher genug, daß wir uns in weiter Entfernung von allen europaͤiſchen Kuͤſten befinden mußten, da die Winde meiſt oͤſtlich und ſuͤdlich waren. Auch erblickten wir waͤhrend dieſes rathloſen Umhertreibens nur Zweimal ein fremdes Segel; zuerſt ein engliſches und demnaͤchſt ein ſchwediſches Schiff, welche zwar Beide uns beizukommen ſuchten, aber durch das ſchlechte Wetter daran verhindert wurden. Sie gereichten uns alſo zu keiner Huͤlfe, ſondern mußten ſich begnuͤ- gen uns durch das Sprachrohr zu beklagen und beſſeres Gluͤck zu wuͤnſchen. Doch ge- waͤhrte uns dies Zuſammentreffen den Troſt, daß ſie uns ihre beobachtete Laͤnge mittheil- ten; ſo daß wir uns doch einigermaaſſen be- lehrten, auf welchem Punkte des Erdballs wir uns befaͤnden. Schon hatten wir, auf dieſe Weiſe, ſechs Wochen lang, eben ſo nutz- als huͤlflos, auf

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/245>, abgerufen am 23.11.2024.