dem Weltmeer umher gekreuzt, als uns, unter der am 2. August beobachteten nörd- lichen Breite von 58 Grad 33 Minuten, (So hoch hinauf nach Norden waren wir verschlagen!) ein gewaltiger Sturm aus Süd- westen ereilte. Am 6. Aug. sprang der Wind nach Westen um, und das Wetter ward so furchtbar, als ich es je erlebt habe. Alle unsre andre Noth und Gefahr aber ward noch durch die Besorgniß vermehrt, daß wir bei Nacht gegen die Lewis-Jnseln und die dort zahlreich umherliegenden Klippen geworfen werden könnten. Diese Furcht schwand erst dann, als wir uns am 9. Aug. mitten zwi- schen den orkadischen Jnseln und im Ange- sicht von Fairhill erblickten. Da auch zu- gleich der Wind nach Nordwesten gieng und kräftig zu blasen fortfuhr; so wuchs uns der Muth, daß wir unser Schiff nach Ostsüdost zu treiben zwangen, um die norwegische Küste zu erreichen und dort Hülfe zu finden.
Am 13. trat uns diese gewünschte Küste auch wirklich in's Gesicht; und am folgen- den Tage Abends kamen wir ihr so nahe, daß wir deutlich die zahllosen, theils emporra- genden, theils blinden Klippen vor uns er- kannten, an welchen die tobende See hoch in die Lüfte zerschäumte. Dieser Anblick schlug unsre Freudigkeit um ein Großes nie- der; ja diese verwandelte sich gar bald in
dem Weltmeer umher gekreuzt, als uns, unter der am 2. Auguſt beobachteten noͤrd- lichen Breite von 58 Grad 33 Minuten, (So hoch hinauf nach Norden waren wir verſchlagen!) ein gewaltiger Sturm aus Suͤd- weſten ereilte. Am 6. Aug. ſprang der Wind nach Weſten um, und das Wetter ward ſo furchtbar, als ich es je erlebt habe. Alle unſre andre Noth und Gefahr aber ward noch durch die Beſorgniß vermehrt, daß wir bei Nacht gegen die Lewis-Jnſeln und die dort zahlreich umherliegenden Klippen geworfen werden koͤnnten. Dieſe Furcht ſchwand erſt dann, als wir uns am 9. Aug. mitten zwi- ſchen den orkadiſchen Jnſeln und im Ange- ſicht von Fairhill erblickten. Da auch zu- gleich der Wind nach Nordweſten gieng und kraͤftig zu blaſen fortfuhr; ſo wuchs uns der Muth, daß wir unſer Schiff nach Oſtſuͤdoſt zu treiben zwangen, um die norwegiſche Kuͤſte zu erreichen und dort Huͤlfe zu finden.
Am 13. trat uns dieſe gewuͤnſchte Kuͤſte auch wirklich in’s Geſicht; und am folgen- den Tage Abends kamen wir ihr ſo nahe, daß wir deutlich die zahlloſen, theils emporra- genden, theils blinden Klippen vor uns er- kannten, an welchen die tobende See hoch in die Luͤfte zerſchaͤumte. Dieſer Anblick ſchlug unſre Freudigkeit um ein Großes nie- der; ja dieſe verwandelte ſich gar bald in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="230"/>
dem Weltmeer umher gekreuzt, als uns,<lb/>
unter der am 2. Auguſt beobachteten noͤrd-<lb/>
lichen Breite von 58 Grad 33 Minuten,<lb/>
(So hoch hinauf nach Norden waren wir<lb/>
verſchlagen!) ein gewaltiger Sturm aus Suͤd-<lb/>
weſten ereilte. Am 6. Aug. ſprang der Wind<lb/>
nach Weſten um, und das Wetter ward ſo<lb/>
furchtbar, als ich es je erlebt habe. Alle unſre<lb/>
andre Noth und Gefahr aber ward noch<lb/>
durch die Beſorgniß vermehrt, daß wir bei<lb/>
Nacht gegen die Lewis-Jnſeln und die dort<lb/>
zahlreich umherliegenden Klippen geworfen<lb/>
werden koͤnnten. Dieſe Furcht ſchwand erſt<lb/>
dann, als wir uns am 9. Aug. mitten zwi-<lb/>ſchen den orkadiſchen Jnſeln und im Ange-<lb/>ſicht von Fairhill erblickten. Da auch zu-<lb/>
gleich der Wind nach Nordweſten gieng und<lb/>
kraͤftig zu blaſen fortfuhr; ſo wuchs uns der<lb/>
Muth, daß wir unſer Schiff nach Oſtſuͤdoſt<lb/>
zu treiben zwangen, um die norwegiſche<lb/>
Kuͤſte zu erreichen und dort Huͤlfe zu finden.</p><lb/><p>Am 13. trat uns dieſe gewuͤnſchte Kuͤſte<lb/>
auch wirklich in’s Geſicht; und am folgen-<lb/>
den Tage Abends kamen wir ihr ſo nahe, daß<lb/>
wir deutlich die zahlloſen, theils emporra-<lb/>
genden, theils blinden Klippen vor uns er-<lb/>
kannten, an welchen die tobende See hoch<lb/>
in die Luͤfte zerſchaͤumte. Dieſer Anblick<lb/>ſchlug unſre Freudigkeit um ein Großes nie-<lb/>
der; ja dieſe verwandelte ſich gar bald in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[230/0246]
dem Weltmeer umher gekreuzt, als uns,
unter der am 2. Auguſt beobachteten noͤrd-
lichen Breite von 58 Grad 33 Minuten,
(So hoch hinauf nach Norden waren wir
verſchlagen!) ein gewaltiger Sturm aus Suͤd-
weſten ereilte. Am 6. Aug. ſprang der Wind
nach Weſten um, und das Wetter ward ſo
furchtbar, als ich es je erlebt habe. Alle unſre
andre Noth und Gefahr aber ward noch
durch die Beſorgniß vermehrt, daß wir bei
Nacht gegen die Lewis-Jnſeln und die dort
zahlreich umherliegenden Klippen geworfen
werden koͤnnten. Dieſe Furcht ſchwand erſt
dann, als wir uns am 9. Aug. mitten zwi-
ſchen den orkadiſchen Jnſeln und im Ange-
ſicht von Fairhill erblickten. Da auch zu-
gleich der Wind nach Nordweſten gieng und
kraͤftig zu blaſen fortfuhr; ſo wuchs uns der
Muth, daß wir unſer Schiff nach Oſtſuͤdoſt
zu treiben zwangen, um die norwegiſche
Kuͤſte zu erreichen und dort Huͤlfe zu finden.
Am 13. trat uns dieſe gewuͤnſchte Kuͤſte
auch wirklich in’s Geſicht; und am folgen-
den Tage Abends kamen wir ihr ſo nahe, daß
wir deutlich die zahlloſen, theils emporra-
genden, theils blinden Klippen vor uns er-
kannten, an welchen die tobende See hoch
in die Luͤfte zerſchaͤumte. Dieſer Anblick
ſchlug unſre Freudigkeit um ein Großes nie-
der; ja dieſe verwandelte ſich gar bald in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 1. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung01_1821/246>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.