mern und Danziger. Auch fanden wir, als wir im Hause unsers Gastgebers anlangten dort bereits mehrere Kaufleute versammlet und ein schmackhaftes Mahl bereitet, wobei zugleich tapfer getrunken wurde: denn unser Wirth verstand die Kunst des Zunöthigens aus dem Grunde; und so artete es, nach aufgehobener Tafel, bald in ein Bacchanal aus, wo weder Maaß noch Anstand mehr beobachtet wurde. Bei mir, der ich genau das Maaß kannte, welches ich nicht über- schreiten durfte, um bei Verstand und Ehren zu bleiben, gieng jedoch bald jedes gute, wie jedes böse Wort des Gastgebers verloren. "Basta! und keinen Tropfen mehr!" war und blieb mein letzter Trumpf, der endlich auch gelten mußte. Weniger gut kamen die übrigen Herren Collegen weg, die sich der- gestalt übernahmen, daß sie zuletzt sammt und sonders unter den Tisch sanken. Jch meines Theils hatte mich inzwischen mit den anwesenden Kaufleuten unterhalten; bis ich, des bestialischen Anblicks satt und müde, mich empfahl und mich an Bord meines Schiffes begab.
Gleichwohl rieb ich mir am andern Mor- gen etwas verdutzt die Augen aus, als ich unsern gestrigen Wirth in Begleitung jener Kaufleute, welche Theilnehmer des Gelages gewesen waren, bei mir eintreten sah. Sie
mern und Danziger. Auch fanden wir, als wir im Hauſe unſers Gaſtgebers anlangten dort bereits mehrere Kaufleute verſammlet und ein ſchmackhaftes Mahl bereitet, wobei zugleich tapfer getrunken wurde: denn unſer Wirth verſtand die Kunſt des Zunoͤthigens aus dem Grunde; und ſo artete es, nach aufgehobener Tafel, bald in ein Bacchanal aus, wo weder Maaß noch Anſtand mehr beobachtet wurde. Bei mir, der ich genau das Maaß kannte, welches ich nicht uͤber- ſchreiten durfte, um bei Verſtand und Ehren zu bleiben, gieng jedoch bald jedes gute, wie jedes boͤſe Wort des Gaſtgebers verloren. „Baſta! und keinen Tropfen mehr!‟ war und blieb mein letzter Trumpf, der endlich auch gelten mußte. Weniger gut kamen die uͤbrigen Herren Collegen weg, die ſich der- geſtalt uͤbernahmen, daß ſie zuletzt ſammt und ſonders unter den Tiſch ſanken. Jch meines Theils hatte mich inzwiſchen mit den anweſenden Kaufleuten unterhalten; bis ich, des beſtialiſchen Anblicks ſatt und muͤde, mich empfahl und mich an Bord meines Schiffes begab.
Gleichwohl rieb ich mir am andern Mor- gen etwas verdutzt die Augen aus, als ich unſern geſtrigen Wirth in Begleitung jener Kaufleute, welche Theilnehmer des Gelages geweſen waren, bei mir eintreten ſah. Sie
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mern und Danziger. Auch fanden wir, als
wir im Hauſe unſers Gaſtgebers anlangten
dort bereits mehrere Kaufleute verſammlet
und ein ſchmackhaftes Mahl bereitet, wobei
zugleich tapfer getrunken wurde: denn unſer
Wirth verſtand die Kunſt des Zunoͤthigens
aus dem Grunde; und ſo artete es, nach
aufgehobener Tafel, bald in ein Bacchanal
aus, wo weder Maaß noch Anſtand mehr
beobachtet wurde. Bei mir, der ich genau
das Maaß kannte, welches ich nicht uͤber-
ſchreiten durfte, um bei Verſtand und Ehren
zu bleiben, gieng jedoch bald jedes gute, wie
jedes boͤſe Wort des Gaſtgebers verloren.
„Baſta! und keinen Tropfen mehr!‟ war
und blieb mein letzter Trumpf, der endlich
auch gelten mußte. Weniger gut kamen die
uͤbrigen Herren Collegen weg, die ſich der-
geſtalt uͤbernahmen, daß ſie zuletzt ſammt
und ſonders unter den Tiſch ſanken. Jch
meines Theils hatte mich inzwiſchen mit den
anweſenden Kaufleuten unterhalten; bis ich,
des beſtialiſchen Anblicks ſatt und muͤde, mich
empfahl und mich an Bord meines Schiffes
begab.
Gleichwohl rieb ich mir am andern Mor-
gen etwas verdutzt die Augen aus, als ich
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geweſen waren, bei mir eintreten ſah. Sie
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/174>, abgerufen am 21.11.2024.
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