Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.Jndeß mußt' ich mich schon mit hinauf- Sie gestanden ihr Unrecht ein und ge- Jndeß mußt’ ich mich ſchon mit hinauf- Sie geſtanden ihr Unrecht ein und ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0142" n="138"/> <p>Jndeß mußt’ ich mich ſchon mit hinauf-<lb/> ſchleppen laſſen, und fand dort den Titular-<lb/> Rath huſtend auf einem Bette ſitzen. Jch<lb/> ſah mich nun in dem Stuͤbchen um, wo<lb/> Alles ein aͤrmliches beklommenes Anſehen<lb/> hatte, und konnte mich nicht enthalten, aus-<lb/> zubrechen: „Leute, wie habt Jhr gewirth-<lb/> ſchaftet! Was habe ich gehoͤrt? und was<lb/> ſehe ich jetzt ſelbſt? Seyd Jhr’s wohl werth,<lb/> daß Euch das Gluͤck einmal ſo freundlich<lb/> angelacht hat?‟ — Beide weinten und ſag-<lb/> ten: Dann wuͤrde ich auch gehoͤrt haben,<lb/> wie ſie von ihren beſten Freunden betrogen<lb/> worden. — „Nun warlich doch nicht ohne<lb/> Eure Schuld!‟ gab ich ihnen unmuthig zur<lb/> Antwort — „Haͤttet Jhr die Naſe nicht<lb/> ſtets hoͤher getragen, als Euch zukam; haͤttet<lb/> Jhr Gott ſtill und demuͤthig gedankt, daß er<lb/> Euch einen ruhigen Nothhafen fuͤr Eure<lb/> alten Tage eroͤffnet; haͤttet Jhr fein zu Rathe<lb/> gehalten, was mehr, als genuͤglich, fuͤr Euer<lb/> Nothwendiges ausreichte‟… Und wie<lb/> denn der derbe Levite weiter lautete, den<lb/> ich glaubte, ihnen leſen zu muͤſſen.</p><lb/> <p>Sie geſtanden ihr Unrecht ein und ge-<lb/> lobten Beſſerung, wenn ich ihnen nur jetzt<lb/> behuͤlflich ſeyn wollte, einen Brief an ihre<lb/> Tochter zu beſorgen, worinn ſie derſelben<lb/> ihre aͤuſſerſte Noth vorſtellig machen und ſie<lb/> um eine letzte Unterſtuͤtzung bitten wollten.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [138/0142]
Jndeß mußt’ ich mich ſchon mit hinauf-
ſchleppen laſſen, und fand dort den Titular-
Rath huſtend auf einem Bette ſitzen. Jch
ſah mich nun in dem Stuͤbchen um, wo
Alles ein aͤrmliches beklommenes Anſehen
hatte, und konnte mich nicht enthalten, aus-
zubrechen: „Leute, wie habt Jhr gewirth-
ſchaftet! Was habe ich gehoͤrt? und was
ſehe ich jetzt ſelbſt? Seyd Jhr’s wohl werth,
daß Euch das Gluͤck einmal ſo freundlich
angelacht hat?‟ — Beide weinten und ſag-
ten: Dann wuͤrde ich auch gehoͤrt haben,
wie ſie von ihren beſten Freunden betrogen
worden. — „Nun warlich doch nicht ohne
Eure Schuld!‟ gab ich ihnen unmuthig zur
Antwort — „Haͤttet Jhr die Naſe nicht
ſtets hoͤher getragen, als Euch zukam; haͤttet
Jhr Gott ſtill und demuͤthig gedankt, daß er
Euch einen ruhigen Nothhafen fuͤr Eure
alten Tage eroͤffnet; haͤttet Jhr fein zu Rathe
gehalten, was mehr, als genuͤglich, fuͤr Euer
Nothwendiges ausreichte‟… Und wie
denn der derbe Levite weiter lautete, den
ich glaubte, ihnen leſen zu muͤſſen.
Sie geſtanden ihr Unrecht ein und ge-
lobten Beſſerung, wenn ich ihnen nur jetzt
behuͤlflich ſeyn wollte, einen Brief an ihre
Tochter zu beſorgen, worinn ſie derſelben
ihre aͤuſſerſte Noth vorſtellig machen und ſie
um eine letzte Unterſtuͤtzung bitten wollten.
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