Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

mir, als eine Kinderei betrachtete. Jndeß
gieng ich doch nach Medemblyck ab, und
fand dort eine Gerichts-Versammlung, aus
fünf Personen bestehend; so wie auch mein
Widersacher nicht fehlte und seine Klage an-
hängig machte. Meinerseits übergab ich die
schon aufgenommene und eidlich bekräftigte
Verhandlung über den wahren Hergang der
Sache, mit hinzugefügter Erklärung, daß,
wiewenig mir dieser Mensch auch irgend ei-
nige Dienste geleistet, ich dennoch einer billi-
gen Festsetzung seines Lohnes nicht entgegen
seyn wolle. Man fragte mich: Wieviel ich
dem Manne gutwillig zu verabreichen ge-
dächte? -- und ich wiederholte meine frü-
here Bestimmung, daß ich, bloß in Erwä-
gung seines hohen Alters, 10 Gulden, um
nichts und wieder nichts, an ihn verlieren
wolle. -- Der alte durchtriebene Fuchs hin-
gegen beharrte ursinnig auf seiner ersten
ausschweifenden Forderung.

Nach langem Hin- und Wiederreden muß-
ten wir abtreten und der richterlichen Ver-
sammlung Zeit und Ruhe zum Deliberiren
lassen. Das bedurfte länger, als eine Stunde,
wo endlich Kläger und Beklagter wieder vor-
gefordert wurden, um das, in hoher Weis-
heit ausgeheckte Urtel zu vernehmen. Es
lautete dahin, daß Letzterer schuldig und ge-
halten seyn solle, dem angenommenen Loot-

mir, als eine Kinderei betrachtete. Jndeß
gieng ich doch nach Medemblyck ab, und
fand dort eine Gerichts-Verſammlung, aus
fuͤnf Perſonen beſtehend; ſo wie auch mein
Widerſacher nicht fehlte und ſeine Klage an-
haͤngig machte. Meinerſeits uͤbergab ich die
ſchon aufgenommene und eidlich bekraͤftigte
Verhandlung uͤber den wahren Hergang der
Sache, mit hinzugefuͤgter Erklaͤrung, daß,
wiewenig mir dieſer Menſch auch irgend ei-
nige Dienſte geleiſtet, ich dennoch einer billi-
gen Feſtſetzung ſeines Lohnes nicht entgegen
ſeyn wolle. Man fragte mich: Wieviel ich
dem Manne gutwillig zu verabreichen ge-
daͤchte? — und ich wiederholte meine fruͤ-
here Beſtimmung, daß ich, bloß in Erwaͤ-
gung ſeines hohen Alters, 10 Gulden, um
nichts und wieder nichts, an ihn verlieren
wolle. — Der alte durchtriebene Fuchs hin-
gegen beharrte urſinnig auf ſeiner erſten
ausſchweifenden Forderung.

Nach langem Hin- und Wiederreden muß-
ten wir abtreten und der richterlichen Ver-
ſammlung Zeit und Ruhe zum Deliberiren
laſſen. Das bedurfte laͤnger, als eine Stunde,
wo endlich Klaͤger und Beklagter wieder vor-
gefordert wurden, um das, in hoher Weis-
heit ausgeheckte Urtel zu vernehmen. Es
lautete dahin, daß Letzterer ſchuldig und ge-
halten ſeyn ſolle, dem angenommenen Loot-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="194"/>
mir, als eine Kinderei betrachtete. Jndeß<lb/>
gieng ich doch nach Medemblyck ab, und<lb/>
fand dort eine Gerichts-Ver&#x017F;ammlung, aus<lb/>
fu&#x0364;nf Per&#x017F;onen be&#x017F;tehend; &#x017F;o wie auch mein<lb/>
Wider&#x017F;acher nicht fehlte und &#x017F;eine Klage an-<lb/>
ha&#x0364;ngig machte. Meiner&#x017F;eits u&#x0364;bergab ich die<lb/>
&#x017F;chon aufgenommene und eidlich bekra&#x0364;ftigte<lb/>
Verhandlung u&#x0364;ber den wahren Hergang der<lb/>
Sache, mit hinzugefu&#x0364;gter Erkla&#x0364;rung, daß,<lb/>
wiewenig mir die&#x017F;er Men&#x017F;ch auch irgend ei-<lb/>
nige Dien&#x017F;te gelei&#x017F;tet, ich dennoch einer billi-<lb/>
gen Fe&#x017F;t&#x017F;etzung &#x017F;eines Lohnes nicht entgegen<lb/>
&#x017F;eyn wolle. Man fragte mich: Wieviel ich<lb/>
dem Manne gutwillig zu verabreichen ge-<lb/>
da&#x0364;chte? &#x2014; und ich wiederholte meine fru&#x0364;-<lb/>
here Be&#x017F;timmung, daß ich, bloß in Erwa&#x0364;-<lb/>
gung &#x017F;eines hohen Alters, 10 Gulden, um<lb/>
nichts und wieder nichts, an ihn verlieren<lb/>
wolle. &#x2014; Der alte durchtriebene Fuchs hin-<lb/>
gegen beharrte ur&#x017F;innig auf &#x017F;einer er&#x017F;ten<lb/>
aus&#x017F;chweifenden Forderung.</p><lb/>
        <p>Nach langem Hin- und Wiederreden muß-<lb/>
ten wir abtreten und der richterlichen Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung Zeit und Ruhe zum Deliberiren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Das bedurfte la&#x0364;nger, als eine Stunde,<lb/>
wo endlich Kla&#x0364;ger und Beklagter wieder vor-<lb/>
gefordert wurden, um das, in hoher Weis-<lb/>
heit ausgeheckte Urtel zu vernehmen. Es<lb/>
lautete dahin, daß Letzterer &#x017F;chuldig und ge-<lb/>
halten &#x017F;eyn &#x017F;olle, dem angenommenen Loot-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0198] mir, als eine Kinderei betrachtete. Jndeß gieng ich doch nach Medemblyck ab, und fand dort eine Gerichts-Verſammlung, aus fuͤnf Perſonen beſtehend; ſo wie auch mein Widerſacher nicht fehlte und ſeine Klage an- haͤngig machte. Meinerſeits uͤbergab ich die ſchon aufgenommene und eidlich bekraͤftigte Verhandlung uͤber den wahren Hergang der Sache, mit hinzugefuͤgter Erklaͤrung, daß, wiewenig mir dieſer Menſch auch irgend ei- nige Dienſte geleiſtet, ich dennoch einer billi- gen Feſtſetzung ſeines Lohnes nicht entgegen ſeyn wolle. Man fragte mich: Wieviel ich dem Manne gutwillig zu verabreichen ge- daͤchte? — und ich wiederholte meine fruͤ- here Beſtimmung, daß ich, bloß in Erwaͤ- gung ſeines hohen Alters, 10 Gulden, um nichts und wieder nichts, an ihn verlieren wolle. — Der alte durchtriebene Fuchs hin- gegen beharrte urſinnig auf ſeiner erſten ausſchweifenden Forderung. Nach langem Hin- und Wiederreden muß- ten wir abtreten und der richterlichen Ver- ſammlung Zeit und Ruhe zum Deliberiren laſſen. Das bedurfte laͤnger, als eine Stunde, wo endlich Klaͤger und Beklagter wieder vor- gefordert wurden, um das, in hoher Weis- heit ausgeheckte Urtel zu vernehmen. Es lautete dahin, daß Letzterer ſchuldig und ge- halten ſeyn ſolle, dem angenommenen Loot-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/198
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/198>, abgerufen am 21.11.2024.